Christian Kircher hat derzeit gut lachen. Mit seiner Bestellung zum neuen Bundestheater-Holding-Chef hat der Kärntner selbst nicht gerechnet. Von der Politik erwartet er sich klare Entscheidungen.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Am 10. Dezember zauberte Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) eine Überraschung aus dem Hut: Christian Kircher, seit 2005 Finanzdirektor des Wien-Museums, wird mit 1. April 2016 Geschäftsführer der Bundestheater-Holding. Der Kärntner wacht damit über die Finanzen von Staatsoper, Volksoper und Burgtheater, trägt Verantwortung für 1500 Mitarbeiter. Mit Vorschusslorbeeren wurde nicht hinter dem Berg gehalten, auch die Oppositionsparteien verhielten sich ruhig bis lobend.

STANDARD: Haben Sie Ihre Neujahrsvorsätze schon angepasst?

Kircher: Also eigentlich mache ich mir generell keine Neujahrsvorsätze. Vorsätze sollte man sich sowieso während des ganzen Jahres nehmen, wenn es gerade passt.

STANDARD: Sie waren über Ihre Ernennung überrascht. Heißt das, dass Sie sich nicht für den besten Kandidaten gehalten haben?

Kircher: Ob ich der Beste bin, das wird sich wohl auch zeigen. Die Überraschung war, dass die Entscheidung wohl aufgrund meines Lebenslaufs erfolgte und nicht andere Dinge eine Rolle spielten.

STANDARD: Welche Dinge?

Kircher: Na ja, ich habe bisher kein Naheverhältnis zum Minister gehabt und bin nicht im Theater groß geworden. Ich habe mir schon gedacht, dass auch solche Dinge ausschlaggebend sind.

STANDARD: Der Wiener Kulturstadtrat war ja offenbar nicht sehr begeistert über Ihren Weggang aus dem Wien Museum. War Ihre Arbeit dort ausschlaggebend?

Kircher: Mit Sicherheit. Wir haben gute Arbeit geleistet in den letzten Jahren. Natürlich steht jetzt dieser große Umbau an und daher kommt mein Wechsel ein wenig zur Unzeit aus der Sicht des Stadtrats. Es tut ihm wahrscheinlich auch leid, weil ich viele Jahre dieses Projekt mitgetragen habe.

STANDARD: Wann ist der Entschluss zur Bewerbung gefallen?

Kircher: Sehr spät, drei Tage vor Bewerbungsschluss. Es gab schon auch eine Einladung, mich zu bewerben – von einer Kollegin aus dem Ministerium, mit der ich darüber gesprochen hatte.

STANDARD: Nach der Matura haben Sie in Ihrer Heimat Kärnten an archäologischen Grabungen mitgearbeitet. Oppositionspolitiker behaupten, in der Causa Burgtheater werde eher zu- als ausgegraben. Wie viel forensischen Eifer wollen Sie denn da an den Tag legen?

Kircher: Ich glaube, in der Sache Burgtheater wurde alles ausgegraben. Es geht jetzt nicht mehr ums Zudecken, die Dinge liegen auf dem Tisch. Da ist vieles aus dem Ruder gelaufen, das ist klar.

STANDARD: Was genau?

Kircher: Ein grundsätzlicher Fehler war, dass die künstlerische Planung nicht in Einklang mit den budgetären Möglichkeiten stand. Und dann gab es wohl Geschäftspraktiken wie beleglose Bargeldzahlungen, die in einem modernen Kulturbetrieb keinen Platz haben dürfen. Da habe ich bis jetzt aber nur den Wissensstand aus diversen veröffentlichten Berichten.

STANDARD: Haben Sie mit den Beschuldigten Matthias Hartmann, Silvia Stantejsky und Georg Springer über die Causa gesprochen?

Kircher: Nein.

STANDARD: Sollte sich im Falle Hartmanns herausstellen, dass er unschuldig ist, wird es dann einen Vergleich geben?

Kircher: Es ist zu früh, über einen Vergleich zu sprechen. Man kann ja den Ausgang der Untersuchungen nicht vorwegnehmen.

STANDARD: Ausschlaggebend für Ihre Zusage war auch die Erhöhung der Basisabgeltung. Von 20 neu zu verteilenden Millionen im Kulturbudget fließen 14 direkt in die Bundestheater. Und das nach einem Finanzskandal. Verstehen Sie da den Unmut kleinerer Kultureinrichtungen, die leer ausgehen?

Kircher: Die Erhöhung der Basisabgeltung für die Bundestheater darf man nicht unmittelbar mit dem Finanzskandal in Verbindung bringen. Die Theater haben seit vielen Jahren keine Erhöhung mehr bekommen. Aber auch dort muss die Abgeltung erhöht werden, wenn Sparpotenziale ausgeschöpft sind und die Personalkosten jedes Jahr steigen. Aber ja, ich verstehe natürlich auch, dass kleinere Institutionen auf dieses Geld schielen. Aufgrund meiner Biografie versuche ich aber, nicht die großen von den kleinen zu trennen. Es geht darum, in Summe für die Kultur das nötige Geld zu erkämpfen.

STANDARD: Sie stört also der innerkulturelle Verteilungskampf?

Kircher: Ja. Die großen Bundestheater haben wahrscheinlich ein anderes Selbstverständnis, aber auch andere Verpflichtungen der Öffentlichkeit gegenüber als kleine Initiativen.

STANDARD: Brauchte es eine Aufstockung des österreichischen Kulturbudgets?

Kircher: Als Kulturmanager muss ich die Frage mit "ja" beantworten. Kultureinrichtungen werden aber gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels vermehrt die Frage nach der Legitimation Ihres Tuns zu beantworten und haben.

STANDARD: Sie haben auch durch ihre künstlerische Tätigkeit als Chorsänger sicherlich Einblick in die Gehaltsstrukturen von Kultureinrichtungen von oben bis unten. Gibt es da Verteilungsungerechtigkeit in ihren Augen?

Kircher: Ich glaube, bei den Bundestheatern gibt es grundsätzlich solide Beschäftigungsverhältnisse. Und dazu stehe ich und die will ich auch weiterhin schaffen. Prekäre Arbeitsverhältnisse tun auch Führungskräften weh, wenn es sie gibt.

STANDARD: Das Bundestheatergesetz wurde nach der Causa Burgtheater geändert. Die Bühnen müssen von Ihnen bei der Verteilung der Mittel nur noch "angehört" werden, es muss aber kein "Einvernehmen" bestehen, so wie es bisher im Gesetz stand. Eine entscheidende Änderung?

Kircher: Mit Sicherheit, ja. Trotzdem glaube ich, dass man versuchen sollte, langfristig doch Einvernehmen herzustellen. Es ist ja nicht so, dass von oben ein Budget übergestülpt wird. Da bin ich, glaube ich, so sachorientiert, dass ich ein für alle nachvollziehbares Budget erstellen kann. Dieses muss ich ja auch verantworten.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: In einem Kommentar für den Standard vom März 2014 schreiben Sie: "Wenn vonseiten der Kulturpolitik und der Öffentlichkeit mehr Leistung gewünscht wird, sind die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Wenn es nicht mehr Mittel gibt, ist die Leistung zu reduzieren." Noch Ihre Meinung?

Kircher: Dem ist nichts hinzuzufügen. Da glaube ich eben auch an die Entscheidungshoheit der Politik. Es gibt kein Anrecht der Kultureinrichtungen darauf, immer mehr und größer zu produzieren.

STANDARD: Hat die Politik da versagt?

Kircher: Die Politik hat mitgetragen, dass immer mehr geleistet wurde.

STANDARD: Aber die Mittel wurden nicht zur Verfügung gestellt.

Kircher: Ja. Weil in den letzten 10-15 Jahren mit Sicherheit höhere wirtschaftliche Maßstäbe in den Häusern angewandt wurden. Man hat mit weniger Mitteln, mehr gemacht – was grundsätzlich ja positiv ist. Das ist ein Zeichen, dass gewirtschaftet wurde. Die Frage ist immer nur, wo die Grenze ist – ob man nicht vielleicht schon zu viel produziert hat.

STANDARD: Hat man das?

Kircher: Teilweise ja. Künstlerische Direktoren treten an, um ihr Potenzial auszuspielen. Aus ihrer Sicht verständlich.

STANDARD: Sie sind zuversichtlich, dass sich das unter Minister Ostermayer zum Besseren wendet?

Kircher: Ich bin zuversichtlich, dass man mit ihm über das Gesamtpaket sprechen kann. Er wird nicht sagen: "Hurrah, macht’s immer mehr und wir zahlen das". Ich beabsichtige, darüber zu sprechen, an welchen Schrauben zu drehen ist.

STANDARD: Auch darüber, dass Leistungen zu reduzieren sind?

Kircher: Das ist ja teilweise schon passiert. Das Burgtheater macht weniger Premieren als vor vier Jahren. Und das Burgtheater macht es gut. Darüber muss man nur offen sprechen, alles andere wäre verlogen.

STANDARD: Sehen Sie sich eher den Vorstellungen der Bühnen oder jenen des Ministers verpflichtet?

Kircher: Das ist das Schwierige an dieser Position. Sie ist ein Bindeglied. Schlussendlich muss der Eigentümer dafür Verantwortung tragen, dass in wirtschaftlichen Belangen Ruhe herrscht. Insofern fühle ich mich dem Eigentümer verpflichtet. Von der künstlerischen Seite her schlägt mein Herz für die Bühnen. Diesen Spagat zu nehmen, das bin ich gewohnt.

STANDARD: Angenommen, die Politik ist weder bereit, mehr Mittel aufzustellen, noch bei der Leistung zu reduzieren. Würden Sie auch mit Rücktritt drohen?

Kircher: Also drei Monate bevor ich das Amt antrete, von Rücktritt zu sprechen ist eindeutig ein bisschen früh. Mit so einem Szenario würde ich mich beschäftigen, wenn es so weit wäre – jetzt ehrlich gesagt nicht.

STANDARD: Der Gesetzgeber hat sich auch die Möglichkeit eines zweiten Holdinggeschäftsführers vorbehalten. Halten Sie so etwas für sinnvoll?

Kircher: Grundsätzlich sehe ich mich als Teamspieler. Es ist nicht mein Wunsch als Alleinherrscher aufzutreten. Die Doppelspitze hätte sicher Vorteile, aber es gibt eben derzeit die Entscheidung mit einer Spitze und das nehme ich so an.

STANDARD: Wären Sie also auch bereit, in einer Doppelspitze zu agieren?

Kircher: Ja, warum nicht?

STANDARD: Auch die Aufsichtsräte wurden reformiert und verkleinert.

Kircher: Ja, sie wurden angeglichen. Es gibt jetzt Leute, die in allen Bühnen in den Aufsichtsräten sitzen und dadurch die Vergleiche haben, das ist gut so.

STANDARD: Gestärkt hat der Minister auch sich selbst, er bestellt jetzt alle Geschäftsführer. Halten Sie das für sinnvoll?

Kircher: Ja, weil ich glaube, dass Politik auch Verantwortung übernehmen muss. Und der Minister tut das. Er wird sicherlich nicht gegen jede Logik agieren, maximal gegen die ein oder andere Empfehlung. Aber ich halte ihn für so klug, dass er alle Argumente anhört.

STANDARD: Jetzt ist das vielleicht ein Gesetz, das Ostermayers Regierungsstil entspricht. Ein Minister mit geringerer Leadership-Qualität könnte darüber stolpern.

Kircher: Ja, dann würde derjenige eben genau über dieses Wahrnehmen politischer Verantwortung stolpern.

STANDARD: Das Verhältnis zwischen Günter Rhomberg und Dominique Meyer galt als angespannt. Haben Sie mit Meyer schon gesprochen?

Kircher: Ja. Es war ein sehr freundliches und offenes Gespräch. Wir haben nicht über Günter Rhomberg, sondern über die Staatsoper gesprochen – meinen Zugang und seine Pläne.

STANDARD: Gings da auch schon um Budgetäres?

Kircher: Nein. Es war ein Kennenlerngespräch. Das habe ich mit allen Bühnenchefs geführt.

STANDARD: Der Vorstand der Wiener Philharmoniker, Andreas Großbauer, hat sich jetzt schon für eine Verlängerung von Meyer über 2020 hinaus stark gemacht. Schwingt da Sorge um eine Abberufung mit?

Kircher: Das müssen Sie den Herrn Großbauer fragen. Ich hatte auch mit ihm schon ein sehr freundliches Gespräch. Grundsätzlich ist es positiv, dass es eine gute Achse der Wiener Philharmoniker zur Staatsoper gibt.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass zwischen den Bühnenchefs und der Holding Porzellan zerbochen ist?

Kircher: Es gilt definitiv Vertrauen zurückzugewinnen. Es gibt eine berechtigte Sorge, wie es weiter geht. Das ist normal wenn ein neuer Holdingchef kommt.

STANDARD: Wurde bei der Gesetzesnovelle die Meinung der Bühnenchefs mitgedacht?

Kircher: Keine Ahnung, das kann ich nicht sagen.

STANDARD: Im Gesetz gibt es jetzt auch dreijährige Leistungs- und Zielvereinbarungen. Sinnvoll?

Kircher: Ja. Es gibt somit keine Überraschungen, sondern das gibt Planungssicherheit. Die Vereinbarungen bestehen sowohl zwischen Holding und Ministerium, wie auch zwischen Holding und den Bühnen. Dabei geht es um künstlerische und auch budgetäre Vereinbarungen.

STANDARD: Was fehlt Ihnen im Gesetz?

Kircher: Aus der Sicht eines Kulturbetriebes wäre natürlich der Idealzustand eine Valorisierung in der Höhe der steigenden Personalkosten. Das ist das, was man sich wünscht. Das ist nicht gekommen. Weil die nicht da ist, wird es uns nicht erspart bleiben, regelmäßige Verhandlungen mit dem Eigentümer zu führen.

STANDARD: Welchen Stil wollen Sie als Holding-Chef an den Tag legen? Ihr Vorvorgänger Georg Springer galt als eher exzentrisch.

Kircher: Es geht mir nicht darum, mich selbst in Szene zu setzen. Ich möchte das Vertrauen wiederherstellen. Auch gegenüber den Steuerzahlern. Da gab es ja zu Recht großen Unmut über die aufgezeigten Mängel.

STANDARD: Mit dem Schoenberg-Chor haben Sie auf den größten Bühnen Europas gesungen. Wird man Sie als singenden Holding-Chef erleben dürfen?

Kircher: Eher nicht, nein. Das wird mir fehlen, aber ich werde jetzt wohl mehr Hausmusik machen. (Stefan Weiss, 31.12.2015)