Innsbruck/Wien – Innsbrucker Kardiologen, einer der Experten arbeitet wissenschaftlich auch am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien, haben eine vollständige Infarktausheilung bei einem Neugeborenen beobachten können. An Mäusen gibt es Versuche mit vergleichbaren Mechanismen, teilte das IMBA am Donnerstag in einer Aussendung mit.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Einen geschädigten Herzmuskel wieder ausheilen zu können, wäre das Ziel aller Ziele in der Kardiologie. Bei Fischen und neugeborenen Mäusen ist das möglich. Unklar war aber bisher, ob sich auch menschliche Herzen regenerieren können.

Die Innsbrucker Kardiologen Bernhard Haubner und Johanna Schneider (Universitätsklinik) haben jetzt zum ersten Mal bei einem Säugling die vollständige klinische und funktionelle Regeneration des Herzens nach einem akuten Infarkt beschrieben. Das Neugeborene erlitt bereits in der ersten Stunde seines Lebens einen massiven Herzinfarkt, verursacht durch den Verschluss eines wichtigen Herzkranzgefäßes. "Das Herz des Babys war schwer geschädigt. Erstaunlicherweise erholte es sich aber sehr schnell wieder", berichteten die beiden Experten in der Fachzeitschrift "Circulation Research". Haubner arbeitet wissenschaftlich zu diesem Thema auch am IMBA in Wien.

Entdeckung mit Potenzial

"Eineinhalb Monate nach seiner schweren Erkrankung konnten wir das Kind mit normaler Herzfunktion entlassen. Diese Beobachtung beweist, dass sich ein menschliches Herz nach einer massiven Schädigung vollständig erholen kann", sagte dazu Jörg-Ingolf Stein, Leiter der Kinderkardiologie an der Meduni Innsbruck. Das sei eine Entdeckung mit riesigem Potenzial. Jährlich sterben 17 Millionen Menschen weltweit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, allein in der EU sind es zwei Millionen Todesfälle.

Bei einem Infarkt sterben Herzmuskelzellen ab, die vom Körper durch Narbengewebe ersetzt werden. Dieses kann aber keine Pumpleistung erbringen. Das Herz ist in seiner Funktion eingeschränkt, es kann zu Herzmuskelschwäche kommen. Einmal verlorene Herzmuskelzellen konnten sich bei Erwachsenen bisher nicht effizient regenerieren, trotz innovativer Ansätze wie etwa Versuchen mit Stammzelltherapie.

Forscher wissen aber aus der Tierwelt, dass eine lebenslange Regeneration des Herzens prinzipiell möglich ist, wie etwa bereits bei Fischen beobachtet. "Wir waren, zeitgleich mit einer Gruppe aus Texas, die ersten, die eine vollständige Herzregeneration nach klinisch relevantem Herzinfarkt auch bei Mäusen beschrieben haben. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Mäuse nicht älter als eine Woche sind", sagte Bernhard Haubner. "Was bei unseren neugeborenen Mäusen möglich war, haben wir nun auch bei einem neugeborenen Menschen beobachten können. Der Schluss liegt daher nahe, das dieselben Mechanismen bei Mensch und Maus für eine Regeneration von Herzmuskelzellen sorgen."

Penninger: "Alle Kardiologen träumen davon"

IMBA-Direktor Josef Penninger betonte die potenziell enorme Bedeutung solcher Beobachtungen und Forschungsarbeiten: "Alle Kardiologen der Welt träumen davon, die volle Funktionstüchtigkeit geschädigter Herzen wiederherstellen zu können, und wir haben gesehen, dass es prinzipiell funktioniert. Wenn wir also die Mechanismen der Herzregeneration bei der Maus und in weiterer Folge beim Menschen lückenlos aufklären, könnten wir gezielt die Regeneration von Herzmuskelzellen aktivieren oder fördern." (APA, 10.12.2015)