Das ist sie also: die "Bildungsreform", mit der SPÖ und ÖVP, mittlerweile in inniger Abneigung aneinandergekettet, ihre Existenzberechtigung untermauern wollten. Nach dem Angela-Merkel-Motto: Wir schaffen das! Irgendwas.

Und was? Herausgekommen ist ein Machwerk des Mach(t)baren, das letztlich ein Abbild der österreichischen Realpolitik ist. Da gibt es neben durchaus sinnvollen, ausbaubaren Ideen vor allem viele halbgare und halbierte "Lösungen". Hier kriegt die SPÖ etwas, da die ÖVP. Vor allem aber zeigt sich auch bei dieser Reform wieder, dass gegen die Länder in diesem Land nichts geht. Es war ja kein Zufall, dass die Verwaltung der Lehrerinnen und Lehrer jenes Thema war, in das die meiste Energie verschwendet wurde.

Quasi das finstere Herz der Reform ist die machtpolitische Austarierung des Bildungssystems, bei der die Bundeskompetenz zwar etwas gestärkt wird, der Einfluss der Bundesländer aber zementiert bleibt. Die Landeshauptleute haben sich nicht aus dem System vertreiben lassen.

Sie nominieren auch künftig ihre Gewährsleute, dann eben für die neuen Bildungsdirektionen. Formal dem Bund unterstellt und auf jeweils fünf Jahre – ein Schelm, wer da an den zeitlichen Parallelslalom mit der in den meisten Ländern fünfjährigen Legislaturperiode denkt. Das nennt man halbierte Macht. Die Frage ist nur, warum hier Ländermacht? Okay, rhetorische Frage. Weil sie sie wollen.

Da drängt sich ein Zitat des englischen Staatsmanns Oliver Cromwell auf: "Wenn ich König wäre, würde ich alle Reformen auf morgen verschieben." Österreich ist eine Republik, aber die Macht geht von neun Königen aus. Österreich, Neunkönigreich.

Und wo bleibt die Bildung in der Reform? Nun, die vielbeschworene Autonomie ist nicht wirklich weiträumig geplant. Direktorinnen und Direktoren dürfen selbst neues Personal auswählen – aber nur "im Einvernehmen mit der Schulbehörde". Ihre stärkste Freiheit wird sein, dass sie ein Veto gegen aus ihrer Sicht unmögliche neue Lehrerinnen und Lehrer einlegen dürfen. Dass Volksschullehrerinnen und -lehrer die Erlaubnis für eine Abweichung vom Lehrplan um bis zu fünf Prozent als großen Autonomiegewinn sehen, ist zu bezweifeln. Und nicht zu unterschätzen ist im Zusammenhang mit dem Autonomiepaket auch eine Art Sollbruchstelle: Das derzeitige Lehrerdienstrecht setzt zu viel Autonomiestreben ohnehin relativ enge Grenzen.

Ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr "mit Opt-out-Möglichkeit" ist eigentlich eine Farce. Was jetzt? Ja oder nein? Oder haben sich die politisch Verantwortlichen einfach nicht getraut, eine Entscheidung zu treffen? Neu ist auch der "Bildungskompass" mit "Potenzialanalyse" für alle Dreieinhalbjährigen. Kindesoptimierung kann nicht früh genug anfangen? Wer gibt die Route für welches Kind vor?

Klassisches Beispiel für rot-schwarze Basarmethoden sind die Modellregionen für eine gemeinsame Schule. Ja, die dürfen sein, aber nein, kein ganzes Bundesland – obwohl das rote Wien und das schwarze Vorarlberg das wollten. Und quantitativ mit 15 Prozent der Schüler beziehungsweise Schulen begrenzt. Eine Gesamtschule für eine 15-Prozent-Gesamtheit? Nun ja.

Man sieht also: Alle – die Regierungsparteien und die Länder – haben irgendein Leckerli gekriegt, damit wieder Ruhe im Laden ist. So also geht "Bildungsreform" auf Österreichisch. So reformiert man Österreich. Nicht. (Lisa Nimmervoll, 17.11.2015)