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Die Unesco feiert ihr 70-jähriges Bestehen.

Foto: EPA/CHRISTOPHE PETIT TESSON

Wien – Wenn Krieg in den Köpfen der Menschen beginnt, muss dort auch der Friede beginnen. Davon waren nach 1945 nicht nur Denker wie Jean Paul Sartre oder Pablo Neruda überzeugt. Auch die alliierten Erziehungsminister hatten erkannt, dass die Verhinderung der Barbarei nur über weltweite Verständigung der Nationen auf den Gebieten der Bildung, Kultur und Wissenschaft gelingen kann.

Schon ein halbes Jahr nach Kriegsende versammelten sich 37 Staaten aller Erdteile unter dem Dach der Vereinten Nationen, um diese Vision zu verwirklichen. Der Gründungsvertrag der "United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization" (Unesco) wurde am 16. November 1945 in London unterzeichnet. Heute hat die Organisation 195 Mitgliedsstaaten. Als erste internationale Einrichtung, noch vor den UN selbst, konnte die Unesco 1948 auch Österreich aufnehmen.

Im Radiokulturhaus diskutierten am Freitag auf Einladung der österreichischen Unesco-Kommission Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), Manfred Matzka (Sektionschef im Bundeskanzleramt), Isolde Charim (Philosophin), Philipp Blom (Kulturhistoriker), Josef Haslinger (Schriftsteller) und Unesco-Österreich-Präsidentin Eva Novotny über Chancen und Probleme der Organisation, 70 Jahre nach ihrer Gründung. Moderiert wurde die Runde von STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid.

Warnung vor "Kultur der Schließung"

Von Beginn an stand die Diskussion unter dem Eindruck des Bürgerkriegs in Syrien, der dort stattfindenden Plünderung und Zerstörung von Kulturgut, das zu schützen eine der vordringlichsten Aufgaben der Unesco ist. Manfred Matzka, der den verhinderten Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) vertrat, lobte kürzlich erlassene Gesetzesverschärfungen gegen den Handel mit geraubtem Kulturgut und betonte, dass "gerade bei Instabilität und Gewalt die Unesco wieder ganz wichtig wird".

Die Organisation könne Terroristen zwar nicht aufhalten oder irgendwo einmarschieren, aber ein völkerrechtliches Referenzwerk bereitstellen, Expertise liefern und vor allem für die Zeit danach wichtig sein, sagte Eva Novotny. Vor einer zunehmenden Verengung des Kulturbegriffes, einer "Kultur der Schließung", nicht nur in der Welt der Islamisten, sondern auch durch europäische Rechtspolitiker und Gruppen wie Pegida, warnte Philip Blom.

Der Historiker wies aber auch auf das Dilemma der Unesco hin, wonach diese natürlich westlich-liberale Ideen durchsetzen wolle, gleichzeitig aber betone, alle Kulturen zu respektieren. "Was machen wir mit Gesellschaften, die Bildung für Mädchen ablehnen?", fragte Blom. Die Wissenschaft könne zumindest versuchen, mit Argumenten zu überzeugen, so seine Antwort.

Ein Schatz mit viel Bürokratie

Einig waren sich die Diskutanten darüber, dass die Unesco zwar eigentlich mehr Geld brauchte, um effektiv arbeiten zu können, sich in 70 Jahren des Bestehens aber auch zu viel Bürokratie übergestülpt habe. Vom "Apparat als Achillesferse" sprach Isolde Charim. Die Gefahr zum Selbstzweck zu werden, sei groß. Auch die Abhängigkeit von großen Geldgebern wie den USA, die 2011 nach der Aufnahme Palästinas zum wiederholten Mal austraten, sei ein Problem. Josef Haslinger wies auf die unrühmliche Rolle des Mitglieds Saudi Arabien hin. Dass hier ein Staat, in dem geköpft wird, "spendet und sich damit Einfluss erkauft, muss man klar zugeben", bekannte Eva Novotny.

Dennoch sei die Unesco und ihr völkerrechtliches Regelwerk "ein Schatz, den es zu hüten gilt", so Haslinger. "Es gibt so wenig worauf man sich noch berufen kann. Alle berufen sich nur noch auf religiöse Konzepte." Nowotny war der Auffassung, dass im heutigen weltpolitischen Klima die Gründung der Unesco nicht mehr so einfach wäre. Ministerin Heinisch-Hosek hob die Arbeit der Organisation im Bildungsbereich hervor. Auf 86 österreichische Unesco-Schulen könne man stolz sein. "Internationaler Austausch hat sich damit verselbstständigt."

Wiener Streitfälle

Wortmeldungen aus dem Publikum lenkten die Diskussion schließlich auf ihren Austragungsort: So sei auch der geplante Verkauf des denkmalgeschützten ORF-Funkhauses eigentlich ein Fall für die Unesco. Gegner eines geplanten Hochhauses am Wiener Heumarkt forderten, die Stadt müsse "als Welterbe vor schädlichen Investoren geschützt werden". Sektionschef Matzka versprach, die Bitten dem abwesenden Kultur- und Medienminister zu überbringen. (stew, 28.11.2015)