Am 11. Jänner soll das Haus im 14. Bezirk abgerissen werden.

Foto: Zoidl

Vom Erfolg seiner Aktion war Stocker selbst überrascht.

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Für fast alles finden sich Abnehmer – darunter viele junge Menschen.

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Was am Ende übrig bleibt, soll endgültig entsorgt werden.

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"Ich freue mich, dass ihr alle da seid", begrüßt Kurt Stocker um punkt 10 Uhr vormittags die ersten Gäste. Etwa 25 sind es bisher, aber laufend werden es mehr. Nun folgen sie ihm über ein paar Stufen hinein ins Haus: ein unscheinbares, mit grauen Schindeln bedecktes Gebäude, im 14. Wiener Gemeindebezirk inmitten von schmucken Einfamilienhäusern gelegen, Baujahr 1926.

Die Schuhe muss sich trotz Schneematsch niemand ausziehen. Hier wird nicht mehr geputzt: Heute findet ein Abriss-Flohmarkt statt, bei dem von Türen bis Dielenbrettern, Kanonenöfen und Möbeln alles verkauft wird, bevor am 11. Jänner der Abrissbagger anrollt.

Erst vor einer Woche erstellte Stocker das Event – den Flohmarkt im Elternhaus seiner Frau – auf Facebook. "Ich selbst habe nur vier Leute auf Facebook eingeladen", erzählt Stocker, der Pilot ist. Dann sei das Event aber regelrecht "explodiert", angekündigt haben sich am Ende 230 Menschen. Daher helfen Familie und Freunde mit, auch Zwetschkenpunsch wird ausgeschenkt. "Es ist unglaublich, wofür man Menschen begeistern kann", sagt Stocker.

Bilder und Trachtenjanker

Dort, wo früher das Wohnzimmer war, ist es um kurz nach zehn bereits gerammelt voll. Hier stapeln sich auf Klapptischen Schallplatten, kitschige Statuen und Bügeleisen. Daneben sind alte Radios aufgereiht. An der Wand hängen Bilder und Trachtenjanker. All das ist zu haben, vieles mit einem Preisschild versehen. Gehandelt wird trotzdem: 20 Euro will ein älterer Mann, der nach eigenen Angaben alles sammelt und weiterverkauft, für eine Schachtel Knöpfe zahlen. Stocker will mehr, am Ende einigt man sich. Der Sammler ist regelmäßig auf Flohmärkten unterwegs, auf einem solchen Abrissflohmarkt war er aber noch nie. "Eng ist es hier", meint er.

Das finden auch andere: Ein Mann beschwert sich gleich über die gesamte Organisation des Events bei Stocker. "Tut mir leid, ich mache das zum ersten Mal", sagt Stocker. Im Nebenzimmer steht seine Schwiegermutter Rosina Schindelegger. Sie ist für den Möbelverkauf zuständig. Zwei pinke Hocker und einige Sessel wurden bereits verkauft.

In der alten Küche stehen Kisten mit Einmachgläsern, zu haben um je 20 Cent. Selbst alte Türen und ein 130 Quadratmeter großer Bretterboden sollen verkauft werden. 40 Jahre hat Schindelegger im Haus gelebt, sentimental ist sie heute dennoch nicht: "Ich tausche alt gegen neu", sagt sie. Denn im neuen Haus von Tochter und Schwiegersohn wird es eine Einliegerwohnung für sie geben. Das Haus sei von der Substanz her nicht mehr mit modernen Wohnkonzepten vereinbar gewesen, sagt Stocker. Daher habe man sich für den Abriss entschieden. Das nächste Weihnachten will man schon im neuen Haus feiern.

Fleischwolf als Dekoration

Draußen stehen die Studenten Chris und Kathi. "So weit bin ich noch nie für einen Flohmarkt gefahren", sagt Kathi. Für sie hat es sich aber ausgezahlt: Chris hat eine alte Polaroid-Kamera ergattert. Ob sie funktioniert, weiß er noch nicht. "Aber zu dem Preis war mir das egal." Kathrin hat eine Küchenuhr aus Plastik und einen alten Bohrer erstanden, den sie als Dekoration verwenden will.

Ähnliches hat auch ein Mann vor, der einen alten Fleischwolf um acht Euro ergattert hat. An ihm vorbei trägt ein junges Paar ein Waffenrad, das in mehrere Teile zerlegt wurde. "Die Reifen sind gut, wir bauen uns das wieder zusammen", sagen sie.

Ein junger Mann schleppt indes einen Plattenspieler aus dem Haus, den er um 35 Euro gekauft hat. Mit Öffis wird er ihn nicht abtransportieren können, er hofft, dass ihn sein Bruder abholen kann. Falls der Plattenspieler am Ende doch nicht funktioniert, hat er auch schon einen Plan: "Dann verkaufe ich ihn um 50 Euro am Naschmarkt."

Was am Abend, nach Ende des Flohmarkts, noch da ist, will Stocker endgültig entsorgen – auch wenn er das nur sehr ungern macht. "Der Recycling-Gedanke ist mir wichtig", sagt er. Denn Abnehmer gibt es offensichtlich für so ziemlich alles. (Franziska Zoidl, 6.1.2016)