Würde man die Angelegenheit zynisch betrachten, könnte man glatt meinen: Es geht doch, Europa kann ja zusammenarbeiten. Sorgsam wie beim Domino Day beschränken die Länder auf der Westbalkanroute der Reihe nach die Einreise von Flüchtlingen. Unisono wird zudem verkündet, dass es ja gar nicht darum gehe, den Flüchtlingsbewegungen mit Zäunen – oder wie man die länglichen metallenen Gebilde auch nennen will – und zusätzlichen Sicherheitskräften komplett Einhalt zu gebieten, sondern nur darum, die Ankünfte besser zu steuern.

Und wenn man schon dabei ist, so der neue Ansatz in Südosteuropa, kann man die Flüchtlinge ja auch gleich an der Grenze in gute und schlechte sortieren, als wären es Linsen, die sich Aschenputtel vornehmen muss. Da gibt es allerdings ein nicht unwesentliches Problem: Das geht so nicht. Ohne geregeltes Asylverfahren, und genau deshalb gibt es dieses Prozedere, kann nicht eindeutig festgestellt werden, wer schutzbedürftig ist und wer nicht. Nicht jeder Afrikaner, der aus einem offiziell sicheren Land kommt, ist automatisch ein Wirtschaftsmigrant – auch er kann in seiner Heimat um sein Leben bangen. Umgekehrt ist nicht unbedingt jeder Afghane ein potenzielles Opfer der Taliban.

Und schließlich: Wie verfährt man mit jenen Ankommenden, die gar keine Dokumente oder sogar gefälschte Pässe bei sich führen? Das Leben ist kein Märchen, hier gibt es mehr Farben als Schwarz und Weiß. (Kim Son Hoang, 19.11.2015)