Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Mann wird aus dem Hotel in Sicherheit gebracht, in dem Attentäter zahlreiche Geiseln nahmen.

Foto: AFP PHOTO / HABIBOU KOUYATE

Bamako/Paris – Zwei Männer fuhren am Freitagmorgen in einem schwarzen Toyota vor. Sie erhielten dank ihrer Diplomatenpässe – die sich nachträglich als gefälscht erwiesen – Einlass in das Radisson Hotel von Bakamo, wo sich viele Ausländer aufhalten. Danach zückten sie Sturmgewehre und nahmen im siebten Stockwerk mehrere Dutzend Geiseln. Mindestens 27 Menschen wurden dabei getötet. In örtlichen Medienberichten, die zunächst nicht verifiziert werden konnten, lag die Opferzahl aber höher.

Zahlreiche wurden freigelassen, zum Teil deshalb, weil sie nach Aufforderung der Attentäter Koranverse zitieren konnten. Eine zwölfköpfige Besatzung der Fluggesellschaft Air France – eine der wenigen westlichen Airlines, die Bamako anfliegen – wurde nach inoffiziellen Angaben "ausgefiltert".

Fast 140 Geiseln

Mindestens 138 Gäste waren nach Angaben des Hotelmanagers zeitweise in der Gewalt der Geiselnehmer. Am Abend hieß es von der malischen Regierung, alle seien befreit. Zwei Attentäter sollen getötet worden sein. Laut TV-Berichten versuchten Armeeeinheiten zuvor, sich dem Hotel der amerikanischen Kette Carlson im Schutz gepanzerter Fahrzeuge zu nähern. Zeugen hörten zahlreiche Schusswechsel.

Zur Tat bekannte sich in einer Twitter-Nachricht die Jihadistengruppe Al-Mourabitoun des gefürchteten Extremisten Mokhtar Belmokhtar, die in der malischen Sahara ihre Basis hat und der Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM). Das wurde aber von Geheimdiensten noch nicht bestätigt. Einer der freigekommenen Hotelgäste glaubte, dass die Männer, deren Zahl zwischen zwei und zehn angegeben wurde, Englisch mit nigerianischem Akzent sprachen. Das könnte darauf hindeuten, dass sie zu der aus Nigeria stammenden Islamsekte Boko Haram gehören. Im Sahara- und Sahelgebiet in und um Mali ist auch der regionale Al-Kaida-Ableger Aqmi aktiv.

Diverse, zum Teil mit den Tuareg alliierte Milizen agieren ihrerseits in Malis Norden. Dort hatten Islamisten einen "Gottesstaat" errichtet, bevor sie 2013 von der französischen Militäroperation Serval vertrieben wurden. Unter den Geiseln im Hotel Radisson sollen die Franzosen in der Mehrzahl sein – neben Türken, Kanadiern, Chinesen und anderen Staatsangehörigen.

Bestürzung in Paris

Genau eine Woche nach den mörderischen Attentaten in Paris herrscht in Frankreich erneut Bestürzung. Präsident François Hollande rief seine Landsleute in Mali auf, Vorsicht zu üben und sich bei der Botschaft zu melden. Er erklärte weiter, Frankreich stehe "zur Verfügung", wenn Mali Unterstützung brauche.

Derzeit ist in Bamako keine französische Einheit präsent. Diese konzentrieren sich auf die militärische Front im Landesnorden, während in Bamako, im Süden des Landes, Malis Armee und Uno-Blauhelme der Mission Minusma stationiert sind, viele davon aus afrikanischen Staaten. Laut Pariser Medien waren am Freitagnachmittag allerdings 40 Franzosen der Elitepolizei GIGN nach Bamako unterwegs. Sie waren schon bei früheren Geiselnahmen in Mekka und Dschibuti zu einem Auslandseinsatz gekommen. Auch amerikanische und französische Spezialagenten in Bamako sollen den lokalen Armeeverbänden helfend zur Seite stehen.

Bemühungen Hollandes

Hollande bemühte sich, in seinem TV-Auftritt die Souveränität Malis und seines Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta hervorzuheben. Er weiß, dass Belmokhtar mit seinen Anschlägen – zuletzt im März auf ein oft von Ausländern besuchtes Restaurant in Bamako mit fünf Toten – ausdrücklich die französischen "Besatzer" anvisiert. Tatsache ist, dass die französische Exkolonie Mali in der heutigen Form kaum mehr bestünde, wenn Frankreich Anfang 2013 nicht militärisch eingegriffen hätte. Die französische Nachfolgemission Barkhane unterhält seit gut einem Jahr noch 3.000 Soldaten. Ihr Einsatzgebiet ist so groß wie Westeuropa und erstreckt sich über fünf Länder von Tschad bis Mauretanien.

Weil Frankreich nach den Anschlägen von Paris EU-Verbündete um Entlastung gebeten hatte, ist in Zukunft auch ein größerer deutscher Einsatz in Mali möglich. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hatte zuletzt in Richtung Berlin angemerkt, Frankreich könne sich nicht um alle Brandherde kümmern. Im Zuge der EU-Mission EUTM sind sieben Österreicher in Mali stationiert, sie waren von der Geiselnahme nicht betroffen.(Stefan Brändle, 20.11.2015)