Alte Bauernhöfe und windschiefe Holzstadln, Kuhställe und Pferdekoppeln verteilen sich auf der einstündigen Ortsumrundung malerisch in die Gegend. Es riecht herrlich nach Land und Frischluft und tatsächlich muhen ein paar Kühe und kräht ein Hahn, wenn abends die letzte Sonne hinter dem Berg verschwindet.

Foto: Der Seehof

Die Szenerie wie aus einem Wimmelbuch: Mitten im Ort liegt die hübsche Kirche, gleich daneben das weißgetünchte Schloss, rundherum die Pongauer Berge, die schon angeschneit sind und davor der Goldegger See. Kinder mit Pudelmützen auf dem Spielplatz, Paare beim Spaziergang mit Hunden an der Leine oder einen Kinderwagen schiebend. Am Ufer des Goldegger Sees mit seinem schon vom Raureif überzogenem Schilfgürtel liegt auch der örtliche und noch sattgrüne Fußballplatz, der an diesem Adventsonntag von der winterlichen Nachmittagssonne beschienen wird. Auch sieht man auf diesem Fußballplatz neun junge Männer, die noch immer in kurzen Hosen spielend einem Fußball hinterherjagen.

Stille Pongauer Schönheit

"Unsere Flüchtlinge", sagt Jakob Hintersteininger im Vorbeifahren stolz, er selbst ist gebürtiger Goldegger, gelernter Jurist und seit nunmehr drei Jahren Personalchef für die rund hundert Mitarbeiter aller Unternehmungen des Sepp Schellhorn, der neben seinem angestammten Hotel und Gasthaus Seehof in Goldegg, auch noch drei Skihütten in Gastein und das M32 am Salzburger Mönchsberg betreibt. Irgendwann im Juni dieses Jahres war Hintersteininger dann auch Flüchtlingsbeauftragter, erzählt der 33-Jährige und lacht.

Alte Bauernhöfe und windschiefe Holzstadln, Kuhställe und Pferdekoppeln verteilen sich auf der einstündigen Ortsumrundung malerisch in die Gegend. Es riecht herrlich nach Land und Frischluft, und tatsächlich muhen ein paar Kühe und kräht ein Hahn, wenn abends die letzte Sonne hinter dem Berg verschwindet. Auch die Jungs vom Fußballplatz sind nicht mehr zu hören und haben sich verzogen. Die weihnachtliche Beleuchtung dreht sich nach und nach an und am Ende des Höhenrundwegs ist klar, dass Goldegg eine stille Pongauer Schönheit ist, deren pochendes Herz sehr wahrscheinlich der Seehof ist.

Der Herr Frühstücksdirektor

Es ist eines jener raren Hotels, in denen die Frau des Hauses, Susi Schellhorn, im Hintergrund dafür Sorge trägt, dass die alten Gemäuer durch liebevolle Details und viel Geschmack mit Leben erfüllt werden. Wohltuend schmeckt die Kräutertee-Eigenmischung am Kamin im samtenen Fauteuil, der Blick ruht auf Kunst an den Wänden, zu Füßen liegt Hermann, "Herr Frühstücksdirektor" genannt, ein mittlerweile einäugiger Mops mit ungefähr so viel Charakter wie der Seehof selbst. Gerade waren an der Hausbar der Nikolaus und seine zotteligen Krampus-Gefährten, die in Goldegg mit schiachen Masken die Hausgäste in der Stube ein bisschen zum Zittern bringen.

Bekannt ist der Seehof in Goldegg aber durch seinen Wirt. Sepp Schellhorn, der hier im elterlichen Betrieb aufgewachsen ist, in einer Gegend, wo Männer im Haus gerne auf Zielscheiben schießen, wenn es draußen mit dem Jagen vorbei ist (der Seehof huldigt diese Tradition mit dem jährlichen und bei Stammgästen beliebten Nikolaus-Schießen), poltert mittlerweile nicht nur für die Neos im Parlament, sondern hat sich auch durch sein Engagement für Flüchtlinge einen Namen gemacht.

Ersatzquartier in Goldegg

Viel war in Zeitungen über den Widerstand des Gasteiner Bürgermeisters zu lesen, der 36 Flüchtlinge, die Schellhorn in seinem Gasteiner Haus Lydia untergebracht hatte, schnell wieder loswerden wollte. Von dem unermüdlichen Einsatz zeugen vor allem zehn A4-Seiten ausführlicher Tagebuchaufzeichnungen von Jakob Hintersteininger, der von Beginn an und als rechte Hand von Schellhorn für das Wohl der Flüchtlinge zuständig war. Im November war dann klar, dass die Asylsuchenden trotzdem ihre Herberge verlassen müssen. Ersatzquartier wurde in Schellhorns Heimatgemeinde Goldegg gefunden.

Für die 15 verbliebenen Flüchtlinge (einige sind in St. Veit untergebracht) ist jetzt die Pfarre Goldegg Quartiergeber. Der Jungscharturm des Schlosses wurde adaptiert und an den Adventwochenenden gehören die jungen Flüchtlinge, unter ihnen Sharif aus Afghanistan, Zerab aus Syrien oder Nabile aus Somalia am Weihnachtsmarkt schon zum Ortsbild, auch am Fußballplatz.

Die Leute, die alles mittragen

"In Goldegg herrscht eine andere Kultur als in Gastein", sagt Schellhorn und wird dafür sorgen, dass die Deutschkurse und die Koch- und Serviceschulungen für seine Schützlinge weiterlaufen. Er sitzt im Blauen Salon des Seehofs, dort wo die Familie gerne Freunde und Gäste zum Abendessen versammelt, wo in den Hochzeiten Schauspieler, Künstler und Literaten Urlaub machen und gestern noch ein Stammgast den Seehof als "Haus für Freunde" bezeichnet hat. Sepp Schellhorn zeigt auf Florian im Service, der dem Chef gerade einen Espresso bringt: "Das sind die Leute, die alles mittragen!" und meint seine Mitarbeiter, die ausländische Arbeitskräfte mitschulen.

Dass Schellhorns Engagement für Flüchtlinge eine gewachsene Sache ist, beweist zum Beispiel Rezai Zaman Mohamed, ein Afghane, der als Tellerwäscher vor zehn Jahren bei Schellhorn auf der Skihütte begonnen hat und heute Sous-Chef im M32 in Salzburg ist. Oder Barat, der lange Hausmeister im Seehof war und heute als Krankenpfleger mit Frau und Kindern in Goldegg lebt. Oder Shavez, der zurzeit im Seehof-Restaurant "Hecht!r120" im Service arbeitet. Dort kommt, so das Konzept, das Susi und Sepp Schellhorn von einer Inspirationsreise nach Skandinavien mitgebracht haben, nur Regionales aus 120 Kilometer Entfernung auf den Teller. Auf dem so genannten "Chefstable", der gerne gebucht wird, kann man Rudi Pichler und seinem Team auch beim Kochen zuschauen.

Mitmenschlichkeit in jeder Hinsicht

Wer große Saunalandschaften erwartet, wird vergeblich suchen, aber draußen vor der Tür kilometerlange Langlaufloipen und Skipisten finden und einen malerischen See. Beim Heimkommen in den Seehof empfangen einen gediegene Gastlichkeit mit reihenweise Regalen voller Gesamtausgaben von Brecht bis Proust, Literaturwochenenden, Kunstevents oder Detox-Yoga, wie etwa Ende Februar. Und: eine Menge Mitmenschlichkeit, in jeder Hinsicht.

Am 24. Dezember laden Susi und Sepp Schellhorn die 15 Flüchtlinge aus dem Jungscharturm in den Seehof ein. "Wir profitieren nicht nur von denen, die mit Geld zu uns kommen", sagt Sepp Schellhorn, "sondern auch von denen, die ohne Geld zu uns kommen." Nachsatz: "Wenn wir sie richtig integrieren!" (Mia Eidlhuber, 24.12.2015)