In den zwei Jahrzehnten, die man mittlerweile um eine verbindliche internationale Klimapolitik ringt, ist das Problem schneller gewachsen als die Ansätze zu seiner Lösung. Als man 1997 mit dem Kioto-Protokoll erstmals eine Vereinbarung über die Minderung der Treibhausgasemissionen unterzeichnete, betrug der globale CO2-Ausstoß 24 Gigatonnen pro Jahr. Doch "Kioto" blieb ein zahnloser Tiger, und so wird mittlerweile nicht etwa weniger, sondern sogar um die Hälfte mehr Kohlendioxid ausgestoßen als damals. In der Folge ist das Jahr 2015 auf gutem Wege, einen weiteren Rekord für das wärmste Jahr seit Menschengedenken aufzustellen.

Was zu tun wäre, ist eigentlich sonnenklar. Dank jahrzehntelanger Klimaforschung wissen wir heute, dass in der Atmosphäre noch Platz für so viel Kohlendioxid ist, wie bei der Verbrennung von 230 Gigatonnen Kohlenstoff entsteht. Das ist ungefähr ein Fünfzigstel dessen, was noch in Form von Kohle, Öl und Gas unter der Erdoberfläche lagert. Mit anderen Worten: Wollen wir gefährliche Veränderungen des Klimas vermeiden, müssen etwa 98 Prozent der fossilen Ressourcen im Boden bleiben. Diese einfache Erkenntnis hat weitreichende Folgen. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hat unlängst institutionelle Investoren vor dem Platzen einer Kohlenstoffblase an den Finanzmärkten gewarnt. Was heute in der Bilanz von Rohstoffkonzernen noch als wertvoll angesehen wird, könnte morgen eine Altlast darstellen. Der Versicherungskonzern Allianz und der staatliche norwegische Pensionsfonds reagierten mit der Ankündigung, sich aus Kohle-Investitionen zurückziehen zu wollen.

Um die Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zu reduzieren, braucht es weitere Fortschritte in drei zentralen Bereichen: Stromversorgung, Gebäude und Verkehr. Die gute Neuigkeit: In allen drei Bereichen gibt es heute Technologien, die kohlenstoffarmen Wohlstand ermöglichen. In der Stromversorgung bewegen sich die Kosten für Strom aus Sonnen- und Windenergie heute in vielen Ländern in der gleichen Größenordnung wie Strom aus neuen Gas- oder Kernkraftwerken. Im Gebäudesektor zeigen immer mehr Minergie- und Plusenergiehäuser, wie man Häuser effizient auf tiefe Energiekosten trimmt. Und im Verkehr sieht man auch immer mehr Elektrovelos und -autos, die einen Quantensprung bei der Energieeffizienz erlauben.

Eine vielversprechende Ausgangslage für die Lösung des Klimaproblems, möchte man meinen. Ist in Paris also ein Durchbruch zu erwarten? Die Geschichte der internationalen Klimapolitik der letzten zwei Jahrzehnte legt nahe, sich zumindest auf zwei Szenarien vorzubereiten. Im optimistischen Fall kommt es tatsächlich zu einem verbindlichen Klimaabkommen, das zwar viele Schlupflöcher aufweisen wird, aber doch wertvolle Leitplanken setzt. Im pessimistischen Szenario zeigt die internationale Politik einmal mehr, dass sie unfähig ist, das Problem zu lösen. So oder so entscheidet sich unsere Klimazukunft nicht in Paris, sondern bei der Umsetzung von Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und zukunftsfähiger Mobilität vor Ort. (Rolf Wüstenhagen, 27.11.2015)