André Hellers "Menschenkinder" mit Wolf Wondratschek.

Foto: ORF

Die Zutaten scheinen so einfach: Sessel, Kamera und ein Mensch, der über sein Leben erzählt. So minimalistisch diese Dokumentation auf ORF III auch sein mag, der Sessel ist nicht irgendein Sessel, sondern steht in einem Innenstadtpalais, und hinter dieser Kamera sitzt nicht irgendwer, sondern André Heller, und davor, sorgfältig ausgewählt, einer seiner Gäste: der Poet Wolf Wondratschek zum Beispiel. Erstaunlich, wie so ein erzähltes Leben einen Sog entwickeln kann, 63 Fernsehminuten, ohne große Dramaturgie. Hellers Menschenkinder sind kleine Wunderwerke, nicht zuletzt, weil Heller diese Dialoge – sich selbst wunderbar zurückhaltend – in Monologe verzaubert.

Als Proust-Fan fragt Wondratschek gerne: "Kann er was?" und beschränkt sich da auf Männerwelten. Umgelegt auf den Autor: Erzählen kann er. Vom Aufwachsen im elterlichen Haus in Karlsruhe, wobei er sich schnell fragt, was er mit "diesem Mann als Vater anfangen soll". Seine späteren Begegnungen in Frankfurt, München oder Paris, u. a. mit dem Adorno-Schüler Hans-Jürgen Krahl, dem großen H. C. Artmann, einem "Mutmacher", dem Komponisten Hans Werner Henze, den er beim Kiffen kennengelernt hat, oder dem Filmemacher Werner Schröter, an den er Zeit und Begabung verschenkte, berühren.

Puzzle für Puzzle fügt sich ein Bild mit vielen Leerstellen zusammen. Wondratschek, der 1996 "voller Selbstekel" in Wien nur zwischengelandet ist, sagt: "Ich war immer eine Figur am Rande." Am Rande der 68er-, am Rande der Schwulen- und auch am Rande der Literaturszene. Was bleibt, wenn alle Bücher geschrieben sind? Das Alter als Bonustrack – und der Traum vom Mäzen. (Mia Eidlhuber, 26.11.2015)