Der Hauptbahnhof in Köln, Schauplatz der Übergriffe von Silvester.

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Frankfurt – In Köln haben Gruppen von Gewalttätern laut Polizeiangaben pakistanische und syrische Staatsbürger angegriffen. Am Sonntagabend seien in der Innenstadt zunächst sechs Pakistaner angegriffen worden, teilte die Polizei mit. Zwei von ihnen seien verletzt worden und hätten ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Später hätten fünf Personen einen 39-jährigen Syrer angegriffen und verletzt.

Binnen einiger Stunden seien 153 Personen überprüft und 199 Platzverweise ausgesprochen worden. Die Beteiligten seien zum Teil Rechtsextreme gewesen, zum Teil kämen sie aus der Hooligan-, Rocker- oder Türsteher-Szene. Hier hätten sich gezielt Leute über die sozialen Netzwerke verabredet, um auf augenscheinlich "nichtdeutsche Menschen" loszugehen, sagte Norbert Wagner von der Kölner Polizei am Montag. "Es ist ein alarmierendes Signal, dass wir sehr ernst nehmen".

"Das sind Taten von Menschen, die meinen, sie müssten das Recht in die eigene Hand nehmen", sagte Michael Temme, der bei der Kölner Polizei für die Gefahrenabwehr zuständig ist. Die Situation mache ihm "große Sorgen", doch werde die Polizei alles tun, um die Bürger zu schützen.

Am Vortag hatte die Polizei in Köln nach Ausschreitungen eine Kundgebung der islamfeindlichen Pegida-Bewegung aufgelöst. Die Beamten seien aus der Menge der rund 1.700 Pegida-Anhänger immer wieder mit Flaschen und Böllern beworfen worden, dabei seien mehrere Polizisten verletzt worden.

Muslime beklagen "neue Dimension des Hasses"

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland klagt nach den Übergriffen in Köln über eine zunehmende Feindseligkeit gegenüber Muslimen. "Wir erleben eine neue Dimension des Hasses", sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek dem "Kölner Stadtanzeiger" vom Montag.

Der "braune Mob" tobe in den sozialen Medien und sehe seine Vorurteile durch die Silvesternacht bestätigt. Am Donnerstag, als bekannt wurde, dass es sich bei einigen mutmaßlichen Tätern um Asylwerber aus muslimischen Ländern handle, seien in der Geschäftsstelle des Islamverbands 50 Drohanrufe und hunderte Hassmails und -briefe eingegangen, sagte Mazyek. Dazu gebe es Hetze im Internet. Inzwischen habe der Verband die Telefonanlage abstellen müssen.

"Muslime unter Generalverdacht"

Rassistische und antimuslimische Haltungen nähmen schon seit einer ganzen Weile zu. "Solche Ereignisse wie in Köln fachen dann die Islamfeindlichkeit nochmals weiter an, weil Muslime dann unter Generalverdacht gestellt werden", sagte Mazyek. Der Zentralrat wolle den zunehmenden Ressentiments mit "Aufklärung und Besonnenheit" begegnen. So sei es im Islam eine große Sünde, Frauen zu belästigen oder gar zu vergewaltigen.

Auch Deutschlands Justizminister Heiko Maas (SPD) hat vor "pauschaler Hetze gegen Ausländer" gewarnt. Dafür gebe es "keine Rechtfertigung", erklärte Maas am Montag in Berlin. Wer jetzt im Internet oder auf den Straßen "Hetzjagden" gegen Flüchtlinge veranstaltet, scheint auf die Taten von Köln nur gewartet zu haben, sagte Maas.

Maas nannte es "schamlos", dass einige Gruppen die Übergriffe aus der Silvesternacht – "so abscheulich die Verbrechen in Köln und anderen Städten auch waren" – für ihre Zwecke instrumentalisierten. "Dem müssen wir weiter gemeinsam sehr entschieden entgegentreten", forderte der SPD-Minister. "Wir dürfen radikalen Brandstiftern nicht das Feld überlassen."

NRW-Innenminister wirft Polizei Fehler vor

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger hat der Kölner Polizei schwere Versäumnisse im Zusammenhang mit den Übergriffen in der Silvesternacht vorgehalten. "Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel", sagte der SPD-Politiker am Montag in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag.

Zwei Fehler seien besonders gravierend: zum einen die unterlassene Anforderung von Verstärkungen während des Einsatzes, zum anderen die Art und Weise, wie die Öffentlichkeit von der Polizei über die Ermittlungen informiert wurde. Das Innenministerium habe keine Anweisung gegeben, die Herkunft von Tatverdächtigen zu verschweigen.

Verdächtige sind vorwiegend Asylwerber

Die nach der Silvester-Gewalt in Köln bisher von der Landespolizei ermittelten 19 Tatverdächtigen sind allesamt Nichtdeutsche. Zehn von ihnen haben den ausländerrechtlichen Status "Asylbewerber", wie aus dem am Montag in Düsseldorf vorgestellten Bericht des NRW-Innenministeriums hervorgeht.

Sieben der Tatverdächtigen hielten sich demzufolge vermutlich illegal in Deutschland auf, zwei seien unbegleitete jugendliche Flüchtlinge. 14 der 19 Tatverdächtigen stammten aus Marokko und Algerien, vier befänden sich wegen der Vorgänge in der Silvesternacht in Untersuchungshaft. Keiner der Verdächtigen habe dem Bericht zufolge einen verzeichneten Wohnsitz in Köln.

Die für die Bahnhöfe zuständige Bundespolizei hatte ihrerseits bis Freitag insgesamt 31 Verdächtige registriert. Darunter waren 18 Asylbewerber, wie ein Sprecher des deutschen Bundesinnenministeriums mitgeteilt hatte. (Reuters, APA, 11.1.2016)