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Was heute noch eine Müllhalde ist, wird dereinst eine Fossilienlagerstätte sein, die für unser Zeitalter charakteristisch ist.

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Und auch diese Pracht wird in künftigem Gestein identifizierbare Spuren hinterlassen.

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Nottingham/Wien – Die strahlend weißen Klippen von Dover: zerriebene und angehäufte Kalkschalen winziger Meeresbewohner. Steinkohleflöze: die komprimierte Biomasse 300 Millionen Jahre alter Wälder. Immer wieder haben Lebewesen nicht nur einzelne Fossilien, sondern ganze geologische Schichten hinterlassen. Das wird bei einem derzeit besonders aktiven Organismus nicht anders sein – dem Menschen.

Im Zuge der anhaltenden wissenschaftlichen Debatte, wann das Anthropozän, also das vom Menschen geprägte Zeitalter, begonnen habe, legt eine aktuelle Studie im Fachblatt "Science" dar, wie stark wir uns bereits geologisch verewigt haben. Umwandlung von Natur- in Kulturlandschaften, Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehalts, Artensterben und interkontinentaler Austausch von Tier- und Pflanzenarten in großem Stil: All das sind vielbeforschte Themen, die auch in diese Studie Eingang fanden.

Das Team um Erstautor Colin Waters vom British Geological Survey wollte jedoch noch tiefer blicken. Die Forscher verweisen auf das – zumindest nach bisheriger Erdgeschichtsschreibung – gegenwärtige Erdzeitalter, das seit gut 11.000 Jahren bestehende Holozän. In ihrer Studie kommen die Autoren, die einer Arbeitsgruppe der Internationalen Stratigraphischen Kommission angehören, zum Schluss, dass sich die Gegenwart im engeren Sinne nicht nur an der Oberfläche, sondern tatsächlich bereits auch geologisch von diesem Holozän unterscheidet.

Geologischer Faktor Mensch

Die Studie enthält einige geradezu schwindelerregende Vergleichswerte. Der natürliche Abtransport von Sedimenten durch Flüsse etwa wird in seinem Ausmaß längst von der industriellen Förderung von Mineralien übertroffen. Allein schon die Menge des jährlich produzierten Betons kann mit der Stofftransportkapazität sämtlicher Flüsse weltweit mithalten. "Das ist schon ein Zahlenwert, der einem zu denken gibt", sagt der an der Studie mitbeteiligte Geologe Michael Wagreich von der Universität Wien.

Und es geht noch beeindruckender. Denn in Form von Legierungen, Kunststoffen und anderen "Technofossilien" stellen wir auch massenweise Materialien her, die es bis dahin noch nicht gegeben hat. Laut der Studie erzeugt unser Zeitalter so viele Lagerstätten neuer "Mineralien", wie es sie seit der sogenannten Großen Sauerstoffkatastrophe vor 2,4 Milliarden Jahren nicht mehr gegeben hat. Dieser Vergleich ist keine Kleinigkeit: Damals wandelten photosynthesebetreibende Mikroben die Atmosphäre in ihre heutige Form um – der bis dato wohl schwerwiegendste Eingriff des Lebens in die Erdgeschichte.

Ebenso gewaltig ist der menschliche Einfluss auf die Stoffkreisläufe. Insbesondere die beiden Elemente Stickstoff und Phosphor wurden und werden aufgrund von Düngemitteleinsatz einer massiven globalen Umverteilung unterzogen. Man muss möglicherweise 2,5 Milliarden Jahre zurückgehen, um einen ähnlich großen Einflussfaktor auf den globalen Phosphorkreislauf zu finden wie die moderne Zivilisation, zitieren die Forscher eine frühere Studie.

Unverkennbar

Rußpartikel, Kunststoffe, reines Aluminium, Beton, Pestizide und radioaktive Rückstände: All das und noch mehr wird laut den Forschern eine stratigraphische Signatur ergeben, an der hypothetische Geologen der Zukunft unser Zeitalter noch sehr lange im Gestein wiedererkennen werden.

Da sämtliche dieser Stoffe synchron mit der Beschleunigung des technologischen Fortschritts, dem Anstieg der Weltbevölkerung und dem stark zugenommenen Verbrauch natürlicher Ressourcen ab der Mitte des 20. Jahrhunderts verstärkt abgelagert wurden, plädieren die Forscher dafür, hier den Beginn des Anthropozäns zu setzen: Eine klare Positionierung in der Debatte – andere Wissenschafter setzen weitaus frühere Zeitpunkte wie etwa den Beginn des industriellen Zeitalters vor 200 Jahren oder gar schon das Aufkommen der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit.

Beim Internationalen Geologischen Kongress im August könnte eine offizielle Entscheidung fallen, ob unser Zeitalter tatsächlich auch als neues Erdzeitalter zu betrachten ist. Es wäre nicht nur das erste, dessen Beginn von einer fortgeschrittenen menschlichen Zivilisation bezeugt werden kann, wie es am Ende der Studie heißt – ebendiese Zivilisation wäre auch seine Ursache. (jdo, 8.1.2016)