Bild nicht mehr verfügbar.

Das Werden des Athletendorfes in Rio.

Foto: APA/Egarter

Es gibt Terrassen, und es gibt Terrassen. Wenn man auf der Terrasse des Klubhauses von Botafogo steht, dem viertgrößten Fußballklub in Rio de Janeiro, dann kann man einerseits den Corcovado mit der Christus-Statue sehen, andererseits den Zuckerhut – zwei nicht ganz unbekannte Berge, eine nicht ganz ungeile Aussicht. Auch das Innere des Gebäudes kann einiges, es bietet durchaus schöne, gediegene Räumlichkeiten. Kein Wunder, dass man hier für einen Tag 10.000 Euro Miete zahlt.

Am Samstag hat Botafogo im Olympiastadion, das übrigens nicht beim Klubhaus, sondern an einem der vielen anderen Enden der Stadt steht, die letzte Meisterschaftspartie in der zweiten Liga bestritten. Sie war völlig unbedeutend, der Verein stand als Erster und Wiederaufsteiger in die oberste Spielklasse längst fest. Dennoch waren gut 20.000 Zuseher im Stadion, das praktisch vom Spielfeldrand weg eine große Baustelle ist, weil es bei den Olympischen Spielen 2016 dreimal so viele Menschen fassen soll – schließlich werden hier die Leichtathletikbewerbe stattfinden. Das 0:0 gegen FC América tat gar nichts zur Sache, neben einem kleinen Feuerwerk war vor allem die Tatsache bemerkenswert, dass vor dem Anpfiff kleine Kinder mit österreichischen Fahnen einliefen.

Schwarz-Weiß, Botafogos Klubfarben, und Rot-Weiß-Rot sind dabei, sich quasi zu vermischen. Österreichs Olympisches Comité hat für die Spiele 2016 (ab 5. August) das Botafogo-Klubhaus gemietet, nicht für einen Tag, sondern für 35 Tage. ÖOC-Präsident Karl Stoss, der das Österreich-Haus in spe im Rahmen einer vorolympischen Inspektionsreise präsentierte, beziffert die Mietkosten demgemäß mit 350.000 Euro. Das sind 20 Prozent der Gesamtkosten für das Haus, das schließlich auch umgestaltet, hergerichtet und betrieben werden muss. ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel ist stolz auf den Deal. Schließlich habe Botafogo zu Beginn noch 800.000 Euro verlangt, andere Länder, Russland etwa, würden ein Vielfaches für ihre Häuser zahlen.

Österreichs Haus zur Welt

Im Klubhaus zeigt sich Österreich der Welt, es werden Veranstaltungen stattfinden, es wird der ORF sein Olympia-Studio einrichten, draußen wird es einen "Public Bereich" geben, wie Mennel sagt. Das Konzept hat schon in London 2012 und auch in Sotschi 2014 (Winterspiele) so ausgesehen, Stoss wollte in Rio festgehalten wissen: "Kein öffentliches Geld fließt hier hinein", für die Kosten würden "nur private Sponsoren" aufkommen. Diese Aussage erschien selbst Mennel etwas gewagt, der hinzufügend immerhin von "indirekt staatlichen Mitteln" sprach. Schließlich sei etwa die Österreich Werbung einer der großen Geldgeber.

Rio ist Rio, und Barra ist Barra. Ein guter Teil der Spiele wird in Barra stattfinden, das ist eine eigene, sozusagen die nächste Stadt. Der Plan der Planer ist, dass Rio und Barra zusammenwachsen, soweit das der Berg, der dazwischenliegt, halt zulässt. Barra soll aus den Spielen als lebenswerter, exklusiver Vorort hervorgehen. In den vergangenen Jahren wuchs hier, wo einst viel Wald und G'stätten war, ein Olympiapark mit 14 Stadien, zwei Medienzentren, einem großen Hotel und dem Athletendorf aus dem Boden.

Stadt der Spiele

Einiges ist immer noch am Wachsen, insgesamt aber scheinen die Brasilianer diesbezüglich relativ weit. Joaquim Monteiro, der Chef der städtischen Olympia-Agentur, hat der österreichischen Delegation denn auch recht stolz Bericht erstattet. "Es gibt zwei Möglichkeiten", sagte Monteiro. "Entweder eine Stadt dient sich rein den Spielen an, oder eine Stadt hat auch selbst etwas von den Spielen." Das, nämlich zu profitieren, sei stets Rios Ziel gewesen. "Die Spiele sind ein Katalysator, um die Stadt zu verändern. Rio wird nach den Spielen ganz anders aussehen."

Ein Beispiel, bitte! Monteiro tischt Zahlen auf, die den Verkehr betreffen. Derzeit, sagt er, hätte nur jeder fünfte Carioca, jeder fünfte Einheimische also, Zugang zu Öffis, 2017 sollen es 63 Prozent sein. Der Mann klingt überzeugend, weil er selbst unglaublich überzeugt wirkt. "Ich werde mein Auto verkaufen", sagt er. Und immer wieder kommt sein Mantra: "It's not an illusion, it's reality!"

Stadt der Krise

Also alles super? Mitnichten. Schließlich wird Brasilien von einer wirtschaftlichen Krise gebeutelt, die sich gewaschen hat. Der Real, die Landeswährung, ist immer weniger wert, die Kaufkraft sinkt. So ist die Nachnutzung einiger Stadien zumindest fraglich. Aus Teilen der Handball-Arena immerhin sollen vier Schulen errichtet werden. Aber die Basketball-Halle, die Judo-Halle, die Schwimm-Halle and so on? Olympia-Chef Monteiro redet von Kongressen, die hier stattfinden sollen. "Welche Veranstaltung auch immer Sie planen, hier kann sie stattfinden."

Stoss und Mennel verfolgen die Ausführungen, sie nicken. Auch sie sind Verkäufer des olympischen Produkts. Rio soll ein Erfolg werden. Doch ist es ein Wunder, dass von den exklusiven Appartments im Athletendorf in Barra noch keine zehn Prozent für spätere Wohnzwecke verkauft sind? Die Rede ist von 3604 Wohnungen, 79 bis 160 Quadratmeter groß, verteilt auf 31 Hochhäuser. 10.000 Sportler und 8000 Betreuer werden hier während der Spiele wohnen. Und danach? Den Quadratmeterpreis von 2500 Euro kann sich kaum jemand leisten. Und die Olympier dieser Welt können sich nicht überall einmieten, schon gar nicht auf Dauer. Auch das ist die Wirklichkeit. (Fritz Neumann, 30.11.2015)