Früher verstand sich Margot Pilz als Fotografin. Nun ist der Pionierin der österreichischen Medienkunst eine Personale im Musa gewidmet worden.

Foto: MUSA, MA7

Das letzte Abendmahl. Hommage à Kremser Schmidt, 1979

Foto: MUSA, MA7

Arbeiterinnenaltar | Female Workers' Altar, 1981

Foto: MUSA, MA7

STANDARD: Sie haben sich lange als Fotografin verstanden, nicht als Künstlerin – wodurch hat sich das verändert?

Pilz: Ich hatte in den 1970er-Jahren ein eigenes Werbestudio für Fotografie in Wien, aber Fotografie wurde damals ja nicht als Kunst betrachtet. Den Ausschlag gab meine Festnahme durch die Polizei beim dritten Frauenfest in Wien 1978, die ich in den "Sekundenskulpturen" verarbeitet habe.

STANDARD: Also eine Politisierung?

Pilz: Mir war immer wieder schon gesagt worden: Du passt nicht in die Werbung. Das war eine Umstellung über mehrere Jahre. 1978 bin ich der Int Akt (Internationale Aktionsgemeinschaft bildender Künstlerinnen, Anm.) beigetreten.

STANDARD: Sie haben sich dann stark mit Ihrer eigenen Identität und der Rolle der Frau in Partnerschaft und Gesellschaft beschäftigt.

Pilz: Ja, zum Beispiel in den Fotosequenzen "4th Dimension", in denen ich unter anderem meine Ehe thematisiert habe. Dann in der "Weißen Zelle".

STANDARD: Das war eine Art gebauter Körperkäfig, 165 Zentimeter, Ihre Körpergröße und die Spannweite der Arme bestimmten die Dimensionen der Box, da haben Sie auch andere KünstlerInnen zum Experimentieren eingeladen.

Pilz: Das war ein sehr wichtiger Aspekt. Renate Kordon, Linda Christanell, Liesbeth Waechter-Böhm und viele andere haben die weiße Zelle benutzt, daraus sind Fotosequenzen entstanden.

STANDARD: Das waren also (Selbst-)Inszenierungen vor der Kamera, wie Sie sie auch 1979 in der Arbeit "Das letzte Abendmahl – Hommage à Kremser Schmidt" in ganz anderem Setting fortgesetzt haben.

Pilz: Ja, ich habe die männlichen Protagonisten des Barockmalers durch meine Freundinnen und deren Kinder ersetzt. Wir haben in einem Haus am Land verschiedene Anordnungen durchgespielt, Monika Hubmann mit Baby war dann der Christus.

STANDARD: Das Hauptbild, eine Schwarz-Weiß-Fotografie, trägt die Beschriftung "Meine Hommage à Kremser Schmidt soll Religionsvorstellungen des Patriarchats in Frage stellen und zugleich eine Widmung an die um ihre Selbstständigkeit ringenden Künstlerinnen sein". Würden Sie das heute auch so machen, mit Erklärung?

Pilz: Nein, aber damals war das notwendig, weil ich so angegriffen wurde. Österreich ist ein katholisches Land. Ich bin ja in Holland geboren, also evangelisch. Andererseits: Es hat sich nichts verbessert. Die Männer wollen ihre Pfründe noch immer nicht hergeben.

STANDARD: Der Feminismus war und ist Ihnen ein Anliegen. Wie hat er sich verändert?

Pilz: Wissen Sie, wie frei wir waren? Sie können sich das gar nicht mehr vorstellen. Wir waren unheimlich frei. Die jetzige Entwicklung in der Gesellschaft ist mir unheimlich, so retrokonservativ, ich spüre das sehr.

STANDARD: Sie haben sich in Ihrer Kunst damals auch konkret mit der sozialen Situation von Frauen beschäftigt, zum Beispiel im "Arbeiterinnenaltar" aus dem Jahr 1981. Dabei haben Sie ArbeiterInnen in der Kaffeerösterei Eduscho fotografiert.

Pilz: Ich habe sie fotografiert, aber auch zu ihren Arbeitsbedingungen befragt: Da stellt sich heraus, dass ein Maschinenführer nach zwei Jahren im Betrieb angestellt ist und 9.500 – damals noch Schilling – verdient, eine Frau nach neun Jahren an denselben Maschinen noch immer Arbeiterin ist und 6.500 Schilling verdient. Der Prokurist hat meine Arbeit mit den Worten "Sie sollten doch nur fotografieren" dann unterbunden.

STANDARD: Das Argument des "Familienernährers" wird heute noch bemüht, um solche Diskrepanzen zu rechtfertigen.

Pilz: Ja, in Sachen Gehaltsschere hat sich kaum etwas geändert, viel zu wenig.

STANDARD: Zum Thema Geld: 1982 haben Sie im Rahmen der Wiener Festwochen "Kaorle am Karlsplatz" inszeniert, Sand aufschütten, Liegestühle aufstellen, einen Wal im Becken schwimmen lassen, zu künstlerischen Interventionen im Stadtraum eingeladen. Heute passiert das völlig kommerzialisiert am Donaukanal.

Pilz: Damals war es Kunst, viel offener, viel freier, es musste nichts konsumiert werden. Leider habe ich mir die Idee nicht schützen lassen. (lacht)

STANDARD: Sie waren oft früh dran mit Ideen, auch was den Einsatz eines Computers betrifft. Sie sind eine Pionierin der digitalen Kunst in Österreich. 1991 entwickelten Sie gemeinsam mit Roland Alton-Scheidl für die Ars Electronica die interaktive Medienskulptur "Delphi Digital", bei der die BenutzerInnen in Mailbox-Foren Fragen zu Umwelt und Politik stellen konnten.

Pilz: Ja, ich war immer zu früh dran mit meinen Ideen, das hat mir sehr geschadet. Mir ist oft gesagt worden: "Wir wissen noch nicht, ob es Kunst ist."

STANDARD: Heute arbeiten Sie mit anderen Mitteln, beschäftigen sich viel mit Keramik. Wieso?

Pilz: Immer war eine Maschine dazwischen, eine Kamera, ein Computer. Den Ton kann ich direkt angreifen.

STANDARD: Was empfehlen Sie jungen Kolleginnen?

Pilz: Es gibt so viele spannende Ausdrucksmittel, Performance, Licht – ihren Weg zu gehen, sich den Raum zu erobern. (Tanja Paar, 25.11.2015)