"Ich möchte Programme für die Ewigkeit machen", sagt Mario L. selbstbewusst. Der 1,90 Meter große Comedian ist noch relativ neu in der österreichischen Comedy-Szene. Einen bleibenden Eindruck hat er dennoch schon hinterlassen.

"Comedy ist messerscharfe Analyse der Gesellschaft"

Der gebürtige Wiener L. war schon von klein auf von Komikern und Komödien fasziniert. "Es gibt Charaktere, die prägen sich einem ein. Bei mir war das in meiner Kindheit der cholerische Žika Pavlović aus der Kultkomödie "Žikina dinastija" (eine Kultfilmserie aus dem ehemaligen Jugoslawien). Was mich faszinierte, war, dass ich so viel von dem, was in diesen Filmen passierte, in meiner Umgebung beobachten konnte. Die Charaktere spiegelten, trotz einiger Überzeichnung, das wahre Leben vieler Menschen von damals wieder, und vieles trifft auch heute noch zu, insbesondere auf die Wiener Ex-Yu-Community."

Comedy ist mehr, als nur "blöde Witze" zu reißen, meint L., gute Comedy "ist eine messerscharfe Analyse unserer Gesellschaft". Persönliche Erfahrungen eignen sich aus seiner Sicht am besten für solche Analysen. "Ich bin kein belehrender Mensch, aber hinter meiner Comedy steckt schon eine gewisse Botschaft. Worüber ich in meinen Programmen spreche, das sind persönliche Erfahrungen, wo sich viele Menschen aus meiner Umgebung wiederfinden können."

Migranten nicht nur Opfer

Zwar sieht er sich nicht als ein Sprachrohr für Migranten und im Besonderen für die Ex-Yu Community, gleichwohl denkt L., dass das, was er in seinem Programm präsentiert, "vielen Migranten widerfährt". Er selbst ist im Gemeindebau am Rennbahnweg in Wien-Donaustadt aufgewachsen und weiß über das Leben eines Migranten im Gemeindebau vieles zu berichten. Seien es Erfahrungen mit Nazis oder Vorurteile, denen er und seine Kollegen aufgrund ihres Migrationshintergrundes ausgesetzt sind.

Dennoch will er die Migranten nicht ausschließlich als Opfer verstanden wissen. "Auch wir Migranten haben viele Vorurteile", und diese werden ebenfalls unverfroren in seinem Programm auf die Schippe genommen.

Viele der ganz großen Comedians und Kabarettisten, wie etwa Chris Rock und Michael Niavarani, sind Schulabbrecher, und auch der kroatischstämmige L. brach nach der sechsten Klasse Gymnasium die Schule ab. "Ich hatte damals einfach keinen Bock mehr auf Schule." Stattdessen begann er, in einem Möbelgeschäft zu arbeiten. "So richtig Spaß hat mir das auch nicht gemacht." Vor knapp drei Jahren kündigte er diesen Job und war dann einige Zeit arbeitslos. Während dieser Zeit begann er die ersten Sketche zu schreiben.

Im Mai 2013 traute sich L. das erste Mal auf die Bühne. "Das war beim Comedy Knock-out im Theaterlabor. Und auf Anhieb kam ich ins Finale. Zwar habe ich nicht gewonnen, aber es war trotzdem unbeschreiblich schön, oben zu stehen und die Leute über die eigenen Witze lachen zu hören."

Gewinner des Neulingsnagels 2014

Ein junger Comedian hat in Österreich nur wenige Chancen, Bühnenerfahrung zu sammeln, bedauert L.: "Es gibt viel zu wenige offene Bühnen in Österreich, und man kann nur ein paar Mal im Monat an seiner Bühnenpräsenz arbeiten. In Berlin und München ist das ganz anders: Da kann man, wenn man will, jeden Abend auftreten."

Seinen ersten großen Auftritt hatte er im Oktober 2013 im Theater am Alsergrund. Er trat gegen andere Comedians und Kabarettisten beim Open House an und gewann den Wettbewerb an diesem Abend. Die Siegesprämie war ein Soloauftritt im Theater am Alsergrund.

Den ganz großen Erfolg feierte er aber ein Jahr später, als er den renommierten "Neulingsnagel" für den besten Nachwuchs-Comedian im Jahr 2014 gewonnen hat – und das sogar in der Jury- und der Publikumsbewertung.

Krankheit als Chance

"Das war schon etwas ganz Besonderes. Ich habe mich enorm darüber gefreut. Es war eine wichtige Bestätigung, dass ich doch etwas kann." Er zweifelte zu dieser Zeit stark an seinen Fähigkeiten. "Ich war wieder arbeitslos und erkrankte zudem an der äußerst seltenen Krankheit, Achalasie." Für ein halbes Jahr wurde er dadurch lahmgelegt, und viele Krankenhausaufenthalte folgten.

Er konnte zwar zu dieser Zeit nicht auf der Bühne stehen, aber er wollte sich nicht auf den Lorbeeren des gewonnen Neulingsnagels ausruhen und arbeitete stets an seinen Pointen. Er nahm sich eine Kamera zur Hand und drehte zahlreiche Sketche, die er auf seiner Facebook-Seite präsentierte. Außerdem schrieb L. sein erstes Langprogramm. "Die Krankheit hatte, so gesehen, auch etwas Gutes. Ich musste zwar ständig zu Kontrollen und Eingriffen ins Krankenhaus, hatte aber während der Genesung genügend Zeit zum Reflektieren und zum Schreiben."

"Der Ghettoneurotiker"

Über diese Zeit findet sich vieles in seinem neuen Programm "Der Ghettoneurotiker." Zudem reflektiert er darin spitzzüngig über seine Schulzeit, sinniert über die wirklich wichtigen Fragen des Lebens – wie etwa: "Woher hat die Hip-Hop-Szene ihren Style ‚gebitet‘?" –, rechnet mit den patriarchalisch geprägten Balkanvätern ab, führt die Sinnlosigkeit so mancher AMS-Kurse vor Augen und bringt uns das harte Wiener "Ghettoleben" nahe. Und genau diese privaten Einblicke, verpackt in bissigem Humor, bieten Ethno-Comedy vom Feinsten. (Siniša Puktalović, 23.11.2015)