Louis Schaub arbeitet daran, wieder jubeln und lächeln zu können. In 19 Europacup-Spielen hat er elf Tore erzielt, er mag eben große Aufgaben, zählt zu den Toptalenten in Österreich. Wohin ihn die Reise führt, wird sich weisen. Er fühlt sich bei Rapid wohl. Seinen Karriereplan behält der 21-Jährige für sich: "Es ist ein Privileg, Fußballer sein zu dürfen."

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER
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Wien – Louis Schaub lehnt es ab, zu grübeln, verzweifelt zu sein. In spätestens zwei Wochen ist das rechte Bein vom Gips befreit, er wird dann wieder ein wenig laufen können. Den restlichen Körper hält er in Schuss, Hanteln stemmen, stundenlang auf dem Ergometer sitzen, der Gips ist beim Radeln kein ultimatives Hindernis.

Der 21-jährige Rapidler ist Verletzungen gewöhnt. Mittelfußbruch, Bänderrisse, Zerrungen, Muskelfaserrisse. Am 5. Dezember 2015 hat es ihn gegen Ried besonders schlimm erwischt. Außen- und Innenbandrisse im Sprunggelenk, passiert ist es ohne Fremdeinwirkung, eine Operation war nötig. Die Sprunggelenke sind Schaubs Schwachstellen, sie sollten stabilisiert sein, einer Fortsetzung der Karriere steht nichts im Weg. "Mir geht es gut, ich bin glücklich und gesund. Es ist nur eine Verletzung, keine Krankheit. Wieso sollte ich jammern? Ich kann mein Hobby zum Beruf machen, das ist ein Privileg."

Reifeprozess

Trainer Zoran Barisic nennt ihn "einen lieben, zurückhaltenden, sensiblen Menschen. Er ist gut erzogen, hat keine fußballerischen Grenzen." Möglicherweise sei er in der Vergangenheit zu ehrgeizig gewesen. "Er ist über die Schmerzen drübergegangen, wollte zu viel. Junge Leute kennen ihren Körper eben nicht so gut, das ist ein Reifeprozess."

Schaub ist an mehreren Positionen einsetzbar. Links oder rechts im offensiven Mittelfeld, zentral, als hängende Spitze. Er liest die Situationen, sein linker Fuß ist quasi ein Geschenk, die Technik und die Wendigkeit streifen die Perfektion. Auf internationaler Ebene ist er besonders auffällig gewesen, Ajax Amsterdam hat er fast im Alleingang geschlagen, in der Europa League hatte er vielleicht keine Sternstunden, aber bemerkenswerte Sternminuten. "Im Europacup stehen die Teams nicht so tief hinten, da komme ich besser zur Geltung." Barisic sagt: "In der Meisterschaft will er zu viel, und die Leute erwarten zu viel. Dabei ist er noch so jung." Schaub lächelt, wenn er Fußball spielt. Andere schauen verbissen bis verkrampft drein, Schaub freut sich "einfach nur, auf dem Platz stehen zu dürfen. Ich genieße diese Momente." Mätzchen lehnt er ab. "Man muss als Spitzensportler nicht rücksichtslos oder egoistisch sein. Ich könnte es auch nicht, das passt nicht zu meiner Erziehung. Ich müsste mich verstellen."

Schaub arbeitet an seinem Comeback. Es setzt sich kein Datum, vielleicht dauert es zwei Monate. "Sind es drei, auch okay." Natürlich sei es nicht angenehm, etwa die Partien im Februar gegen Valencia von der Tribüne aus verfolgen zu müssen. "Im Fußball gehören Verletzungen dazu. Das soll man nicht hinterfragen."

Dass Schaub die Frage nach dem Warum verweigert, hat mit seiner Biografie zu. Es geschah im April 2003, sein Vater Fred, ebenfalls ein Fußballer, verunglückte auf der Autobahn bei Fulda tödlich. Er krachte mit dem Auto gegen einen Lastwagen. Louis, damals acht Jahre alt, saß im Fonds. Er erlitt einen Schlüsselbeinbruch und Prellungen. "Wenn man so etwas erlebt hat, hat sich die Frage nach dem Warum erledigt. Da gibt es keine Antwort."

Fred Schaub war ein Stürmer, erzielte 1980 im Uefa-Cupfinale gegen Gladbach das Siegestor für Eintracht Frankfurt. Er kickte später für die Admira, ein bulliger Typ, Sohn Louis ist filigran, das Gegenteil. "Den linken Fuß habe ich von ihm geerbt. Er ist mein Papa. Er könnte mir sicher Tipps geben. Aber irgendwann musst du damit abschließen, den Verlust akzeptieren. Ich bin jetzt glücklich und zufrieden."

Familienmensch

Schaub, der 2007 von der Admira in Rapids Nachwuchs wechselte, vertraut Barisic, pflegt zum 35-jährigen Kapitän Steffen Hofmann engen Kontakt. "Ihn kann man fragen, er kann antworten." Louis Schaub hat eine Mauer um sich gebaut. Er ist ein Familienmensch, schätzt die Ruhe, lässt Partys konsequent aus. Er hat einen Vertrag bis 2017, fühlt sich wohl. "Ein Titel mit Rapid wäre super." Natürlich hat er einen Karriereplan, den kurzfristigen verrät er: "fit werden." Der Langfristige? "Tut mir leid, Privatsache."

An der aktuellen Rapidmannschaft schätzt er das Niveau, den Zusammenhalt. "Es gibt außergewöhnliche Spieler." Schaub (geschätzter Markwert drei Millionen Euro) wird langfristig kaum zu halten sein. Das Ziel, in der österreichischen Liga steinalt zu werden, wäre auch seltsam. Barisic ist sich dieser Tatsache bewusst. "Er muss den richtigen Zeitpunkt für den Absprung finden. Noch ist er nicht gekommen. Für ihn ist Rapid vorerst die beste Adresse."

Schaub widerspricht nicht. Warum das so ist, sagt er nicht. (Christian Hackl, 9.1.2016)