Der Güterbahnhof soll zu einem neuen Stadtviertel werden.

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Wien – Noch fahren Güterzüge über die Gleise des Wiener Nordwestbahnhofs. 2017 aber, wenn der Güterterminal Inzersdorf in Betrieb geht, will die ÖBB aus der Brigittenau ausziehen. Dann, so der Plan der Stadtentwickler, soll bis 2025 auf dem 44 Hektar großen Areal zwischen Dresdner Straße und Nordwestbahnstraße ein neues Stadtviertel für mehrere tausend Menschen entstehen.

Dieser Zeitplan wird von einer Bürgerinitiative nun aber infrage gestellt. Denn: Bereits 2006 wurde ein Bürgerbeteiligungsprozess, später ein städtebaulicher Wettbewerb gestartet. Das Ergebnis war ein 2008 präsentiertes ausführliches Leitbild zum Konzept des künftigen Wohnviertels.

Petition für Planungsprozess

In dem Papier ist unter anderem eine etappenweise Bebauung angedacht, deren erste Phase schon 2014, also vor Auszug der ÖBB, hätte abgeschlossen sein sollen. Dass das nicht passiert ist, kritisiert Hannes Zbiral, der sich bei der Bürgerinitiative sowie bei den Neos im 20. Bezirk engagiert. Per Petition soll die Stadtregierung nun aufgefordert werden, den Planungsprozess zum Nordwestbahnhof wieder aufzurollen.

Für Brigittenaus Bezirksvorsteher Hannes Derfler (SPÖ) ist diese Kritik nicht nachvollziehbar: "Ich empfinde nicht, dass irgendwer irgendwas verschleppt hätte." Es sei schon 2008 klar gewesen, dass der Bau erst beginnen kann, wenn der Güterbahnhof auszieht. Bei der zuständigen Stadtbaudirektion argumentiert man ähnlich zur "vermeintlichen Zeitverzögerung": 2008 sei man von einer rascheren Realisierung des Terminals in Inzersdorf ausgegangen.

Leitbild wird erneuert

Man gehe aktuell davon aus, dass das Stadtviertel wie geplant bis 2025 entwickelt sein werde. "Wir schnarchen nicht", sagte ein Sprecher zum STANDARD. Die nächsten Schritte seien die Umweltverträglichkeitsprüfung, Gespräche zur Rahmenvereinbarung mit der ÖBB sowie die Umwidmung der Flächen. Das Leitbild werde gemeinsam mit der ÖBB bis zum Frühjahr 2016 aktualisiert.

Wie die überarbeitete Version angenommen wird, bleibt abzuwarten. Denn neben dem Zeitplan wird schon jetzt das Querungskonzept kritisiert. Die rund zehn Hektar große Grünfläche, die in der Mitte des Areals entstehen soll, werde den Bezirk weiterhin in zwei Hälften teilen – so, wie das jetzt schon wegen des Bahnhofs der Fall ist, meint Zbiral von der Bürgerinitiative.

Uneinigkeit um Querungen

Das sei eine "sehr autozentrierte Sicht", entgegnet Christoph Chorherr, Planungssprecher der Grünen in Wien. Kfz müssten zwar um die geplante "Grüne Mitte" herumfahren, nicht aber Fußgänger und Radfahrer. "Das ist, als würde man die Mahü als Barriere bezeichnen", so Chorherr.

Laut Bezirksvorsteher Derfler gibt es unter den betroffenen Anrainern solche, die keine, sowie solche, die eine oder mehrere Querungsmöglichkeiten für den Individualverkehr fordern.

Überangebot an Büros

Bei der Bürgerinitiative wird außerdem befürchtet, dass zu viele Büros eingeplant wurden, obwohl es bereits ein Überangebot in Wien gebe. Laut Leitbild sind 66 Prozent der Bruttogeschoßfläche für das Wohnen, der Rest für Büro und Gewerbe vorgesehen.

Stefan Gara, Gemeinderat und Sprecher für Stadtentwicklung der Neos Wien, plädiert deshalb für Gebäude mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten. Die Trennung von Wohn- und Bürobauten sei nicht mehr zeitgemäß. (Christa Minkin, 20.11.2015)