Der Spätsommer brachte mit den vielen neu ankommenden Flüchtlingen auch eine stärkere soziale Verantwortung in vielen Unternehmen: Gleich mehrere Firmen – vom Großkonzern bis KMUs – entschieden sich dafür, zusätzliche Lehrstellen zu schaffen oder bestehende Stellen bevorzugt mit geflüchteten Jugendlichen zu besetzen. Auch aus der Politik war das Commitment in diese Richtung hoch – jugendliche Asylwerber bis 25 Jahre sollen es künftig einfacher haben, eine Lehrstelle zu finden, hieß es aus dem Sozialministerium. Allerdings: Nur wenn das AMS keinen inländischen oder integrierten ausländischen Jugendlichen vermitteln kann, dürfen Asylwerber bis 25 eine Lehrstelle antreten. Seit September nicht mehr nur in Landwirtschaft und Tourismus, sondern auch in sogenannten "Mangelberufen". De facto gab es aber auch vorher schon einen flexibleren Umgang.

Nur PR?

Betreuer und Sozialarbeiter kritisieren, dass nichts vorangeht und die jungen Flüchtlinge weiterhin nur schwer eine Lehrstelle finden. Dass einige Unternehmen nun ein paar zusätzliche Stellen schaffen, wird in diesen Kreisen großteils als PR-Aktion kritisiert. Beim großen Rest der Unternehmen hätten "seine" Flüchtlinge keine Chance, sagt zum Beispiel Wilhelm Raber, der das Laura-Gatner-Haus der Diakonie leitet. Hier wohnen 46 junge Flüchtlinge, eine Lehrstelle bekommen haben nur zwei von ihnen.

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Für die Vermittlung sind Kontakte ausschlaggebend. Der Wiener Verein Lobby.16 tut nichts anderes, als jugendliche Flüchtlinge – nur jene mit subsidiärem Schutz oder positivem Bescheid – in Betriebe zu bringen und Lehrstellen zu vermitteln. Geschäftsführerin Veronika Krainz vermutet, dass es viele ohne so eine Vermittlung nicht schaffen würden.

Finanzielle Anreize

Warum will man die jungen Flüchtlinge nicht? Der häufigste Grund für Ablehnung bei Unternehmen dürfte die Sorge sein, dass nach wenigen Monaten der Asylbescheid negativ ausfällt und der Lehrling den Betrieb wieder verlassen muss. Positive Aspekte wie Mehrsprachigkeit rücken in den Hintergrund.

In einem Pilotprojekt der Wirtschaftskammer soll in Wien und Niederösterreich nun mit finanziellen Anreizen nachgeholfen werden: Es gehe darum, Unternehmen, die schon länger Lehrlinge suchen, auf die Situation aufmerksam zu machen. Für Betriebe, die in diesem Programm junge Flüchtlinge aufnehmen, soll es Unterstützungen bei der Lehrlingsentschädigung geben.

Kurzfristige Lösungen

All die beschriebenen Aktionen – kurzfristiges Schaffen von zusätzlichen Stellen, finanzielle Anreize, eine Scheinöffnung des Arbeitsmarktes – dürften allerdings nur kurzfristige Verbesserungen für jugendliche Flüchtlinge in Aussicht stellen. Raber etwa rät den Flüchtlingen eher zu einem Aushilfsjob statt zu einer Lehre mit schlechten Arbeitsbedingungen, die österreichische Jugendliche auch nicht antreten wollen.

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Das Signal an die jugendlichen Flüchtlinge hat wenig mit Willkommenskultur zu tun: "Das sind die Stellen, die keiner will, hierfür könnt ihr euch bewerben." Das Szenario erinnert an die Gastarbeiter der 1960er-Jahre. Zwar herrschte damals ein wirtschaftlicher Boom, Österreich war auf der Suche nach billigen Arbeitern. Die Handelskammer schrieb aber noch 1985: "Die Situation bei den Gastarbeitern ist nach wie vor dadurch geprägt, dass die Ausländer fast durchwegs Tätigkeiten ausüben, für die noch immer Inländer nicht zu bekommen sind." Die Chancen der zweiten und dritten Generation sind heute nachweislich geringer als die von Menschen ohne Migrationshintergrund. Als gelungene Integration bezeichnet man diesen Abschnitt heute nicht. (Lara Hagen, 26.11.2015)