STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid zu den brennendsten Fragen von Lehrlingen, Unternehmen, dem Standort: Sozialminister Rudolf Hundstorfer, selbst gelernter Bürokaufmann, antwortet konkret.

Foto: Regine Hendrich

"Bitte machen Sie etwas für das Image – wir sind nicht die Dummen." Die Lehrlingsredaktion der Wiener Stadtwerke, in der Medienkompetenz geübt wird, bringt es auf den Punkt. Die Chefin, Lehrlingsbeauftragte Gabriele Aurednicek, nickt wohlwollend. "Die Politik tut für uns nichts. Im Wahlkampf kommen wir auch nicht vor."

Der angesprochene Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hört es am Mittwoch beim Lehrlingsforum des Business Circle bedrückt. Widerspricht nicht, versucht es aber mit ein paar Argumenten: Mittlerweile gebe es fast flächendeckend Lehrlingstage, vom westlichen Österreich mit hohem Lehrlingsimage gehe es allerdings Richtung Osten stetig bergab. Jener Stellenwert, den die Lehre verdiene, werde ihr nicht zugemessen, konzediert Hundstorfer: "Ja, das Image ist und bleibt das Thema."

Erneut Zustimmung des Ressortchefs zu Reputationsproblemen mit den Polytechnischen Schulen im Osten. Wenn man da rauskomme, brauche man sich gar nicht erst irgendwo bewerben, sagen die Jungen.

Drei Bürokaufleute der Wiener Stadtwerke haben zwei Tage lang Vorträge, Diskussionen und Workshops zu ihrem Thema mitverfolgt, dokumentiert und einen Film daraus gemacht. Was über sie geredet wurde, kam teilweise nicht gut an – etwa wenn pauschal die Minderqualifikation in schulischen Basiskompetenzen von Bewerbern erörtert wurde, aber dann doch: "Interessant, was sich die Erwachsenen über uns für Gedanken machen."

Standortfragen

Dass sich hinter diesem jugendlichen Spiegel und den persönlichen Erfahrungen von Lehrlingen ein Standortproblem manifestiert hat, besprachen Alexandra Föderl-Schmid (Co-Herausgeberin und Chefredakteurin des STANDARD) und Hundstorfer anhand der Zahlentrends schwindender Lehrstellen und schwindender Lehrlinge bei gleichzeitig jährlich rund 5.000 Jugendlichen um die 15 Jahre, die nach Absolvierung der Schulpflicht gar nichts weiter machen, dann später irgendwo wieder auftauchen und sich kaum je in eine Berufsbiografie einfädeln können. Hundstorfer kündigt erneut Beschlüsse zur Ausbildungspflicht (inklusive Verwaltungsstrafe) bis 18 Jahre ab 2016/17 an.

Neues Thema: die sogenannte Lehrlingsentschädigung. Diese Entgelte seien zu gering. Auch, weil Lehrlinge immer älter würden und immer mehr Schulabbrecher (HTL, AHS, BHS) den Lehrlingsweg beschreiten wollen. Ja, sagt Hundstorfer auch dazu, das verstehe er und weise es nicht zurück: "Besonders im dienstleistungsnahen Bereich ist diese Situation stark verbesserungswürdig." Föderl-Schmid ringt ihm die Zusage ab, sich in die jeweiligen Sozialpartnerverhandlungen (Lehrlingsentgelte orientieren sich meistens an den Branchen-Kollektivverträgen) einzumischen.

Und die Integration der vielerorts als Konkurrenz empfundenen jungen Flüchtlinge in den Lehrstellenmarkt?

Flüchtlinge "Go West"

"Go West" sei das Projekt, sagt Hundstorfer: In den westlichen Bundesländern sind überwiegend im Tourismus und in der Gastronomie 3.780 Stellen unbesetzt, es besteht sogenannter Lehrstellen-Überhang. Zehn Millionen Euro stehen bereit, um gemeinsam mit Wirtschaftskammer, Hoteliervereinigung und Industriellenvereinigung Flüchtlinge dorthin in die Lehre zu routen.

Dass das Thema gerade in Wien nicht friktionsfrei ist, berichten Lehrlingsbeauftragte, die Flüchtlinge aufgenommen und autochthone Österreicher aufgrund mangelnder Qualifikation abgewiesen haben: Der Aufschrei der Abgewiesenen und ihrer Eltern sei sehr laut gewesen. Wobei, zurück zum Qualifikationsthema: Konzerne haben mittlerweile eigene Programme oder ganze Akademien, um sinnerfassendes Lesen, mathematisches Grundverständnis und persönliche Kompetenzen zu stärken. Dabei geht es immer auch um Selbstwert, der oft großer Stärkung bedürfe, sagen Ausbildner.

Was geht bei der Frage nach Arbeitserlaubnis für jene weiter, die einen Asylantrag gestellt haben, fragt die STANDARD-Chefredakteurin. Hundstorfer verweist auf den anstehenden Gipfel der EU-Sozialminister am 7. Dezember und das Bemühen um gemeinsames Vorgehen. Aber: "Lehre für Asylwerber und -berechtigte geht immer."

Da könnten Firmen selbst schnell etwas tun – so haben etwa Rewe und Dimension Data bereits Lehrplätze für einige Dutzend Flüchtlinge geschaffen. Könnten sie einfach, schwebte über allem nicht das Sprachproblem. Perfektes Englisch eines jungen Syrers reicht im Tourismus in Tirol nicht – und Deutschkurse sind das anwachsende Ressourcenproblem, das stark auf Freiwilligenarbeit ausgelagert wird. Der Bedarf steigt, die Kapazität fehlt dort von Tag zu Tag mehr. (Karin Bauer, 25.11.2015)