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Daumen hoch: Arsen Awakow, Petro Poroschenko und Micheil Saakaschwili bei einer Schwurzeremonie neuer Streifenpolizisten in Odessa im August 2015.

Foto: AP/Mykhailo

Für Zwischenfälle aktionistischer oder auch gewalttätiger Natur ist so manches Parlament der Welt bekannt, kaum eines jedoch in der Regelmäßigkeit, wie dies bei der Werchowna Rada in Kiew der Fall ist. Dort fliegen beinahe schon traditionell die Fäuste zwischen den Abgeordneten. Deswegen wäre es naheliegend, auch den Vorfall zwischen Oleh Barda, einem Abgeordneten des präsidentiellen Poroschenko-Blocks und dem Premier Arseni Jazenjuk vergangene Woche als weitere innenpolitische Episode in einem Land mit unterentwickeltem Demokratieverständnis abzuhaken.

Dass diese Einschätzung viel zu kurz greift, zeigt der Eklat zwischen Innenminister Arsen Awakow und dem Gouverneur von Odessa Micheil Saakaschwili bei einer Sitzung des Nationalen Reformrates vor der versammelten politischen Elite des Landes.

Awakow unterstehen als Innenminister die paramilitärischen, zum Teil rechtsextremen "Freiwilligenbataillone", die auf seinen Erlass hin in die ukrainische Nationalgarde eingegliedert wurden. Dass jemand, der sich offensichtlich nicht im Griff hat, bewaffnete Truppen befehligt, ist eine höchst beunruhigende Vorstellung.

Saakaschwili wiederum, der von Petro Poroschenko als "Reformer" ins Land geholt wurde und die Macht der Oligarchen beschränken soll, wird in seiner Heimat Georgien wegen Korruption per Haftbefehl gesucht. Der georgische Ex-Präsident ist in diesem Machtkampf zwischen den zerstrittenen Lagern offenbar Poroschenkos Strohmann für das Premiersamt. Amtsinhaber Jazenjuk, sein Gegner in diesem kalten Krieg, ist längst angezählt und ohne Rückhalt in der Bevölkerung.

Die beiden Streitparteien bezichtigen sich gegenseitig der Korruption und des Diebstahls, und als politischer Beobachter ist man geneigt, in diesem Punkt beiden Seiten Glauben zu schenken. Nicht umsonst lag das Land im internationalen Korruptionsindex zuletzt nur auf Platz 142, gleichauf mit Uganda.

Die EU hält Kiew trotzdem unbeirrt die Treue. Ab Neujahr soll zwischen Brüssel und Kiew ein Freihandelsabkommen in Kraft treten. Am kommenden Montag findet in der EU-Hauptstadt ein weiteres Krisentreffen zwischen der EU, der Ukraine und Russland statt. Die Verantwortlichen in Brüssel würden gut daran tun, bei der Gelegenheit ihre unzuverlässigen ukrainischen Vertragspartner einer gründlichen Kopfwäsche zu unterziehen. (Michael Vosatka, 17.12.2015)