WSK Spielerin Franziska: "Dass wir unsere eigenen Fußballschuhe kaufen müssen, konnte ein männlicher Spieler gar nicht glauben".

Foto: WSK

Trotz der vorherrschenden Wien-Wahl finden sich am 11. Oktober ein paar Fußballfans im tiefsten Ottakring zusammen. Rund hundert ZuseherInnen lassen sich das Spiel im Trainingszentrum des Wiener Sportklubs in der Erdbrustgasse nicht entgehen. Hier treffen die Frauenteams des Wiener Sportklubs und des First Vienna Football Clubs aufeinander – in Anlehnung an das traditionell gut besuchte und beliebte Duell der jeweiligen Männerteams wurde auch dieses Spiel als Derby of Love angekündigt.

Die Fans

"So viele ZuschauerInnen wie beim Derby gibt's sonst nie", zeigt sich Chris Peterka, Gründer und Sektionsleiter der WSK Frauen mit dem Fansupport zufrieden. Fans, die zu jedem Match kommen, meint er, kann man aber an einer Hand abzählen. Somit lässt sich hier dasselbe Phänomen wie bei anderen Frauenfußballteams beobachten: Die Spiele finden vor wenigen oder gar keinen ZuseherInnen statt. Peterka hofft hier auf einen Schneeballeffekt. "Die Friedhofstribüne zum Beispiel besteht auch nur, weil Leute irgendwann begonnen haben eine Fankultur einzubringen. Doch trotzdem sind mehr als 80 Prozent der Fans Männer. Das ist nichts Besonderes, das ist bei den anderen Vereinen genauso. Aber der Diskurs über weibliche Fans ist ein anderer. Das heißt allerdings nicht, dass ein größeres Interesse an Frauenfußball besteht."

Angesichts der Entwicklungen im Frauenfußball in den letzten Jahren zeigt sich der Sektionsleiter optimistisch. Das Niveau hat sich extrem gesteigert, in den Ligen mitzuhalten ist nicht mehr so einfach wie noch vor wenigen Jahren. "Man darf nicht vergessen, dass Frauenfußball erst seit 1982 bundesweit ausgetragen und damit vom ÖFB offiziell anerkannt wurde", weist Peterka auf die kurze Geschichte des organisierten Frauenfußballs hin. Heute gibt es einen enormen Zulauf von Mädchen und Frauen, die Fußball spielen wollen, und auch das Interesse der ZuseherInnen – so hofft er – wird sich in den nächsten Jahren im selben Ausmaß steigern. Die hohen Einschaltquoten bei der Frauenfußball-WM in Kanada in diesem Jahr weisen jedenfalls auf ein steigendes Interesse der Öffentlichkeit hin.

Das Team

Mehr Wertschätzung und Unterstützung wünscht sich auch WSK-Spielerin Franziska. Seit ihrem 5. Lebensjahr spielt die Studentin, die durch ihren Vater zum Ballsport gekommen ist, mit Begeisterung Fußball. Für den WSK kickt sie seit einem Jahr, davor stand sie für die Vienna auf dem Platz. Die familiäre Atmosphäre, das gesellschaftspolitische Engagement und gemeinsame Interessen im Team abseits vom Fußball haben sie damals zu einem Wechsel bewogen. In den beiden Teams des Wiener Sportklubs spielen Frauen zwischen 14 und 40 Jahren mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen. Gemeinsam ist ihnen die Freude am Sport – und so wird auch bei Neuzugängen nicht nur auf die Leistung geachtet, sondern auch darauf, wie gut die Spielerin ins Team passt. Die Kampfmannschaft spielt derzeit in der Wiener Landesliga, die 1b in der 1. Klasse A. Ein Nachwuchsteam besteht derzeit nicht.

Gegründet wurde die WSK-Frauensektion durch Chris Peterka, selbst langjährigen Fan des Wiener Sportklubs und ehemaligen Leiter der Frauenteams von ASK Erlaa und Wiener Viktoria, im Mai 2011. Zu Beginn musste alles aus seiner eigenen Tasche finanziert werden. Auch heute noch gibt es vonseiten des Vereins keinen finanziellen Beitrag für die Sportklubfrauen. Denn auch das Frauenteam leidet unter der schlechten finanziellen Situation des Wiener Sportklubs. Erst kürzlich hat Manfred Tromayer, der Präsident des Vereins, angekündigt, dass der WSK mit Dezember möglicherweise zahlungsunfähig sein wird, sollte sich die Lage nicht verbessern. So ist derzeit auch nicht zu erwarten, dass vom Verein Geld in die Frauenteams investiert werden kann.

Lediglich der Platz wird zur Verfügung gestellt. Alles andere, von Schuhen, Bällen und Trainingsmaterialien bis zu den Trainern, SchiedsrichterInnen und Gebühren wird von den Spielerinnen selbst und Spenden aus dem Umfeld finanziert. Mittlerweile wird auch ein Mitgliedsbeitrag eingehoben, um die Kosten des Betriebs zu decken. Nicht leistbar sind auch die bei den Männerteams selbstverständlichen MasseurInnen und TeamärztInnen. Da der Werbeeffekt im Frauenfußball gleich null ist, ist eine Finanzierung durch zusätzliches Sponsoring quasi unmöglich. Immerhin wurden die neuen Dressen von den Sportklubfans, den FreundInnen der Friedhofstribüne und Dornbach Networks gespendet. Oft ist der große Unterschied zwischen den Bedingungen für Männer und Frauen sogar im eigenen Verein nicht bekannt. "Dass wir unsere eigenen Fußballschuhe kaufen müssen, konnte ein männlicher Spieler gar nicht glauben! So etwas ist bei den Männern unvorstellbar", erzählt WSK-Spielerin Franziska.

Duschfantasien statt Unterstützung

Chris Peterka steckt trotz der finanziellen Not auch heute noch 30 bis 45 Wochenstunden in den Verein. Für wenig Geld, aber nicht umsonst: Drei Meistertitel und einen Cupsieg konnte das Fußballteam in den ersten vier Saisonen schon nach Hause bringen, der Aufstieg in die Frauen 2. Liga (die zweithöchste Spielklasse der Frauen wird in Österreich in zwei Regionalligen ausgetragen – Ost/Süd und Mitte/West) ist für die Kampfmannschaft in diesem Jahr in greifbarer Nähe, konnten sie doch bisher alle Meisterschaftsspiele dieser Saison für sich entscheiden. Die Frauen geben auf dem Platz alles und haben großen Spaß am Spiel, auch wenn das Interesse und die Unterstützung durch den Verein ausbleiben. Dreimal in der Woche wird trainiert, dazu kommt ein Spiel am Wochenende.

Für ein Hobbyteam wird hier viel Leistung und Engagement gefordert, dennoch profitiert die Frauensektion wenig bis gar nicht von der PR und Kontaktarbeit des Vereins, sondern kümmert sich neben den Trainings und Spielen auch selbst um ihre Außenwirkung. Die Homepage aktualisieren sie eigenständig, Spielankündigungen und Ergebnisse werden von ihnen oder dem Sektionsleiter auf sozialen Plattformen kommuniziert. Und auch wenn sie selbst den Vergleich mit dem Männerfußball ablehnen, ist doch sichtbar, dass sie trotz ihres Erfolgs und ihrer erbrachten Leistung nur wenig sichtbare und spürbare Anerkennung bekommen. Den Spielerinnen ist wichtig, hier keine Konkurrenz zwischen sich und dem Männerteam aufkommen zu lassen; vielmehr sind sie stolz darauf, Teil des Wiener Sportklubs zu sein. Sehr wohl aber wünschen sie sich eine bessere Zusammenarbeit und mehr aktives Interesse vonseiten des Vereins.

Geringe Bezahlung selbst in der Bundesliga

Ärgerlich ist aber eher die geringe Anerkennung, die sie für ihr Engagement und ihre Leistungen auch außerhalb des Vereins erhalten. "Es kommt durchaus vor, dass uns unterstellt wird, doch sicher keine Abstöße zu können oder die Regeln nicht zu kennen, ohne uns jemals spielen gesehen zu haben. Und das Interesse an Frauenfußball reduziert sich dann auf Phantasien rund um die Frauenduschen", erzählen die Spielerinnen über männliche Reaktionen auf ihr Hobby.

Fußballprofi will Franziska nicht werden. Das ist wenig attraktiv, denn selbst in der Bundesliga ist die Bezahlung gering, der Leistungsdruck aber hoch. "Das Gute daran ist, dass es im Frauenfußball aber wenigstens nicht immer ums Geld geht. Kommerzialisierung des Fußballs ist bei den Frauen keine ernsthafte Problematik", sieht Franziska das Gute im Schlechten. Was sie sich für die Zukunft des Frauenfußball wünscht? "Dass endlich dieser ewige Vergleich mit dem Männerfußball aufhört im Sinne dessen, dass unser Spiel als eigenständig gesehen wird und nicht mit Blick darauf, ob es gleich oder gleich gut ist wie das der Männer."

Mit zwei späten Toren durch die WSK-Frauen geht das Derby of Love zu Ende. Während die Spielerinnen im Hintergrund von ihren Fans umjubelt werden, sammelt Chris Peterka am Spielfeldrand Spenden ein. (Eric Deset und Pete Prison, 4.11.2015)