Streaming, also die Übertragung von Inhalten zur unmittelbaren Wiedergabe, hat in den vergangenen Jahren massive Veränderungen für die Musik- und Videobranche gebracht. Wo einst Menschen zum nächsten Händler pilgerten, den Onlinehändler ihres Vertrauens mit der Lieferung beauftragten oder ihre Songs, Alben, Serien und Filme im Netz kauften und herunterluden, kommt die Unterhaltung für immer mehr Konsumenten mittlerweile aus der Cloud.

Statt Einzelpreisen werden Monatsgebühren entrichtet. Im Gegenzug eröffnen Plattformen wie Spotify, Apple Music, Netflix und Amazon Prime den Zugriff auf Millionen Werke, die über das Internet stets verfügbar sind. Ein Prinzip, mit dem auch die Videospielindustrie schon eine Weile experimentiert. Der erste größere Versuch namens Onlive scheiterte jedoch kommerziell und wurde vor einigen Monaten eingestellt.

Die Nvidia Shield, formschön eingepfercht zwischen Drucker und TV-Gerät.
Foto: derStandard.at/Pichler

Konsole mit Android TV

Nun buhlt Nvidia mit Geforce Now um die Gunst der Kunden. Mit der Konsole Shield liefert man auch gleich eine Hardwareunterlage, die auf den Betrieb des Dienstes ausgelegt ist und gleichzeitig auch als Plattform für Android-Games aus Googles Play Store und den Zugriff auf Entertainmentangebote wie eben Netflix dient. Zum Einsatz kommt auf ihr allerdings kein Standard-Android, sondern die für Fernseher optimierte Adaptierung Android TV, welche eine recht gut strukturierte, schnell bedienbare Oberfläche mitbringt.

199 Euro will Nvidia für das Gerät regulär und legt nunmehr neben dem Controller auch eine Fernbedienung bei. Beide unterstützen die Suche nach Apps und Inhalten per Sprache. Die Einrichtung von Konsole und Steuergerät geht angenehm flott von der Hand, Voraussetzung ist lediglich ein funktionierendes WLAN. Dieses nutzt Shield nicht nur zur Verbindung ins Internet, sondern auch zur Kommunikation mit den Steuergeräten.

Potente Games-Plattform

Als Android-Konsole macht Shield eine gute Figur. Wer Spiele sucht, die direkt am Gerät laufen, kann sich bei Google Play bedienen oder im von Nvidia kuratierten Angebot von "Shield Games" wühlen. Letzteres hat einiges zu bieten – etwa ältere, teils exklusiv für Android umgesetzte Perlen wie "Doom 3: BFG" und "Half-Life: Episode 2" sowie neuere Umsetzungen wie "This War of Mine", Indie-Games, Casual Games und Free2Play-Titel.

Aufwendige Spiele überfordern das Gerät nicht, weder sind überlange Ladezeiten zu bemerken, noch Ruckler. Die Shield Games sind auf die Steuerung mit dem beigelegten Controller ausgelegt. Unter der recht hochwertigen Auswahl finden sich allerdings auch Spiele wie "Codex", das grafisch ansprechend, in jeder anderen Hinsicht aber absolut grottig ist.

Ein Micro-SD-Slot, ein Micro-USB-Anschluss, zwei reguläre USB-Ports und ein Ethernet-Stecker befinden sich an der Seite des Geräts.
Foto: derStandard.at/Pichler

Wenig Auswahl für Multimedia-Streaming

Soweit sich mit Google Play Music und Netflix feststellen ließ, laufen auch Multimedia-Streamingdienste gut auf bzw. mit der Shield. Hier hapert es allerdings an der Auswahl. Zugang zu Amazon Prime sucht man beispielsweise ebenso vergeblich wie die Spotify-App im Play Store. Grund ist, dass viele Anbieter ihre Software noch nicht kompatibel zur Steuerung mit einer Android TV-Fernbedienung gemacht haben.

Die Shield-Konsole unterstützt auch Streams in 4K-Auflösung, was allerdings hohe Internetbandbreite und einen entsprechend kompatiblen Fernseher voraussetzt.

Geforce Now: Viele ältere Hits, wenig Aktuelles

Vergleichsweise gering ist das Games-Angebot noch beim optional buchbaren Geforce Now, für das Nvidia nach einer derzeit auf drei Monate festgelegten Probezeit zehn Euro pro Monat einhebt. Derzeit dürften dort geschätzt etwas mehr als 100 Spiele in Österreich verfügbar sein, das Angebot schwankt je nach dem per IP erkannten Standort des Spielers. Der Schwerpunkt liegt klar auf Action-Titeln. Daneben tummeln sich auch ein paar Adventurespiele, Indies und ein Batzen Rennspiele im Angebot. Strategiespiele, Sportspiele und ähnliche Kost sucht man vergebens.

Die meisten Highlights sind nicht mehr taufrisch. Prominent platziert sind etwa "Ultra Streetfighter 4" (2008), "Dirt 3" (2011) und "Batman: Arkham Asylum" (2009). Zum etwas aktuelleren Programm zählen "The Vanishing of Ethan Carter" (2014), "Grid: Autosport" (2014) und "Batman: Arkham Origins" (2013). Offenbar arbeitet Nvidia allerdings daran, neuere Games verfügbar zu machen. So soll etwa bald auch die jüngste Games-Umsetzung zu "Mad Max" ins Angebot rücken.

Im Sortiment von Geforce Now finden sich aktuell kaum neue Games.
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Neuere Games käuflich erwerbbar

Einige Titel aus dem laufenden Jahr scheinen sogar bereits auf, müssen allerdings erst gekauft werden, um gestreamt werden zu können. Der Erwerb läuft dabei über die jeweilige Vertriebsplattform – bei "The Witcher 3: Wild Hunt" beispielsweise gog.com. Diese können anschließend auch auf anderen Geräten herunter geladen und "normal" gespielt werden.

Ärgerlich: Wer das letzte Abenteuer von Hexer Geralt bereits zuvor auf diesem Wege erworben hat, findet bei Geforce Now keine Möglichkeit vor, das Spiel nachträglich fürs Streaming freizuschalten.

Server statt Desktop-PC

Das Konzept des Gamestreamings sieht vor, dass die Spiele selbst nicht mehr heruntergeladen und installiert werden müssen, was Zeitaufwand und Speicherplatz schont. Für die Rechenpower sorgt Nvidia selbst und liefert anschließend nur noch ein Videosignal an den Spieler, dessen eigene Hardware eigentlich nur Steuersignale übermittelt. Die Übertragung erfolgt maximal in Full HD (1080 p), je nach Spiel mit 30 oder 60 Bildern pro Sekunde.

Dank "Streetfighter", das beim ersten Versuch, den Onlinemodus aufzurufen einen Hardwaretest durchführt, kann man auch einen Blick darauf erheischen, welche Infrastruktur zum Einsatz kommt. Nämlich Server mit Intel-Xeon-E5-2670-CPUs und Nvidia-Grid-K520-Grafikkarten, die im Verbund die Rechenlast stemmen. Betrieben werden sie, was aufgrund der notwendigen Kompatibilität zu möglichst vielen Spielen nicht überrascht, mit Windows 8.

Der Shield-Controller nutzt das klassische Tastenlayout, ist aber ähnlich wuchtig wie ein Xbox-Controller.
Foto: derStandard.at/Pichler

Hohe Anforderungen an Bandbreite

Die Anforderungen hinsichtlich der Internetverbindung sind allerdings hoch, will man den Dienst störungsfrei und in hoher Qualität nutzen. Wenigstens 25 Megabit pro Sekunde an Datendurchsatz werden empfohlen, als Optimum gibt Nvidia 50 Mbps aus. Idealerweise sollte Shield nicht per WLAN angebunden werden (das für die Verbindung zum Controller trotzdem benötigt wird), sondern mit einem Ethernetkabel direkt mit dem Modem verkuppelt.

Getestet wurde allerdings unter den zu erwartenden Bedingungen für viele Spieler: Die Konsole kommunizierte drahtlos mit einem 802.11n-fähigen Router, der seinerseits an einem Kabelmodem mit 75-Mbps-Anbindung (bis zu, nicht fix) hängt. Der tatsächliche Durchsatz, den Shield registrierte, bewegte sich größtenteils zwischen 30 und rund 65 Mbps. Für Schwankungen kommen verschiedene Faktoren (störende Einstrahlung zahlreicher umgebender WLANs, leitungs- und providerbedingte Einflüsse) infrage.

Gute Latenzzeiten

Über weite Teile war das Spielerlebnis flüssig und annähernd verzögerungsfrei. Durch den Übertragungsweg lässt sich eine gewisse Latenzzeit freilich nicht verhindern, die Datenpakete gingen aber flott genug hin und her, um selbst bei auf schnelle Reaktionen ausgelegten Games wie "Batman" und "Streetfighter" keine spürbaren Probleme zu erzeugen.

Der Controller wird per Micro-USB-Stecker geladen und bringt einen Kopfhöreranschluss mit.
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Verbindungsabhängig

Passt die Verbindung, unterscheidet sich das Spielerlebnis eigentlich kaum von dem auf einem PC bzw. einer "traditionellen" Konsole. "Spinnt" das Netz allerdings, werden die Defizite schnell deutlich. Zur Kompensation niedriger Bandbreite schraubt Geforce Now dynamisch die Qualität des Videostreams herunter – bis zu einem Punkt, an dem die Darstellung durch verwaschene Texturen und Bildartefakte merkbar verunstaltet wird.

Während sich dies temporär erdulden lässt, stören kurze Soundaussetzer je nach Spielsituation schon deutlicher. Sobald der ganze Stream jedoch damit beginnt, regelmäßig kurz oder für längere Zeit zu hängen, wird jedes Game unspielbar. Während bei reinen Videostreams nach Wiederherstellung der Verbindung einfach an der letzten Stelle fortgesetzt wird, rechnen die Nvidia-Server hier das Spiel weiter. Das bedeutet, dass Batman plötzlich im Staub liegt oder der Rallyewagen abseits der Strecke durch die Wildnis purzelt. Auf Pause zu schalten kann dies meist auch nicht vermeiden, denn auch dieses Signal muss erst übertragen werden.

Während bei nicht-interaktiven Inhalten wie Musik und Serien also lediglich eine Unterbrechung eintritt und manche Dienste hier sogar begrenzt Offline-Konsum ermöglichen, steht und fällt die Freude am Gamestreaming mit der aktuellen Verbindungssituation.

Kleine Zielgruppe

Durch die hohen Anforderungen ist das Publikum zudem limitiert. In Ballungszentren mögen DSL- und Kabelverbindungen mit ausreichender Bandbreite verfügbar sein, auf dem Land sieht die Situation allerdings oft anders aus.

Der weit fortgeschrittene Ausbau der LTE-Netze löst zwar tendenziell das Bandbreitenproblem, dafür ist hier mit höheren Latenzzeiten zu rechnen, was schnelle Spiele sehr schnell zu einem frustrierenden Erlebnis machen kann.

Kein Online-Multiplayer

Bei Geforce Now ist Multiplayer-Gaming ein weiterer beachtenswerter Aspekt. Der Dienst betreibt die Spiele über ihre Originalplattformen wie etwa Steam, ohne dabei allerdings die privaten Accounts der Spieler zu verwenden. Das – und möglicherweise auch andere technische Limitierungen – führt dazu, dass lediglich Mehrspielermodi funktionieren, die auf dem gleichen Bildschirm abgewickelt werden.

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Guter Controller

In Sachen Hardware hat Nvidia im Grunde alles richtig gemacht. Shield gibt mit der Tegra-X1-Plattform genug Performance für aufwendige Android-Games her, und auch der Controller weiß zu gefallen. Er bringt die klassische Anordnung aus Sticks und Tasten mit, ist aber ungefähr so "wuchtig" gebaut wie ein Xbox-Controller. Für Nutzer mit etwas kleineren Händen könnte er etwas unbequem sein, es besteht allerdings die Möglichkeit, alternatives Steuerequipment zu verwenden, sofern dieses Android-kompatibel ist.

Die Android-Navigationstasten sowie die Multifunktionsschaltfläche für Verbindungsherstellung und Start/Pause sind oben mittig angeordnet und gut erreichbar. Am unteren Rand befindet sich die Lautstärkeregelung. An den Controller lässt sich ein Kopfhörer anschließen. Das Steuergerät besitzt einen integrierten, nicht tauschbaren Akku und wird per Micro-USB aufgeladen. Wer mag, kann ihn auch verkabelt nutzen. Zur Fernbedienung lässt sich an dieser Stelle nichts sagen – denn Nvidia hat vergessen, sie dem Testgerät beizulegen.

Fazit

Ist Streaming also die Zukunft des Gamings? Jein. Ein Ersatz für eine Xbox One, Playstation 4 oder einen Spiele-PC ist Geforce Now aktuell nicht. Sehr wohl aber ist die Shield eine potente Plattform für verschiedene und teils sehr gute Android-Games. Der Gamestreaming-Dienst zeigt trotz der relativ kleinen Spielauswahl bereits Potenzial.

Bis zur Massentauglichkeit braucht es aber nicht nur mehr Support durch Spielehersteller, sondern auch Weiterentwicklungen wie bessere Videokomprimierung, um auch mit niedrigeren Bandbreiten flüssig zu laufen. Außerdem muss dringend eine Lösung für den Mehrspielermodus her – denn eine Plattform ohne Online-Multiplayer verspielt viel Potenzial.

Sind diese Probleme gelöst, könnte Gamestreaming tatsächlich interessant werden für all jene, die nicht 400 bis 500 Euro in eine Sony- oder Microsoft-Konsole und ein Zehntel der Beträge in die einzelnen Spiele stecken wollen. Ganz zu schweigen von den Anschaffungskosten eines ordentlichen Spiele-PCs, die sich schon einmal auf einen vierstelligen Betrag belaufen können.

Kann man damit leben, dass man die verfügbaren Games faktisch mietet statt besitzt und sich das Angebot je nach Lizenzsituation ändern kann, sind Geforce Now und Konsorten in wenigen Jahren durchaus eine überlegenswerte Alternative. Zumindest, wenn das Internet nicht gerade ausgefallen ist. (Georg Pichler, 30.11.2015)