Heidi Schröck: "Spannend ist es, den Süßwein mit den unterschiedlichsten pikanten Gerichten zu kombinieren."

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Traubenernte im Winter.

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STANDARD: Warum haben Sie sich des Themas Süßweine angenommen? Der Markt ist ja eher klein im Vergleich zu trockenen Weißen und schweren Roten?

Heidi Schröck: Genau das war meine Intention. Der Süßwein ist in Vergessenheit geraten und wurde von der Gastronomie auf die letzte Seite der Speisekarte verbannt – kurz vor den Kräuterlikören. Und genau das ist völlig absurd, ist er doch ein herrlicher Speisenbegleiter. Außerdem tut er der Psyche gut.

STANDARD: Sie meinen als Beruhigungsmittel?

Schröck: Ja, man kennt das ja von Schokolade. Man isst sie, wenn man Stress hat. Beim Süßwein hat man die Süße und den Alkohol, der entspannt.

STANDARD: Dass man Süßwein zum Dessert trinkt, ist aber nicht völlig falsch?

Schröck: Natürlich kann man den Süßwein auch zum Dessert trinken. Das macht ja auch Sinn. Ohnehin ist alles, was man bisher mit Süßwein gemacht hat, absolut richtig. Ich will nur zeigen, dass es auch Alternativen gibt und dass süß und pikant einander nicht ausschließen.

STANDARD: Sie haben ein Experiment mit Süßweinen in einer Bar in Berlin gemacht. Was war das Ergebnis?

Schröck: Wir haben Weinfachhändler, Sommeliers und Journalisten eingeladen und ihnen 15 unterschiedliche Speisen und jeweils einen jungen und einen älteren Süßwein dazu serviert. Am Ende haben alle die Harmonie von Süßwein und Speise bewertet. Die Ergebnisse waren erstaunlich und haben auch die Experten überrascht. Der Süßwein hat hervorragend mit den meisten pikanten Speisen harmoniert. Am besten wurde die Kombination mit einem Risotto aus Roten Rüben und Liebstöckel bewertet.

STANDARD: Obwohl der süße Wein offenbar so gut mit vielen Speisen harmoniert, wird er viel seltener getrunken. Woran liegt das?

Schröck: Wir verbinden süßen Wein seit je mit süßen Speisen und somit mit Zucker. Das haben wir uns auch jahrelang so eingelernt. Nachdem wir 70 Prozent unserer Weine exportieren, bekommen wir auch mit, wie es in anderen Ländern ist. In Kanada herrscht zum Beispiel gerade eine ziemliche Gesundheitswelle. Da passt für viele Kunden Süßwein nicht dazu.

STANDARD: Aber auch Leute, die nicht ernährungsbewusst sind, trinken Süßwein eher selten. Jeder hat so eine Flasche, die er geschenkt bekommen hat und die seit Jahren herumsteht.

Schröck: Das ist auch ein Vorteil von Süßweinen. Sie können nicht zu alt werden. Bei leichten Weinen ist die Gefahr da schon größer, wenn sie zu lange liegen. Einem Süßwein macht das gar nichts. Nachdem der Süßwein oft am Ende eines mehrgängigen Menüs angeboten wird, haben manche Gäste keine Lust mehr darauf. Und das ist verständlich. Süß und süß ist eben viel zu süß. Das ist nicht sehr spannend.

STANDARD: Was wäre spannender?

Schröck: Spannend ist es, den Süßwein mit den unterschiedlichsten pikanten Gerichten zu kombinieren. Er passt perfekt zu einem Curry, Krautfleckerln, aber auch zu einer saftigen Martinigans. Man darf nicht vergessen, dass man von einem Süßwein nicht so viel trinkt wie von einem normalen Wein. Er ist damit eine schöne und spannende Ergänzung.

STANDARD: Wäre es auch denkbar, ein mehrgängiges Menü nur mit Süßweinen zu begleiten?

Schröck: Auf jeden Fall. Man kann das Menü sehr spannend aufbauen. Am Anfang beginnt man mit leichteren Weinen, wie einer Spätlese oder einer Auslese, und dann arbeitet man sich hoch. Statt eines dicken Rotweins kann man sicher einen älteren Süßen trinken.

STANDARD: Wie weiß man als Laie, welcher Süßwein mit welcher Speise harmoniert?

Schröck: Man kann natürlich selbst experimentieren. Grundsätzlich ist es aber wie bei der Kunst und der Mode. Die Spannung muss aufrechterhalten bleiben. Ein Süßwein mit viel Säure passt perfekt zu Salzigem – zum Beispiel zu Prosciutto oder rotem Fleisch wie Pastrami. Bei älteren Süßweinen mit weniger Säure passen auch Nüsse sehr gut oder Sbrinz, ein Schweizer Hartkäse.

STANDARD: Wie viele Süßweine produzieren Sie?

Schröck: Ich versuche, so viele Süßweine wie möglich zu machen. In guten Jahren ernten wir 40 Prozent Süßweine. Das kann aber auch wesentlich weniger sein. Heuer sind die Trauben noch nicht so weit. Wir lassen sie noch hängen, bis sie richtig ausgetrocknet sind. Dann können wir die Rosinen für den Süßwein ernten. (Alex Stranig, 9.11.2015)