Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: EPA/COREY ACCARDO/NOAA/NMFS/AFSC/NMML/HANDOUT

Man sagt über den Frosch, er würde es nicht merken, wenn man den Topf mit lauwarmem Wasser, in dem er sitzt, langsam erhitzt. Irgendwann siedet das Wasser, und der Frosch ist tot. Das ist eine moderne Sage. In Wahrheit würde der Frosch erst unruhig werden, zappeln, dann immer verzweifelter um sein Leben ringen, ehe er es in der Hitzestarre verlöre.

Sind wir Menschen der Frosch, ist die Erde unser Topf? Müssen wir erst unruhig werden, oder zappeln wir schon? Nach allem, was sich messen lässt, steigen die Temperaturen mit fast jedem Jahr, und fast jeder Monat markiert einen neuen Rekord. Bis Oktober lag die Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche laut der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA um 0,86 Grad Celsius über dem Mittel des 20. Jahrhunderts. 2014, im bisherigen Rekordjahr, war es im selben Zeitraum um 0,73 Grad wärmer. Im Jahr davor? 0,64 Grad mehr.

Drastische Temperaturschwankungen gab es in der Erdgeschichte schon immer. Zwar lassen sich lange zurückliegende Erwärmungsphasen nur bedingt in kurzen Zeitabschnitten analysieren, kaum ein Fachwissenschafter widerspricht der Annahme, dass die derzeitige Umwälzung zu den schnellsten der vergangenen Jahrmillionen zählt. Dass der Mensch einen Gutteil der Verantwortung dafür trägt, wird in manchen Kreisen geleugnet. Dabei sind sich die Wissenschafter im Wesentlichen einig: Zwischen 1991 und 2011 registrierte das Institute for Scientific Information rund 4000 Aufsätze, die Aussagen über den menschlichen Einfluss auf die Erderwärmung machten. 98,4 Prozent der Autoren waren von überwiegend anthropogenen Gründen überzeugt. Nur 1,2 Prozent bezweifelten sie.

Die Skeptiker behielten vorerst die Oberhand

Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert vermuteten Klimatologen erstmals negative Auswirkungen der Industrialisierung auf die Erdatmosphäre. Während die Durchschnittstemperaturen zwischen Ende des Zweiten Weltkriegs und 1980 weitgehend stagnierten, kam es in der Folge zu einem ebenso plötzlichen wie ungeahnten Temperaturanstieg. Durch erste computergestützte Rechenmodelle und Eiskernbohrungen wiesen die Forscher nach, dass mit wachsendem Kohlendioxid- und Methanausstoß auch die Temperaturen steigen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Earth Show in Rio de Janeiro stimmte am 30. Mai 1992 auf die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung ein.
Foto: APA/EPA/AFPI AVANIR NIKO

Die umstrittene Zwei

Um die Schäden durch den Temperaturanstieg unter Kontrolle halten zu können, wurde international das Zwei-Grad-Ziel festgesetzt, es bezieht sich auf das Niveau vor Beginn der Industrialisierung. "Die zwei Grad sind die obere Grenze jenes Temperaturanstiegs, bei dem die Wissenschaft einigermaßen sicher sein kann, dass das Klima noch stabilisierbar ist", sagt die österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Zwei Grad sind auch ungefähr jene Schwankungsbreite, die die Temperaturen in den vergangenen 10.000 Jahren, im sogenannten Holozän, hatten.

"Alle Lebewesen haben sich in diesem Rahmen adaptiert", sagt Kromp-Kolb. Doch bereits dieser Temperaturanstieg wird drastische Konsequenzen haben, ergänzt sie: "Im Laufe dieses Jahrhunderts wird der Meeresspiegel mit ziemlicher Sicherheit noch um eine Größenordnung von einem Dreiviertelmeter steigen." Für kleine Inselstaaten und Küstenregionen ist das existenzbedrohend. Daher pochen viele diese Länder auf ein Herabsenken der klimapolitischen Vorgabe auf 1,5 Grad.

Quelle: NASA

Dass das Vorsorgeprinzip seine Berechtigung habe, zeigten die Erfahrungen der Klimawissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten, sagt Kromp-Kolb: "Die Schwellen, ab denen die Ökosysteme reagieren, sind niedriger als gedacht. Die Geschwindigkeit, mit der sich das Klima ändert, ist dafür höher als prognostiziert. Auch von wissenschaftlicher Seite wird der Klimawandel immer noch unterschätzt."

Ein Beispiel ist das Abschmelzen des Eises in der Arktis und in Grönland. Auch die Hitzeperioden in Europa kamen schneller als erwartet.

Als zahnlos kritisiert

Die Staatengemeinschaft versuchte, über erste völkerrechtliche Klimaverträge einer weiteren Erwärmung gegenzusteuern. 1992 verabschiedeten die Vertreter von 154 Staaten in Rio de Janeiro eine Klimarahmenkonvention, die seit 1995 bei der jährlichen UN-Klimakonferenz (COP) evaluiert wird. Im dritten Jahr fand die Konferenz im japanischen Kioto statt. Per Zusatzprotokoll verpflichteten sich die Unterzeichner zu verbindlichen Zielwerten für den Ausstoß von Treibhausgasen. Doch das Abkommen wurde von Beginn an als zahnlos kritisiert. Es berücksichtigte nur Industriestaaten, nicht aber die energiehungrigen Schwellenländer. Die USA unterzeichneten den Vertrag nie, Kanada stieg 2011 wieder aus.

Nachdem die Erwartungen bezüglich weitreichender Entscheidungen jährlich enttäuscht wurden, steigt die Hoffnung, dass es bei der am Montag in Paris startenden COP 21 zu Ergebnissen kommt. Rund 140 Staatschefs und Regierungsmitglieder werden erwartet. Die Terrorattacken vom 13. November haben jedoch Auswirkungen: Tausende Polizisten und Soldaten sollen in den zwei Wochen eingesetzt werden. Viele Demonstrationen und Veranstaltungen wurden bereits abgesagt.

Trotz der Anschläge hat sich Gastgeber Frankreich als Glücksfall erwiesen. Das Land war noch vor wenigen Jahren kein Vorreiter beim Klimaschutz, hat aber schnell aufgeholt und eine Vorbildrolle eingenommen. Für ein Ergebnis spricht zudem, dass 146 Länder bis Oktober ihre INDCs, also die national festgelegten Beiträge zum Klimaschutz, schriftlich festgelegt haben. Diese Staaten sind für derzeit 87 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Auch US-Präsident Barack Obama versprach "ein Ergebnis, auf das die Welt stolz sein kann."

Geld für Klimapolitik

Ein wesentlicher Verhandlungspunkt ist, dass der Green Climate Fund, der Klimafonds der UN, gut gefüllt wird. Nur so haben die Schwellen- und Entwicklungsländer überhaupt eine Chance, die Emissionsreduktionen vorzunehmen. Für Klimaschutzprojekte sollen bis 2020 jährlich rund 94 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Als Antwort, wie das in Zeiten der Wirtschaftskrise finanziert werden soll, zählt Kromp-Kolb betreffend Österreich folgende Punkte auf: Es gebe eine Fülle an Subventionen für klimaschädliche Wirtschaftszweige, die zum Teil bereits obsolet sind. Fossile Brennstoffe seien zu niedrig bepreist – das erschwere die Klimawende. "Eine Steuerreform 2015 zu machen, die keine Klimaschutzaspekte enthält: Das darf nicht passieren", sagt die Klimaforscherin.

Selbst wenn es zu einem internationalen Maßnahmenpaket kommt, wird es völkerrechtlich nicht verbindlich sein, es also keine Sanktionen geben. So bleiben der Klimapolitik zwei Prinzipien: Vertrauen und Hoffnung. (Michael Matzenberger, Julia Schilly, 28.11.2015)