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Die Familie des getöteten Juristen bei seiner Beerdigung am Sonntag.

Foto: APA/AFP/ILYAS AKENGIN

Diyarbakir – Der tödliche Anschlag auf den prominenten prokurdischen Menschenrechtsanwalt Tahir Elci in Diyarbakir hat die Spannungen in der Türkei verschärft. Zehntausende nahmen am Sonntag in der südosttürkischen Kurdenmetropole Abschied von Elci, wie die Nachrichtenagentur DHA meldete.

Der Chef der Anwaltskammer in Diyarbakir war am Samstag bei einem öffentlichen Auftritt im Stadtviertel Sur von Unbekannten erschossen worden. Auch zwei Polizisten wurden getötet. Die Hintergründe waren zunächst unklar.

Davutoglu verspricht Aufklärung

Nach dem Anschlag ging die Polizei in Istanbul am Samstagabend mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten vor. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu versprach, die Tat aufzuklären. Er warf der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor, ihre Gewalt führe zu Anschlägen wie dem auf Elci. "Für all diese Vorfälle ist die separatistische Terrororganisation verantwortlich, die mit den Terroranschlägen begonnen hat", sagte Davutoglu am Sonntag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte den Anschlag und kündigte an, den Kampf gegen den Terrorismus fortzusetzen. Der PKK-Kommandant Cemil Bayik warnte vor einer Eskalation der Gewalt. "Wenn das Militär gegen die kurdische Zivilbevölkerung vorgeht, werden wir die Kurden verteidigen", sagte er der "Bild am Sonntag". "Wir Kurden befinden uns wieder in einem Bürgerkrieg mit der Türkei."

Symbolträchtiger Ort

Elci warb bei dem Auftritt vor Journalisten kurz vor seinem Tod für Frieden in der Region, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. "Wir sagen, der Krieg, die Kämpfe, die Waffen, die Einsätze sollen fernbleiben von hier", sagte er. Auf weiteren Fernsehbildern sind Schüsse zu hören. Elci und Journalisten ducken sich daraufhin weg.

Das Viertel Sur in Diyarbakir ist eine PKK-Hochburg. Dort kommt es immer wieder zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Elci hatte für seinen Auftritt einen symbolträchtigen Ort ausgewählt. Er sprach in der Altstadt vor einer bekannten Moschee, deren Minarett bei Gefechten schwer beschädigt worden war. Die Behörden verhängten nach dem Anschlag eine Ausgangssperre über Sur.

Der 49-jährige Elci war ein bekannter Menschenrechtsanwalt. Im Oktober war er vorübergehend unter dem Vorwurf der Propaganda für die PKK festgenommen worden. Grund war ein Fernsehauftritt, bei dem er sagte, die PKK sei keine Terrororganisation.

Unklarer Hergang

Der Tathergang blieb trotz zahlreicher Videoaufnahmen unklar. Die Bilder zeigten Polizisten in Zivilkleidung, die auf andere Männer schossen. Polizeiaufnahmen zeigten ein Auto, aus dem Schüsse auf Beamte abgefeuert wurden. Nach Angaben des Innenministeriums war dies der Beginn eines Schusswechsels. "Tahir Elci kam ins Kreuzfeuer zwischen der Polizei und Terroristen", sagte Innenminister Efkan Ala. Der Gouverneur von Diyarbakir verhängte nach dem Anschlag eine Ausgangssperre.

In Istanbul ging die Polizei am Samstagabend mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Hunderte Demonstranten vor, die sich zum Gedenken an Elci versammelt hatten. (APA/Reuters, 29.11.2015)