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Niemand behauptet, dass die Relativitätstheorie eine endgültige Beschreibung des Universums darstellt. Bislang blieb die Suche nach einer Erweiterung jedoch vergeblich.

Foto: EPA/Fiona Hanson

"Die Relativitätstheorie ist nicht zu begründen, mathematisch nicht herzuleiten (...) Sie ist eine einzige Aneinanderreihung von Widersprüchen, steht im Widerspruch zu allen ihren Voraussetzungen, wird durch alle sie angeblich bestätigenden Experimente logisch zwingend widerlegt, liefert groteske Ergebnisse und ist von der physikalischen Fachwelt zur Ideologie degradiert."

Und ihr Schöpfer Albert Einstein sei der "größte Idiot aller Zeiten" und "ein Lügner und Betrüger". Das findet zumindest Georg Todoroff, laut eigener Bezeichnung ein Mathematiker und Philosoph, der seine angebliche Widerlegung Einsteins auf seiner Homepage und in Buchform publiziert hat.

Die Revolution und ihre Feinde

Und er ist nicht der einzige Kritiker. 100 Jahre nach ihrer Veröffentlichung hat die Relativitätstheorie immer noch erstaunlich viele Feinde. Als Einstein am 25. November 1915 in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften seine berühmten "Feldgleichungen" publizierte, die die Grundlage der Allgemeinen Relativitätstheorie darstellen, hatte er das vollendet, was er zehn Jahre zuvor mit der Veröffentlichung der Speziellen Relativitätstheorie begonnen hatte. Er hatte die Physik revolutioniert und ein völlig neues Weltbild geschaffen. Einstein warf fundamentale Konzepte wie die des absoluten Raums und der absoluten Zeit über den Haufen und zeigte den Menschen ein Universum, das sich völlig von ihrer alltäglichen Wahrnehmung unterschied.

Die vielen verwirrenden Konsequenzen von Einsteins Theorie bemerken wir in unserem normalen Leben meistens nicht. Trotzdem ist die Relativitätstheorie in den 100 Jahren seit ihrer Entstehung zu einem unverzichtbaren Bestandteil der modernen Wissenschaft und Technik geworden. Kaum eine Theorie ist experimentell so oft und so gut geprüft worden.

Bis jetzt hat Einsteins Arbeit all diese Prüfungen problemlos überstanden. An Kritikern mangelt es dennoch nicht. Moderne "Einstein-Leugner" wie Georg Todoroff stehen in einer langen Tradition. Die Relativitätstheorie wurde von Anfang an kritisiert, und damals wie heute basierte dieser Kritik weniger auf wissenschaftlichen als viel mehr auf ideologischen Gründen.

Nationalsozialistisch und antisemitisch motivierte Physiker (darunter auch der Nobelpreisträger Philipp Lenard) begründeten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die "Deutsche Physik". Neue Ideen wie Relativitätstheorie und Quantenmechanik wurden darin abgelehnt, weil sie angeblich "jüdisch" seien und der "mechanischen Begreifbarkeit" widersprechen würde. Die Gegenentwürfe der "deutschen Physiker" wurden vom Rest der Physiker ignoriert und versanken zum Glück und zu Recht in der wissenschaftlichen Bedeutungslosigkeit.

Kritik an der Relativitätstheorie wird heute fast ausschließlich von Nichtphysikern geübt. Antisemitismus spielt als Motivation (zumindest öffentlich) keine Rolle mehr; der Vorwurf der fehlenden Begreifbarkeit blieb aber bestehen.

Grenzen der Vorstellungskraft

"Die [Relativitätstheorie] ist für mich unlogisch, oder schärfer formuliert: falsch", erklärte der (mittlerweile emeritierte) Professor Hartwig Thim vom Institute for Microelectronics and Microsensors der Universität Linz angesichts einer kritischen Betrachtung eines seiner öffentlichen Vorträge über die angeblichen "Irrtümer" Einsteins. Dieses Denkmuster findet man bei den Gegnern Einsteins häufig: Die Aussagen der Relativitätstheorie werden als unlogisch, widersprüchlich und nicht intuitiv empfunden. Daraus wird dann gefolgert, dass sie falsch sein müssen. Der eigentliche Fehler liegt aber darin, die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft zu den absoluten Grenzen der Realität zu erheben.

Die Relativitätstheorie erscheint tatsächlich oft unlogisch und paradox. Das ist nicht überraschend, denn sie beschreibt Situationen, die nichts mit unserer alltäglichen Wahrnehmung zu tun haben. Wir bewegen uns eben selten annähernd mit Lichtgeschwindigkeit, haben kaum mit enorm starken Gravitationsfeldern zu tun und treffen auch sonst eher nicht auf Situationen, in der wir die Auswirkungen der Relativitätstheorie direkt erfahren können.

Physikpropaganda und Lügenpresse

Die Welt, die wir intuitiv begreifen und verstehen können; die Welt, für die und in der sich unser Gehirn im Laufe der Evolution entwickelt hat, ist nicht die Welt der Relativitätstheorie. Aber wenn wir das Universum verstehen wollen und all die Phänomene, die dort vor sich gehen, dürfen wir uns nicht auf unseren "Hausverstand" verlassen. Der Kosmos ist so, wie er ist. Ob wir Menschen ihn als "logisch" empfinden oder nicht, spielt keine Rolle.

Einsteins Theorie hat es uns in den letzten 100 Jahren ermöglicht, Dinge über den Kosmos herauszufinden, die wir anders nie herausfinden hätten können. Seine Vorhersagen mögen zwar unserer Intuition widersprechen, aber sie haben sich bis jetzt immer als zutreffend erwiesen.

Natürlich wird das die Einstein-Leugner nicht überzeugen. Wenn die Erfolge des letzten Jahrhunderts nicht gereicht haben, um sie zufriedenzustellen, dann wird sich das auch in der Gegenwart nicht ändern. Außerdem steckt ja sowieso eine große Verschwörung hinter allem: "Es gehört natürlich zum Betrugsprogramm der Physikpropaganda, zu allen Kritikpunkten die Kritiker für dumm zu erklären und schlicht das Gegenteil zu behaupten sowie die kritischen Experimente zu verhindern und die Information über ihre Existenz zu unterdrücken, was durch die Gleichschaltung aller Wissenschaftsredaktionen in den Massenmedien auch hervorragend gelungen ist."

Das zumindest behauptet Ekkehard Friebe, Regierungsdirektor i.R. des Deutschen Patentamts, in einem "Offenen Brief über Wissenschaftsfreiheit". Neben vielen anderen Vorwürfen sieht er die Kritik an der Relativitätstheorie nicht nur durch die Wissenschafter selbst, sondern auch von der Bildungspolitik unterdrückt. Es gebe "Gehirnwäsche auf allen Ebenen des Bildungswesens bis hinunter zum Kindergarten ('Wir wollen doch Onkel Albert keinen Kummer machen!'), damit diese Kinder später in der Schule schon innerlich jeden Gedanken an eine kritische Betrachtung als sinnlos verwerfen. Alle Diktatoren versichern sich der Jugend."

Pseudowissenschaftliche Ausritte

Die Kritiker der Relativitätstheorie sind heute noch so zahlreich wie damals; man findet sie eben nur mittlerweile nicht mehr unter den Physikern, sondern bei den Pseudowissenschaftern. Mit ihrer ideologisch motivierten und wissenschaftlich längst widerlegten Argumentation werden sie es aber auch weiterhin nicht schaffen, Albert Einstein von seinem Sockel zu stürzen.

Dabei wäre das nicht unmöglich. Den Physikern ist durchaus bewusst, dass die Relativitätstheorie keine endgültige Beschreibung des Universums darstellen kann. Dafür gibt es noch zu viele offene Fragen; zu viele Bereiche, in denen sie im Widerspruch zur anderen großen Theorie des 20. Jahrhunderts, der Quantenmechanik, steht. So wie die Relativitätstheorie die klassische Newton'sche Mechanik erweitert hat, muss es eine noch zu entdeckende Erweiterung der Relativitätstheorie geben. Die Wissenschafter sind seit Jahrzehnten auf der Suche danach – bis jetzt allerdings erfolglos.

Es kann gut sein, dass es noch weitere 100 Jahre dauert, bis wir wissen, wie genau man Einsteins extrem gute Beschreibung des Universums noch ein bisschen besser machen kann. Sollte man dann aber am 25. November 2115 das 200-jährige Jubiläum der Relativitätstheorie feiern, wird es mit Sicherheit noch Menschen geben, die weiterhin darauf beharren, dass Einstein sich geirrt haben muss ... (Florian Freistetter, 24.11.2015)