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Foto: AP / Matthew Mead

Pro
von Alex Stranig

Die Traumatisierung durch das Alleinessen beginnt schon in der Schule. Während der Sitznachbar sich unauffällig wegdreht und genussvoll in sein resches, mit saftigem Schinken gefülltes Baguette beißt und man selbst nur am trockenen Grahamweckerl kaut und überlegt, wie man das beigelegte Fallobst unauffällig entsorgt, wird einem schnell bewusst, dass man die Strategie ändern muss, um nicht immer der dicke Gallier zu sein, der nicht vom Zaubertrank probieren darf (Obelix-Effekt).

Und wenn man es schon nicht in der Schule schafft, sein Visavis vom gemeinsamen Essen zu überzeugen, dann doch bitte wenigstens im Berufsleben. Kollegen, die derart unauffällig in die Mittagspause verschwinden, oder solche, die ihr Selbstgekochtes unter dem Motto "Das ist nix Besonderes" allein in sich reinschaufeln, müssen bekehrt werden.

Schließlich ist es viel netter, sich gemeinsam an den lukullischen Genüssen zu erfreuen. Allein essen ist wie Masturbation: Danach ist man zwar entspannt, die richtige Befriedigung bleibt aber aus.

Kontra
von Ronald Pohl

Ich verdanke dem Essen viele schöne Augenblicke in meinem Leben. Ich gehe so weit zu sagen: Wäre da nicht hin und wieder das Essen gewesen, der schamlose Genuss kalter und warmer (und lauwarmer) Speisen, ich wäre an der Kaltschnäuzigkeit des Lebens bestimmt irgendwann einmal zugrunde gegangen.

Ganz gegenteilig verhält es sich mit der Arbeit. Ich verrichte bis zum heutigen Tag Lohnarbeit. Ich gehe so weit zu sagen: Ich habe mich an den demütigenden Rhythmus des Arbeitslebens gewöhnt. Es gibt Momente im Leben, da gewinne ich meiner schnöden Arbeit sogar Bruchteilsekunden einer tiefen Befriedigung ab. Meistens esse ich dann.

Ich meine: Keine Arbeit der Welt könnte mich vom Genuss von Speisen abhalten. Ich stehe bereits morgens im Stockfinsteren auf und begrüße das feiste Gesicht im Badezimmerspiegel. Andere würden sagen: Kenne ich nicht, wasche ich nicht! Ich kenne mich genau. Ich werde auch heute Mittag ausgiebig essen, und ich werde den Genuss dieser Mahlzeit ganz bestimmt mit niemandem teilen. (RONDO, 27.11.2015)