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Würde mögliche Jihadisten am liebsten daheim einsperren: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

foto: apa / helmut fohringer

Wien – Gerade stehen im Parlament die Nachverhandlungen zum umstrittenen Staatsschutzgesetz an, schon prescht die schwarze Regierungsriege mit neuen Forderungen vor, um potenziellen Terroristen das Handwerk zu legen: Via "Kurier" machte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Wochenende für eine Debatte stark, dass mögliche Jihadisten mit Hausarrest und Fußfesseln belegt werden, um Attentate zu verhindern.

Zudem sprach sich Vizekanzler und Parteichef Reinhold Mitterlehner in der "Kleinen Zeitung" für eine Nachfolgeregelung für die vom Verfassungsgerichtshof gekippte Vorratsdatenspeicherung aus, denn, so Mitterlehner unter Verweis auf die Anschläge in Paris und in ähnlicher Tonart wie Frankreichs Präsident François Hollande: "Es ist eine Kriegserklärung, wenn man mit Waffengewalt Leute bekämpft, die unschuldig sind. Wenn die Gesellschaft bedroht ist, muss ich alles tun, damit die Polizei nicht einen Schritt hinter Terroristen ist."

Rote Zurückhaltung

Angesichts der jüngsten Vorstöße des Koalitionspartners hielt man sich in der SPÖ am Sonntag mit Bewertungen der gewünschten Antiterrormaßnahmen zurück. Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle zum STANDARD: "Uns liegt kein Vorschlag und kein Papier vor, wie und wo man Jihadisten finden will, die man unter Hausarrest stellen kann, um sie von einer Straftat abzuhalten, die sie noch nicht begangen haben." Nach dem gerade ausgestandenen Streit um den Grenzzaun im Süden nimmt es die rote Regierungshälfte den Schwarzen aber sehr wohl übel, dass sie bei diesen sensiblen Agenden erneut Alleingänge hinlegen, ohne vorher das Gespräch gesucht zu haben.

Nicht zuletzt, weil in Frankreich soeben mehr als 160 Personen zu Hausarrest vergattert wurden, möchte Mikl-Leitner nun das heimische Sicherheitspolizeigesetz verschärfen. Analog zu amtsbekannten Hooligans, die vor Fußballmatches bis zum Abpfiff zur Polizei beordert werden können, will sie gefährliche Islamisten mit Hausarrest und Fußfesseln von etwaigen Untaten abhalten.

Rechtliche Probleme

Bloß: "Bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen muss das Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewandt werden", erklärt der Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Wenn jemand in dringendem Verdacht stehe, eine gefährliche Tat zu begehen, könne man ihn anzeigen, ja auch verhaften, aber: "Ich glaube nicht, dass man in Österreich eine Regelung findet, die vorbeugenden Hausarrest erlaubt." Schon gar nicht sei eine Beschneidung der Freiheit für eine ganze Gruppe möglich, "vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Maßnahme notwendig ist", so der Experte. Und selbst einschlägig bekannte Hooligans dürfe die Exekutive nicht dauerhaft anhalten, diese müssen sich bei der Polizei melden. Mayers Fazit im STANDARD-Gespräch: "Das ist Schlagzeilenpolitik."

Dass Jihadisten unter Hausarrest gestellt werden sollen, lehnt FPÖ-Vize-Klubchef Walter Rosenkranz "als Überschrift" zwar nicht ab, aber was die juristische Ausgestaltung von Mikl-Leitners Unterfangen betrifft, ist auch der Blaue nicht überzeugt: "Wer ist ein Jihadist?", fragt er, "und was heißt ,potenzieller Attentäter‘? Bin ich einer, wenn ich von heute auf morgen konvertiere?"

Ausführliche Debatte statt Schnellschüsse

Zu Mitterlehners Verlangen nach "einem vernünftigen Maß an Vorratsdatenspeicherung" hat Rosenkranz schon einen alternativen Vorschlag parat, von dem er glaubt, dass sich damit auch Grüne und Datenschützer anfreunden können: Bei Gefahr im Verzug sollen – wie schon hierzulande und in Deutschland diskutiert – mithilfe des "Quick Freeze"-Verfahrens Telekommunikationsdaten eines verdächtigen Nutzerkreises schnell eingefroren und abgerufen werden, und zwar auf richterliche Anordnung. Der Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung: Es würden nicht alle Telefonate und Netzaktivitäten im Land gespeichert – und schon gar nicht für sechs Monate.

Aus dem Infrastrukturministerium von Alois Stöger (SPÖ) hieß es am Sonntag zu einem neuen Anlauf für die Vorratsdatenspeicherung nur: Man wolle die Menschen nicht unter Generalverdacht stellen – und eine Debatte müsse zuerst im Parlament stattfinden. (Nina Weißensteiner, 22.11.2015)