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Laut dem UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR wird es die Novelle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – hier in einer WG der Caritas – großteils verunmöglichen, Mutter, Vater und Geschwister nachzuholen.

foto: apa/neubauer

Wien – Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) lässt an der von der Bundesregierung geplanten Asylnovelle nach wie vor kein gutes Haar: Die zur Diskussion stehende Neuregelung, die, wie berichtet, eine Überprüfung aller positiven Asylbescheide nach drei Jahren vorsieht (" Asyl auf Zeit") und mit der der Familiennachzug Schutzberechtigter erschwert werden soll, sei "ein Bürokratiemonster". Dieses drohe, die Asylbehörden vollends zu überlasten – sagte Wehsely vergangene Woche im ORF-Fernsehinterview.

Den betroffenen Flüchtlingen wiederum räume die geplante Novelle erneut kein verbrieftes Recht auf Deutschkurse und andere Integrationsmaßnahmen ein, weitete die Stadträtin ihre Kritik dem Standard gegenüber aus: "Was nach wie vor fehlt, sind verpflichtende Integrationsmaßnahmen", hieß es aus ihrem Büro.

Derzeit nur "Kann-Bestimmung"

Letzteres ist auch in der Stellungnahme des Amtes der Wiener Landesregierung im Begutachtungsverfahren für die Asylnovelle zu lesen, die am Montag endete: "Der Zugang zu Maßnahmen der Integration darf nicht wie derzeit nur von einer Kann-Bestimmung' abhängig sein", heißt es da gleich zu Beginn. Und er dürfe nicht auf Asylberechtigte beschränkt sein, sondern müsse Asylwerber mit einschließen, ergänzt man im Büro Wehsely. "In Wien starten jetzt daher Deutschkurse in der Grundversorgung".

Die Meinung des Landes Wien zur Asylnovelle insgesamt ist eindeutig: "Der Entwurf wird zur Gänze abgelehnt". Damit reiht sich diese Stellungnahme in eine Vielzahl ablehnender bis kritischer Begutachtungsbeiträge ein: Vom UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR und vielen anderen Flüchtlingshilfsgruppen über den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag und die Volksanwaltschaft hin zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) herrscht ausgeprägte Skepsis.

Viele Berufungen erwartet

Komme es in Anwendung von "Asyl auf Zeit" künftig zu mehr Asylaberkennungen, so sei "aufgrund der damit verbundenen massiven Konsequenzen für die Betroffenen davon auszugehen, dass diese Personengruppe Rechtsmittel ausschöpft", heißt es in der VwGH-Stellungnahme.

Laut Novellenerläuterungen sei ab 2019 mit bis zu 2500 Aberkennungsverfahren pro Jahr zu rechnen. Für den VwGH werde allein das zu rund 500 zusätzlichen Revisionsverfahren jährlich führen. Hinzu würden rund 250 Berufungen subsidiär Schutzberechtigter kommen, die Asyl einklagen, um in den ersten drei Monaten nach Anerkennung ihre Familie ohne Einkommensnachweis nachholen zu dürfen. Mache zusammengenommen rund 500.000 Euro Zusatzkosten jährlich.

"Geringere Anzahl von Nachziehenden"

Klare Ablehnung von Einschränkungen des Rechts aus Familiennachzug kommt vom UNHCR. Wie im Vorblatt zum Entwurf zu lesen sei, ziele diese Maßnahme auf eine "geringere Anzahl von Nachziehenden" ab: eine massive "Beschneidung des Rechts auf Familienleben". Darunter würden vor allem unbegleitete Minderjährige leiden, die "besonders auf familiären Beistand angewiesen sind".

Die Asylnovelle wird nun dem parlamentarischen Innenausschuss zugewiesen. Konkreten Termin gibt es laut Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun noch nicht. Korun will ein öffentliches Hearing hinsichtlich der Novelle einfordern. (Irene Brickner, 1.12.2015)