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Günther Jauch moderiert den ARD-Talk am kommenden Sonntag zum letzten Mal.

Foto: APA/EPA/HENNINGÜKAISER

Berlin/Wien – Fernsehgesellschaften neigen dazu, ihre TV-Moderatoren besonders kritisch zu beäugen. In Deutschland ist das nicht anders. Wer immer sich für diesen Beruf entscheidet, muss sich klar darüber sein, dass er/sie sich mit dem Gang ins wärmende Scheinwerferlicht zeitgleich in eine strenge Kammer begibt. Aus dieser gibt es eher kein Entkommen.

Sabine Christiansen, Günther Jauchs Vorvorgängerin, kann ein Lied davon singen. Wie oft musste sie sich anhören, dass sie zu wenig oder zu viel nachgefragt habe, zu nett oder zu streng mit ihren Gästen gewesen sei. Unsanfte Methoden kennt auch Anne Will, die nach Christiansen den ARD-Polittalk am Sonntag übernahm und das Feld nach vier Jahren räumen musste. Für IHN, der vielen als Gott unter den Moderatoren galt, für Günther Jauch.

"Dackelblick" und üppige Gage

Für viele konnte Jauch bis dahin nichts falsch machen. Bis zum 11. September 2011, als er das Fernsehpublikum zum ersten Mal am Sonntag um 21.45 Uhr aus dem Gasometer in Berlin-Schöneberg begrüßte. Die Premiere hatte ein Vorspiel, denn schon neun Jahre zuvor hätte der Entertainer antreten sollen. Damals waren in der ARD mächtige Stimmen dagegen. Sie gaben später nach, und so setzte sich Jauch die nächsten vier Jahre den Skeptikern aus.

Er sei harmlos, hieß es, populistisch, betreibe Stimmungsmache, nehme Antworten vorweg. Der Talk habe sich unter ihm "zu einer Nebenbühne des Bundestags entwickelt", urteilte die Stuttgarter Zeitung. Kollege Frank Plasberg packte ihn ebenso rau an: Der ARD-Talker nannte Jauchs ganz speziellen Blick, den dieser bei Millionenquiz und Polittalk gleichermaßen einzusetzen pflegt, "Dackelblick". 10,5 Millionen Euro soll der Moderator jährlich von der ARD kassiert haben, auch das sorgte für Empörung.

"Varoufake"

Kommenden Sonntag moderiert Jauch zum letzten Mal, und selbst zum Schluss wird wenig Zurückhaltung geübt. Dass die Verträge von rund 80 Mitarbeitern von Jauchs Firma I+U auslaufen, nimmt man ihm übel. Die Welt zieht Bilanz von Jauchs Fernsehsendung und nennt diese "Nachruf". In die Geschichte wird das Video mit dem Stinkefinger des griechischen Finanzministers vom Frühjahr eingehen: Jauch konfrontierte den zugeschalteten Yanis Varoufakis mit der obszönen Geste. Satiriker Jan Böhmermann behauptete daraufhin, das Video sei gefälscht, was sich später als Fake vom Fake herausstellte.

Nachfolgerin Anne Will

Mag sein, dass es dann genug war. Private und berufliche Gründe nannte Jauch zum Abschied. In Zahlen gerechnet sieht die Bilanz anders aus: Durchschnittlich erreichte der Talk 4,62 Millionen bei einem Marktanteil von 16,2 Prozent, mehr als ein Achtungserfolg. Wer wird Millionär? betreut er auf RTL weiter. Über 5 gegen Jauch und Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle wird verhandelt.

Die Nachfolge übernimmt ab 17. Jänner 2016 Anne Will. Ihre Talks gelten als die besten im deutschsprachigen Fernsehen. Sie darf sich auf etwas gefasst machen. (prie, 26.11.2015)