Wien – Mit drei großen musikalischen Produktionen verabschiedet sich Markus Hinterhäuser 2016 vom Festwochenpublikum. Der Intendant wechselt danach als Leiter der Festspiele nach Salzburg. Der Begriff der "Freiheit" steht im Zentrum: Für Beethovens Fidelio (musikalische Leitung: Marc Minkowski) konnte der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov verpflichtet werden, der erstmals in Österreich arbeiten wird. Die Oper Frankfurt gastiert mit Die Passagierin, einer von Mieczyslaw Weinberg nach dem Roman der KZ-Überlebenden Zofia Posmysz komponierten Oper (musikalische Leitung: Leo Hussain). Die Konzertreihe "Wehe den eiskalten Ungeheuern" bündelt ebenfalls musikalisch angestrebte Freiheitsgedanken. Christoph Marthaler erzählt mit dem Musiktheater Isoldes Abendbrot in der Halle G eine Geschichte des Verschwindens – mit Anne Sofie von Otter in der Titelpartie.

Die für das diesjährige Schauspielprogramm verantwortliche Leiterin des Moskauer Net-Festivals, Marina Davydova, bewies in ihrer Präsentationsrede bei der Pressekonferenz Herzblut fürs Theater. Theater sei ein Synonym für Freiheit und für sie deshalb zur wichtigsten Kunstgattung geworden. "Vergessen Sie, dass ich aus Russland komme", sagte sie, nationalistischem Denken vorbeugend. Sie habe deshalb absichtlich auch keinen Schwerpunkt auf russisches Theater gelegt. Stattdessen zeigt sie einen "Blumenstrauß" europäischen Theaters. Mit Konstantin Bogomolovs Ein idealer Gatte. Komödie reisen immerhin viele Moskauer Schauspielstars nach Wien (Premiere am 25. Mai). Und den Weg aus Nowosibirsk tritt Timofej Kuljabin mit den Drei Schwestern an (ab 27. Mai).

Insbesondere pries Davydova die Formenvielfalt des zeitgenössischen Theaters, das das Schauspielprogramm 2016 prägt. Es beginnt mit einem All-Time-Favourite der Festwochen, Frank Castorf, der am 13. Mai mit Andrej Platonow vom Schauspiel Stuttgart den Festivalauftakt liefert. Die ukrainische Frauenband Dakh Daughters gastiert mit Roses, einem Freak-Kabarett über postsowjetische Tragödien. Jan Fabre zeigt einen 24-Stunden-Theatermarathon, Mount Olympus, bei dem in der Halle E auch übernachtet werden kann.

Gewöhnliche Menschen

Uraufführungen kommen von Kornél Mundruczó (Scheinleben) und Oliver Frljic (Unsere Gewalt und eure Gewalt). Die rumänische Regisseurin Gianina Carbunariu stellt sich erstmals in Wien mit Gewöhnliche Menschen vor, einem Schauspiel, für das sie Whistleblower zu ihren Aufdeckungen im Gesundheitswesen interviewt hat. Ein Bildertheater zeigt Andriy Zholdak nach dem Roman Solaris von Stanislaw Lem; aus Teheran kommt Mahin Sadris Die Anpassung; aus Lissabon Tiago Rodrigues' Performance By heart, Dimitris Papaioannous Primal Matter aus Athen und aus Vilnius Gorkis Nachtasyl in der Regie Oskaras Korsunovas. Die Gruppe Stereoptik aus Vendôme zeigt das Objekttheater Dark Circus. Simon McBurney gastiert mit The Encounter, David Espinosa aus Barcelona baut im Brut das Figurentheater Mein großes Werk (ein ehrgeiziges Projekt) auf. Am Schauspielhaus Wien zeigen Falk Richter und Nir de Volff Città del Vaticano. Das Schauspiel Hannover gastiert mit Heiner Müllers Der Auftrag (Regie: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner).

Wie schon bekannt, zeigen Signa/Arthur Köstler die tierische Parallelwelt Wir Hunde. Eine Filmreihe ist Susan Sontag gewidmet. (afze, 16.12.2015)