Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA / HERBERT PFARRHOFER

Kein Zweifel. Für die Mitarbeiter der Handelskette Zielpunkt ist es ein Schock. Kurz vor Weihnachten werden sie mit der bitteren Nachricht konfrontiert, dass sie wohl bald ohne Job dastehen werden. Selbst wenn die eine oder andere der über 200 Filialen gerettet werden sollte, steht jetzt für die fast 3.000 Betroffenen einmal das Bangen um Gehälter und Weihnachtsgeld im Vordergrund. Frohe Weihnachten sehen anders aus.

Und allen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten wie Stiftungen und Sozialplänen zum Trotz: Das in der Regel nicht eben blendend ausgebildete Personal im Handel hat am derzeit ohnehin höchst angespannten Arbeitsmarkt schlechte Karten. Noch hat der Arbeitsmarkt nicht einmal die Welle durch die Zerschlagung der Baumarktkette Baumax verdaut.

Der Branche ist die Wahrheit aber zumutbar: Eine Bereinigung ist dringend nötig. Österreich leidet an hypertrophen Strukturen. Gut 30 Jahre lang sind die Handelsflächen gewachsen. Dabei sind die erwirtschafteten Umsätze von 2009 bis 2013 nicht mehr geworden, ganz im Gegenteil: Sie sind sogar geschrumpft. Die Kehrseite des Größenwahns ist nicht zu übersehen: kaum eine Region, die sich nicht durch einen hässlichen Kreisverkehr mit Ungetümen von Einkaufstempeln und -zentren an Orts- und Stadträndern auszeichnet. Auch dank der willigen raumplanerischen Unterstützung diverser Orts- und Stadtkaiser.

Das Ergebnis: Österreich ist mit Handelsflächen mehr als versorgt. Der Einzelhandel bietet 1,80 Quadratmeter Verkaufsfläche je Einwohner, in Deutschland sind es 1,46, in Schweden 1,26. Während insgesamt bei den Handelsflächen seit 2013 zumindest ein leichter Gegentrend zu verzeichnen ist, sind die Flächen im Lebensmitteleinzelhandel weiterhin leicht gewachsen. Warum? Nicht weil die Lebensmittelbranche sich über mehr Ausgaben der Konsumenten freuen darf. Die Branchenriesen Spar und Rewe expandieren, Diskonter Hofer mischt fleißig mit. Der Kampf um Marktanteile ist aggressiv.

Die Handelsriesen schrecken dabei auch vor unlauteren Mitteln wie Preisabsprachen nicht zurück. Eine der höchsten Kartellstrafen, die je in Österreich verhängt wurden, hat jüngst die Lebensmittelkette Spar mit 30 Millionen Euro ausgefasst, weil sich Einkäufer und Lieferanten über Jahre abgesprochen haben. Dass dabei kleinere Player wie Zielpunkt – ohne Einkaufsmacht wie die Großen im Rücken und ohne klares Profil – kaum Einfluss nehmen und am Ende auf der Strecke bleiben, überrascht nicht.

Und was nun? Das Duopol der beiden Marktführer wird weiterwachsen. Eine Branche mehr, in der die Vielfalt schrumpfen wird. Auch die Konsumenten haben bislang nur am Rande vom Wachstumswahn profitiert. Die Preise sind höher als etwa bei den deutschen Nachbarn – auch dank der vielen Flächen, deren Erhalt teuer ist. Das Verkehrsaufkommen rund um die ländlichen und städtischen Shoppingflächen ist ein Graus und wiegt wohl für zunehmend mehr Menschen die kurzen Wege zum nächsten Shop nicht auf.

Aber die Bereinigung ist ohnehin nicht aufzuhalten. Die Flächen werden noch viel stärker schrumpfen. Es ist Zeit für neue Player, sich auf den Markt zu trauen und den Großen die Stirn zu bieten. Die ersten Start-ups mit Bioessen sind schon da. Braucht es nur noch eine Kleinigkeit: ein gedeihliches Klima für deren Sprießen und Gedeihen. Und das nicht erst nach jahrelangem Nachdenken. Sondern jetzt. (Regina Bruckner, 26.11.2015)