Wien – Enttäuschung. So lässt sich punktgenau beschreiben, was die österreichische Budgetpolitik bei Klimaschützern regelmäßig auslöst. Wie schon bei zahlreichen Budgets zuvor sprechen Umweltverbände auch beim am Donnerstag im Parlament verabschiedeten Bundesbudget 2016 von einer vergebenen Chance. Unmittelbar vor der Konferenz in Paris mussten sie eine empfindliche Kürzung der Mittel zur Erreichung der Klimaschutzziele hinnehmen.

Nicht minder ernüchternd war für die größten Umweltorganisationen – darunter Global 2000, Greenpeace, Naturfreunde, WWF und Verkehrsclub Österreich – auch die im Sommer verabschiedete Steuerreform. Anreize für ein ressourcenschonenderes Leben und Wirtschaften? Nur in Spurenelementen vorhanden.

Nicht mehrheitsfähig

Wer glaubt, Nachhaltigkeit sei angesichts des immer dringender werdenden Problems der Erderwärmung mittlerweile bei allen Parteien verankert, irrt. Eine ökosoziale Steuerreform, wie sie die Grünen seit Jahr und Tag fordern, ist schlichtweg nicht mehrheitsfähig. Für einen radikalen Umbau sind zwar auch die Neos. Sie wollen die umweltbezogenen Steuern aber nicht anheben, sondern nur durch eine CO2-Steuer auf fossile Energie ersetzen.

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Der Verkehr ist nicht nur der größte Verursacher von Treibhausgasen, sondern auch logischer Ansatzpunkt für ökologische Steuerreformen.
Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die FPÖ wiederum hält davon gar nichts. In ihrem Parteiprogramm sucht man die Worte "Klima" und "Ökologie" vergebens. Personifiziert wurde diese Haltung bis vor kurzem von der aus der Partei geworfenen früheren Umweltsprecherin Susanne Winter. Als solche bezeichnete sie den Klimawandel als "mediales Lügengebäude" und "ideologische Pseudowissenschaft".

Verlorenes Augenmaß

Doch auch mit den Regierungsparteien ist in Sachen Ökologisierung kein Staat zu machen. Die ÖVP, nach eigenem Bekunden "die Partei der ökosozialen Marktwirtschaft", beschränkt sich auf Absichtserklärungen. Wenn es konkret wird, wie etwa vor wenigen Wochen bei einer neuen Vereinbarung über die Lkw-Maut bis 2020, stehen andere Interessen im Vordergrund. Die ÖVP habe sich "dafür starkgemacht, die Transportwirtschaft nicht über die Maßen zu belasten", sagte Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger damals. Auch SPÖ-Umweltsprecher Hannes Weninger betonte, es sei "gelungen, wichtige umweltpolitische Ziele mit wirtschaftspolitischem Augenmaß zu erreichen".

Dieses Augenmaß scheint im Kampf gegen den Klimawandel nicht immer das richtige zu sein: Der Straßenverkehr ist in Österreich mit 28 Prozent der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen, diese stiegen laut Umweltbundesamt von 1990 bis 2013 von 13,3 auf 21,8 Millionen Tonnen. Dabei liegen fertige Konzepte für eine Ökologisierung seit Jahren in der Schublade. Die wichtigsten Ansätze:

  • Mineralölsteuer
    Nicht erst seit der VW-Abgasaffäre ist die niedrigere Steuer auf Diesel im Vergleich zu Benzin wieder im Gerede. Die fixen Sätze betragen heute 39,7 Cent je Liter für Diesel und 48,2 Cent für Benzin. Für viele Steuerexperten ist das Dieselprivileg längst überholt. Im EU-Preisvergleich liegt Österreich deutlich unter dem Durchschnitt – bei Benzin aktuell um rund 19 Cent, bei Diesel um 11 Cent. 18 EU-Mitgliedsländer heben höhere Spritsteuern ein. Der damit befeuerte Tanktourismus bringt nicht nur Mehreinnahmen im Budget, sondern auch eine massive Belastung der Klimabilanz. Umweltverbände sprechen bei der Angleichung von Diesel an Benzin von Mehreinnahmen für den Staat in Höhe von jährlich rund 400 Millionen Euro – der Entgang beim Tanktourismus schon eingerechnet.

  • Lkw-Maut
    Ebenfalls ein Dauerbrenner ist die Forderung nach einer flächendeckenden Lkw-Maut auf allen Straßen und für alle Lkws. Von den externen Kosten, die diese verursachen (Lärm, Schadstoffe), kauft sich die Branche jährlich mit rund 40 Millionen Euro frei. Derzeit wird die Maut nur auf Autobahnen und Schnellstraßen eingehoben, außerdem nur für Lkws über 3,5 Tonnen. Der Großteil der Lkw-Flotte ist damit ausgenommen. Umweltverbände rechnen bei der Ausdehnung mit 370 Millionen Euro zusätzlich, die Grünen gar mit 600 Millionen.

  • Firmenwagen
    Rund die Hälfte der jährlich mehr als 300.000 Pkw-Neuzulassungen entfallen auf Unternehmen und Institutionen. Das hat in erster Linie steuerliche Gründe: Ein Teil des Gehalts wird mit einem Firmenauto steuerschonend ausgezahlt. Die Steuerreform bringt eine vorsichtige Koppelung an den CO2-Ausstoß. Zu vorsichtig, sagen die Umweltverbände und fordern eine Anhebung. Kalkuliertes Mehraufkommen: 300 Millionen Euro pro Jahr.

  • NoVA-Erhöhung
    Die Normverbrauchsabgabe (NoVA), die beim Autokauf anfällt, ist vom Abgasausstoß des Fahrzeugs abhängig. Umweltschützer wollen die Grenzwerte für die CO2-Emissionen senken. Für jedes Gramm Kohlendioxid pro Kilometer soll die Steuer progressiv ansteigen – ohne Deckelung, die derzeit 16 Prozent des Kaufpreises beträgt. Autokäufer sollen damit zum Kauf von CO2-ärmeren Fahrzeugen gedrängt werden – oder gleich von Elektroautos. Auch die Ausnahmen für Klein-Lkws, Fahrschulautos und Taxis sind nicht unumstritten. Insgesamt sollten die NoVA-Einnahmen von jährlich rund 500 Millionen Euro verdoppelt werden, fordern Greenpeace und Co.

  • Kerosinsteuer
    Eine Kerosinsteuer wird momentan nur bei Privatfliegern im Inlandsflugverkehr eingehoben. Die Steuerreform bringt eine Erhöhung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Kerosin von zehn auf 13 Prozent – neben der vorsichtigen Ökologisierung bei den Firmenwagen die einzige relevante Maßnahme im Zuge der Reform. Würde Kerosin wie Benzin besteuert, brächte das jährliche Steuereinnahmen von knapp 400 Millionen Euro, rechnen die Umweltverbände vor. Denkbar ist außerdem eine Erhöhung der 2011 eingeführten Flugticketabgabe.

Diese ist laut Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller ein Beispiel dafür, dass in den vergangenen Jahren in Sachen Umweltsteuern nicht nichts getan wurde. Was fehlt, sei aber ein systematischer Plan. "Die wenigen ökologische Tupfen im Steuersystem sind nicht der Ökologie geschuldet, sonder dem Einsparungsbedarf im Budget", so Schratzenstaller.

Palette an Maßnahmen

Auch EU-Kommission und OECD empfehlen seit Jahren eine stärkere Nutzung von Umweltsteuern und die rigorose Einschränkung ökologisch schädlicher Steuerausnahmen. Die Möglichkeiten sind mit den angeführten Maßnahmen längst nicht ausgeschöpft. Denkbar wäre etwa auch eine Anhebung der Kfz-Steuer oder eine Reduzierung der Pendlerpauschale. Maßnahmen auf der Einnahmenseite sind wichtig, um jene Mittel freizumachen, die zur Erreichung der Klimaziele auf der Ausgabenseite notwendig sind – egal ob Förderung von thermischer Sanierung, Energieeffizienz oder öffentlichem Verkehr. Alles ebenfalls Materien mit großem Enttäuschungspotenzial für Klimaschützer. (Simon Moser, 28.11.2015)