Pflichtschulabschluss, Beginn der Lehre mit 15 Jahren. Das ist der "klassische" Weg. Aber es kann auch anders gehen: Für jene, die in höherem Alter nochmals beruflich umsatteln wollen, ist die Lehre ebenfalls eine Option.

Wie viele es sind, die nach Jahren im selben Job mit einer Lehre noch einmal komplett neu durchstarten, ist nicht bekannt. Zumal es ganz unterschiedliche Wege gibt, zu einem Lehrabschluss zu kommen. Einmal über ein klassisches Lehrverhältnis: Die Schulpflicht abgeschlossen, kann sich in Österreich jeder um ein solches bewerben. Dann wird ein Lehrvertrag auf drei Jahre abgeschlossen, die Lehrlingsentschädigung wird grundsätzlich nach dem jeweiligen Kollektivvertrag ausbezahlt.

Betriebe, die ältere Lehrlinge aufnehmen, erhalten von der Wirtschaftskammer (WKO) eine Förderung: für das erste Lehrjahr drei Entgelte, für das zweite Lehrjahr zwei und für das dritte ein Lehrentgelt. Auch das Arbeitsmarktservice (AMS) vergibt Förderungen.

Derzeit befinden sich laut Angaben der WKO österreichweit 29.740 Personen über 20 Jahren in einem solchen Lehrverhältnis, 346 über 30 Jahren. 46 der Lehrlinge mit Lehrvertrag sind über 40 Jahre und vier über 50 Jahre alt.

Direkt zur Prüfung antreten

Die zweite Möglichkeit für Spätberufene, zu einem Lehrabschluss zu kommen, ist eine außerordentliche Lehrabschlussprüfung. Voraussetzungen für den Antritt sind ein Alter von mindestens 18 Jahren und einschlägige Ausbildung oder Berufserfahrung in der Branche.

"Wer beispielsweise im Alter von 18 oder 19 Jahren im Gastgewerbe als Koch gearbeitet hat, aber nie einen Abschluss gemacht hat, kann ihn auf diese Weise nachholen", sagt Edith Kugi-Mazza, Lehrlingsexpertin bei der Arbeiterkammer (AK).

Laut WKO fanden im Jahr 2014 insgesamt 8.099 solcher außerordentlichen Lehrabschlussprüfungen statt, von insgesamt 47.459 Lehrabschlussprüfungen. Das Alter der Teilnehmer ist in der Statistik nicht erfasst – "da die Voraussetzung für das Antreten aber die Volljährigkeit ist, kann man davon ausgehen, dass die Absolventen auch mindestens so alt sind", sagt Kugi-Mazza.

Für jene, die in fortgeschrittenem Alter noch eine Lehre abschließen wollen, gibt es Möglichkeiten: Sie können einen Lehrvertrag eingehen oder außerordentlich zur Prüfung antreten.
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Kenntnisse nachholen

Spezielle Programme nehmen Erwachsene, die höchstens eine Pflichtschule abgeschlossen haben, in den Fokus. Sie sollen so einen Lehrabschluss nachholen können.

Eingerichtet von Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Volkshochschule und den Ländern will etwa die Initiative "Du kannst was!" jenen oberösterreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne formalen Berufsabschluss zu einem solchen verhelfen. Seit dem Neustart des Programms im Herbst 2011 haben 950 Personen daran teilgenommen und 380 Personen die Lehrabschlussprüfung bestanden.

Auch Salzburg und das Burgenland bieten das Programm mittlerweile an. 62 beziehungsweise 50 Personen haben es dort nach Angaben der AK und der Volkshochschulen bisher mit einer positiv absolvierten Lehrabschlussprüfung durchlaufen.

Das Wiener Pendant ist das Anerkennungssystem "Meine Chance – Ich kann das!". Die Besonderheit: Formell oder informell erworbene Kenntnisse werden von Wiener Berufsschulen getestet, eingeschätzt – und als Theorieteil für die Lehrabschlussprüfung angerechnet.

Das Projekt, gestartet im Mai, ist bisher für die Berufe Koch beziehungsweise Köchin, Restaurantfachkraft und Bürokaufmann beziehungsweise Bürokauffrau offen. Insgesamt sind bisher 40 Teilnehmer darüber zu einem Lehrabschluss gekommen.

Facharbeiterintensivausbildung

Wem praktische Vorkenntnisse fehlen, der kann sie in speziellen Kursen nachholen, wie sie beispielsweise das AMS als "Facharbeiterintensivausbildung" anbietet; die Ausbildung ist hier auf sechs Monate komprimiert.

Friseur Günter Höfenstock (51) absolviert derzeit die Lehre zum Maurer.
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Vom Frisör zum Maurer

Günter Höfenstock reißt Öfen nieder und baut sie neu auf. Er entfernt Ziegel mit dem Presslufthammer, fertigt Steinmauern, Schalungen und spritzt Beton. Der 51-Jährige ist Lehrling beim oberösterreichischen Feuerfestbau-Unternehmen Gussenbauer.

Über 20 Jahre lang war der gelernte Friseur zuvor Chef eines Friseursalons in Wien, bevor er vor drei Jahren entschied: "Dieser Nine-to-five-Job ist mir nicht mehr abwechslungsreich genug" – und nach Alternativen suchte.

Eine verwandte Branche kam für Höfenstock nicht infrage: "Ich wusste, dass es etwas komplett anderes sein muss." Zunächst als Helfer begann der gebürtige Wiener daher bei Gussenbauer zu arbeiten, fand heraus, dass ihm "das Technische taugt", und bat seinen Chef kurzerhand um die Möglichkeit, eine Lehre zu beginnen – die dieser ihm auch einräumte.

Mittlerweile ist Höfenstock, der beruflich in ganz Österreich unterwegs ist, im dritten Lehrjahr. Die ersten zwei hat er mit Auszeichnung abgeschlossen.

Traumjob

Seinen neuen Job findet Höfenstock "super". Faszinieren würde ihn vor allem, dass er es mit vielen unterschiedlichen Öfen zu tun habe.

Die größte Herausforderung: die Präzision, die vor allem bei der Befestigung von Drehrohren gefragt sei. "Da muss millimetergenau gearbeitet werden." Eine Challenge sei auch der körperliche Einsatz bei der Arbeit. "Der Job ist ganz schön anstrengend." Der Presslufthammer wiege schwer, Acht- bis Zwölfstundenschichten seien der Normalfall. Manchmal arbeitet Höfenstock auch in der Nacht. "Ich mag das, da kann ich mich so richtig austoben", sagt der 51-Jährige, der sich "noch nie so jung gefühlt" habe wie zurzeit.

Dass seine Entscheidung für diesen zweiten Bildungsweg die richtige gewesen ist, davon ist Höfenstock also nach wie vor überzeugt: "Wenn die Öfen fix und fertig sind, sind sie wunderschön. Viel schöner als jede Frisur."

Maria Thallinger (52) ist Köchin aus Leidenschaft und nun auch von Beruf.
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Köchin als Plan B

Maria Thallinger hat das Know-how im Bereich Gastronomie quasi in die Wiege gelegt bekommen: Ihre Eltern führen ein Gasthaus in Gmunden, Oberösterreich. Trotzdem entschied sich die heute 52-Jährige nach der Pflichtschule für eine Lehre als Bürokauffrau.

Nach einigen Jahren im Job und einer anschließenden 23-jährigen Auszeit, in der sich Thallinger um ihre drei Kinder kümmerte, fiel es ihr schwer, erneut Fuß zu fassen. Sie begann also in einem Altenheim in der Küche zu arbeiten – "weil ich aber keine Ausbildung als Köchin vorzuweisen hatte, durfte ich dort nur abwaschen und putzen". Thallinger kündigte – um den Lehrabschluss nachzuholen.

Ihre Küchen-Erfahrung konnte sich Thallinger für die Prüfung anrechnen lassen, zu absolvieren hatte sie aber einen mehrmonatigen Kurs mit geblockten Theorie- und Praxiseinheiten. "Dort haben wir alles gelernt, was Lehrlinge normalerweise auch lernen, nur eben in sieben Monaten."

Größte Leidenschaft

Die abschließende Prüfung meisterte Thallinger mit gutem Erfolg. "Ich war stolz, weil ich mir selbst bewiesen habe, dass ich noch lernen und die Prüfungsangst überwinden kann."

Trotz bestandener Prüfung plant die 52-Jährige derzeit jedoch keinen Wechsel in die Branche. Der Lehrabschluss: "eher ein Plan B".

Doch auch für ihren jetzigen 15-Stunden-Job in einer Drogerie könne sie die in der Lehre erworbenen Kenntnisse gut brauchen. "Weil wir einige interessante Lebensmittel im Sortiment haben, deren Zubereitung kompliziert ist – da freuen sich die Kundinnen und Kunden über Tipps."

Das Kochen beschreibt Thallinger als ihre "größte Leidenschaft". Ihr besonderes Interesse gilt der Herkunft von Produkten, auf Regionalität und Saisonalität legt sie Wert. Neben ihrem 15-Stunden-Job gibt die Oberösterreicherin auch Kochkurse – wofür sie sich zusätzlich ausbilden ließ – und arbeitet an den Wochenenden im elterlichen Betrieb. (Lisa Breit, 24.11.2015)