Warum eine Podiumsdiskussion nicht gleich mit ein bisschen Feldforschung starten? Heinz Fassmann, Vizerektor für Forschung und Internationales an der Uni Wien, möchte gern wissen, wie viele der über hundert Zuhörerinnen und Zuhörer denn aus Österreich kommen. Vereinzelt gehen ein paar Hände in die Höhe. Auch bei der Frage nach EU-Nachbarn melden sich nicht viele. Denn der Großteil des Publikums kommt aus sogenannten Drittstaaten, wie die vielen Handzeichen zeigen. Später wird das auch an den Fragen an die Podiumsgäste deutlich, aber der Reihe nach.

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"Internationale Potenziale willkommen am Arbeitsmarkt" lautet das Motto des vom Karriereservice der Uni Wien – Uniport – organisierten Abends in der vollen Sky Lounge am Oskar-Morgenstern-Platz, wo sich seit zwei Jahren die Fakultäten für Mathe und Wirtschaft befinden. Die Diskussion ist zugleich Auftaktveranstaltung für ein neues Bewerbungstraining für internationale Studierende.

"In unserer Karriereberatung haben wir oft gesehen, dass sich internationale Absolventen mit den kulturellen Eigenheiten des österreichischen Arbeitsmarktes schwertun", sagt Sarah Kohlmaier, die das Seminar Anfang Dezember leiten wird. Da war zum Beispiel die Koreanerin, die beim Bewerbungsgespräch das Glas Wasser ablehnte und Blickkontakt mied. "Nicht aus Desinteresse oder Zurückhaltung, sondern aus Respekt", erzählt die Karriereberaterin. Das Bewerbungsseminar soll dem entgegenwirken, aber auch über rechtliche Regelungen Klarheit schaffen.

Migration als Chance

Die Gäste am Podium – neben Vizerektor Fassmann, Margit Kreuzhuber, Beauftragte für Migration und Integration bei der Wirtschaftskammer Österreich, dem Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration bei der Arbeiterkammer Wien, Josef Wallner und Katarina Pavlovic, Studierende der Ernährungswissenschaft – sollten einerseits darauf eingehen, warum Migration eine Chance für den österreichischen Arbeitsmarkt bietet. Andererseits galt es auch, eine Diskrepanz zu diskutieren: Obwohl nämlich ausländische Studierende an österreichischen Hochschulen einen großen Anteil ausmachen – rund ein Viertel aller Studierender –, bleiben nach Abschluss nicht sehr viele da. Zu den Verbleibsraten gibt es zwar sehr unterschiedliche Zahlen und es kommt dabei auch stark auf Herkunftsland und Studium an, aber Vizerektor Fassmann macht klar: "Es sollten viel mehr bleiben."

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Schließlich sei der Verbleib gewissermaßen auch ein "Return on Investment": Das Studium wurde von österreichischen Steuerzahlern zu einem Großteil finanziert. Kreuzhuber zitiert eine Studie, der zufolge allein schon durch die Konsumausgaben positive Effekte entstehen. Und außerdem, merkt Wallner an, kann der österreichische Arbeitsmarkt von mehr Diversität nur profitieren. Man denke an die Kontakte, die dann in die Herkunftsländer geknüpft werden könnten, die sprachlichen Benefits und vieles mehr.

Warum viele Österreich verlassen

Warum dennoch viele internationale Absolventen Österreich den Rücken kehren – mit dem Abschlusszeugnis im Gepäck –, will Moderatorin Lara Hagen (DER STANDARD) wissen. Die Antwort bekommt das Podium aus den zahlreichen Publikumsmeldungen und -Fragen. Viele Studierende und Absolventen berichten dabei von ihren Erlebnissen mit den Behörden, von für sie nicht nachvollziehbaren Regeln und Entscheidungen. Weniger die eingangs erwähnten kulturellen Eigenheiten, als vielmehr die rechtlichen Einschränkungen machen vielen im Saal den Einstieg in den Arbeitsmarkt schwer, erhält man den Eindruck.

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Vor allem bei der Rot-Weiß-Rot-Karte gebe es viel Aufholbedarf, sind sich Fassmann, Kreuzhuber und Wallner sicher. Sie sprechen etwa an, dass nur Absolventen eines in Österreich absolvierten Master- oder Diplomstudiums mit einem Job und entsprechendem Gehalt die Karte beantragen können, nicht aber Absolventen eines Doktoratsstudiums. Die sechsmonatige Frist, die man Drittstaatsangehörigen mit Abschluss für die Jobsuche Zeit gibt, sei außerdem zu kurz. Einerseits weil man wisse, dass es auch bei heimischen Absolventen einige Monate dauere, bis sie den ersten Vertrag unterschreiben, sagt Fassmann, andererseits, weil die Beantragung der Karte für Unternehmen zeitaufwendig sei und viele Nerven koste, sagt Kreuzhuber.

Verbesserungen absehbar

Dass der Eindruck entstehe, dass man "diese Leute eigentlich gar nicht am Arbeitsmarkt haben will und sie über die Bürokratie vertreibt", wie jemand im Publikum anmerkt, wollen die Experten nicht gelten lassen. "Außerdem glaube ich wirklich, dass sich in Zukunft einiges verbessern wird", sagt Wallner.

Auch sie habe schon mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt, sagt Pavlovic, die in Österreich geboren wurde, aber die mazedonische Staatsbürgerschaft besitzt. Sie wird im Dezember am Bewerbungstraining teilnehmen und erhofft sich nützliche Tipps. "Ich habe großen Respekt vor allen, die in jungen Jahren hierhergekommen sind. Das hätte ich mich nicht getraut. Ihr seid hier, weil ihr etwas gut machen – und nicht andere verdrängen wollt. Ich glaube, hier sollte ein Umdenken stattfinden." (red, 17.11.2015)