Bild nicht mehr verfügbar.

Etwas für andere tun macht glücklich und stolz. Im Bild: freiwillige Helfer am Wiener Westbahnhof im September.

Foto: APA/Schlager

Bild nicht mehr verfügbar.

"Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt." Große Worte von US-Präsident John F. Kennedy in seiner Rede zur Amtseinführung 1961 am Capitol Hill in Washington.

Foto: ap

Die meisten von uns, die sich für eine Tätigkeit im Gesundheitswesen entscheiden, wählen diesen Beruf aus dem Bedürfnis heraus, anderen Menschen zu helfen. Menschen sind soziale, gesellige Wesen. Unser Wohlergehen, um nicht zu sagen Überleben, hängt von unserer Fähigkeit ab, Gemeinschaften zu bilden – Gruppen mit gemeinsamen Wertvorstellungen und Überzeugungen. Das können Länder sein, aber auch Unternehmen oder eben Ärzte und Pflegepersonen im Gesundheitswesen.

Wenn wir von Menschen umgeben sind, mit denen wir unsere Überzeugungen teilen können, geschieht etwas Bemerkenswertes: Es entsteht Vertrauen. Doch Vertrauen funktioniert nicht wie eine Checkliste. Sie können kein Vertrauen gewinnen, indem Sie bloß alles tun, von dem Sie gesagt haben, dass Sie es tun werden – auch wenn Sie das immerhin zuverlässig macht. Es gehört mehr dazu. Es ist etwas, das entsteht, wenn wir mit Menschen zusammen sind, die an das glauben, woran wir glauben. Dann gehen wir auch eher Risiken ein. Unter Menschen, denen wir vertrauen, sind wir eher bereit, auch einmal Neuland zu betreten – auch wenn es vielleicht mit Scheitern verbunden ist. Aber dann haben wir die Hoffnung, im Falle des Scheiterns aufgefangen zu werden.

Eine Symbiose aus Stärken

Klar ist: Wir können nicht in allem gut sein, und wir sind meist auch nicht so gut, wenn wir auf uns allein gestellt sind. Das hat einen einfachen Grund: Wir alle haben besondere Stärken und Schwächen. Unser Fokus sollte jedoch nicht sein, unsere Schwächen zu bekämpfen. Vielmehr sollten wir uns auf die Stärken konzentrieren, diese erweitern und uns mit Menschen zusammentun, die das gut können, worin wir nicht so gut sind. Soll diese Symbiose langfristig funktionieren, basiert sie nicht nur auf Kompetenzen und Erfahrungen, sondern größtenteils auch wiederum auf gemeinsamen Werten und Überzeugungen.

Gemeinsame Wertvorstellungen schaffen Vertrauen

Würden Sie als Österreicher zu Hause einem x-beliebigen Menschen, den Sie zufällig auf der Straße treffen, vertrauen, wenn er Ihnen ein Restaurant empfiehlt? Eher nicht. Nun nehmen wir an, Sie übersiedeln nach New York und begegnen dort zufällig einem Landsmann auf der Straße – Sie fassen sofort Vertrauen, fast so, als wären Sie seit langer Zeit befreundet. Wahrscheinlich werden Sie auch seiner Restaurantempfehlung folgen. Warum ist das so? Sie befinden sich in einer ungewohnten Umgebung, in der Sie sich vielleicht nicht ganz wohlfühlen, und halten daher instinktiv Ausschau nach Leuten, mit deren Wertvorstellungen Sie sich identifizieren können.

Genauso möchten wir im Berufsleben mit Menschen zusammenarbeiten, die uns verstehen, unsere Überzeugungen teilen und ein ähnliches Weltbild haben wie wir. Das soll nicht heißen, dass wir immer gleicher Meinung sein müssen. Differenzen sind von Vorteil – sie lassen Vielfalt zu. Das wirkt sich wiederum positiv auf Problemlösungen aus: Wir können das Problem aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven betrachten und uns somit mehrere Lösungsansätze einfallen lassen.

Wenn "die Chemie stimmt"

Woher kommt eigentlich dieses tiefsitzende Gefühl, das uns dazu motiviert, uns gegenseitig zu unterstützen? Es ist der menschliche Urinstinkt, der uns sagt, dass sich unsere Lebensqualität erhöht, wenn wir uns mit Menschen mit gleichen Grundwerten zusammenschließen. Ein Beispiel: Wenn ich Ihnen die Aufgabe stellte, auf der Wiener Kärntner Straße Leute mit gleichen Wertvorstellungen und Überzeugungen zu finden wie Sie, wüssten Sie sicher genau, was zu tun wäre. Ein kurzes Gespräch, und "die Chemie stimmt", wie es so schön heißt, oder eben nicht. Manchmal geht es sehr schnell, manchmal dauert es etwas länger. Einigen Leuten fällt es leichter, anderen schwerer – aber jeder von uns hat diese angeborene Fähigkeit. Sie nennt sich auch "Freundschaften schließen", "sich verabreden" oder "Networking". Das Problem dabei ist, dass sie objektiv nicht skalierbar ist. Sie allein sind in der Lage, dieses Bauchgefühl wahrzunehmen und zu perfektionieren.

Authentizität ist wichtig

Jede auch noch so einfache Entscheidung, die wir in unserem Leben treffen, ist Kommunikation. Damit teilen wir anderen Menschen etwas darüber mit, wer wir sind und wofür wir stehen. Authentizität spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist essenziell, jene Dinge zu sagen und zu tun, von denen man auch tatsächlich überzeugt ist. Denn sie wirken wie Signale und sagen sehr viel über einen selber und die eigenen Wertvorstellungen aus.

Je nachdem, welche Signale wir aussenden, werden sich bestimmte Leute davon angezogen fühlen. Auch wenn sie nicht ernst gemeint oder sogar opportunistisch motiviert sind – was allerdings nicht ausreicht, um Vertrauen zu schaffen. Sehr gut spiegelt sich das in Reaktionen auf das Verhalten so mancher Politiker wider, die uns Dinge sagen, von denen sie denken, dass wir sie hören wollen. Sobald wir herausfinden, dass es Unwahrheiten sind, verlieren wir unser Vertrauen in sie ziemlich schnell.

Selbsthilfe? Lieber dem Nächsten helfen

Ich bin kein Fan der Selbsthilfe-Industrie à la "Wie werde ich glücklich", "Fünf Schritte zum Millionär" oder "Sieben Schritte zu Ihrer Traumkarriere". Hier geht es nur um "mich, mich, mich" statt darum, meinem Nächsten zu helfen. Die Titel sollten lauten "So helfen Sie in fünf Schritten Ihrem Nachbarn, mit dem Rauchen aufzuhören" oder "Sieben Schritte, um Ihrem Nachbarn zu helfen, seinen Traumjob zu finden". Wir sind in der Tat am glücklichsten und stolzesten, wenn wir etwas für jemand anderen tun.

Diese oft sehr vernachlässigte Einstellung ist ein Hauptgrund dafür, dass so viele Menschen in ihrer Arbeit keine Erfüllung finden. Es liegt nicht nur am Job oder am Gehalt und auch nicht nur am Gewinn. Es liegt daran, dass wir uns gegenseitig kaum mehr helfen. Wir sitzen in unseren Büros und arbeiten. Wir wenden uns meist nur dann an andere, wenn wir etwas von ihnen brauchen. Wir unternehmen ungern Bemühungen, um einfach nur jemandem zu helfen. Es fehlt uns an Großmut! An der Großzügigkeit, etwas für andere zu tun, ohne eine Gegenleistung zu erwarten – nicht zum gegebenen Zeitpunkt und auch in Zukunft nicht.

Wie die Flüchtlingshilfe in Österreich

Ein bemerkenswertes Beispiel dafür, was entstehen kann, wenn Menschen sich mitunter bedingungslos für andere einsetzen, ist das große Engagement der freiwilligen Helfer in der Flüchtlingssituation in Österreich. Mittlerweile gibt es sogar Plattformen, die Hilfe zur Hilfe für Privatpersonen beziehungsweise Unternehmen anbieten, die mit Sach- oder Geldspenden Flüchtlingen helfen oder auch ihre Freizeit zur Verfügung stellen möchten. Auch verschiedene Ärztegruppen, wie wir Urologen, haben sich über soziale Netzwerke zusammengetan, um ehrenamtlich helfen zu können.

Nicht nur für Menschen, die bedingt durch größte Not alles hinter sich gelassen haben, bedeutet diese Großzügigkeit sehr viel. Auch die Helfer erfahren durch das Gefühl, etwas Sinnvolles und Nachhaltiges für jemand anderen getan zu haben, Zufriedenheit und vielleicht sogar persönliche Erfüllung.

Ihre Erfahrungen?

Für ein glückliches Leben geht die Gleichung "Warum sollte ich etwas für sie/ihn tun – sie/er hat nie etwas für mich getan" nicht auf. Denn anderen Menschen zu helfen macht glücklich. Mutter Natur hat uns mit ebendiesem Glücksgefühl ausgestattet, das unser Wohlergehen steigert und sogar unser Überleben sichern kann.

Was tun Sie, um Ihrem Nächsten zu helfen? Würden Sie nicht gerne in der Früh aufstehen und zur Arbeit gehen mit der Intention, etwas Gutes für jemand anderen zu tun? Posten Sie Ihre Gedanken und Kommentare im Forum. (Shahrokh F. Shariat, 19.11.2015)