Dass nicht jedem angeblichen Sexualverbrechen eine strafbare Handlung zugrunde liegen muss, hat sich am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht gezeigt, wo sich ein 17-Jähriger wegen versuchter geschlechtlicher Nötigung verantworten musste.

Ein Schöffensenat benötigte nach kurzer Verhandlung eine Beratungszeit von wenigen Sekunden, um den bisher unbescholtenen Burschen rechtskräftig freizusprechen.

Verfahren führte zu Ausbildungs-Abbruch

Das inkriminierte Vergehen sei "sicher nicht" gegeben, begründete Richterin Beate Matschnig die Entscheidung. Vielmehr liege dem zur Anzeige gebrachten Sachverhalt "das pubertierende Geplänkel zwischen zwei Teenagern, die das nicht ganz im Griff hatten" zugrunde, stellte Matschnig fest.

Das gegen ihn geführte Strafverfahren hatte für den Jugendlichen höchst unangenehme Folgen: Er musste sein Ausbildungsverhältnis beenden und war zuletzt arbeitslos, nachdem ruchbar wurde, dass ihm eine gegen ein junges Mädchen gerichtete Sexualstraftat vorgeworfen wurde.

Mädchen gab sich als jünger aus

Dabei hatten sich der Angeklagte und das vermeintliche Opfer nie persönlich kennengelernt. Über einen gemeinsamen Freundeskreis kamen sie über Facebook und WhatsApp in Kontakt und schrieben sich über mehrere Monate hinweg regelmäßig. Auch über sexuelle Erfahrungen tauschten sich die beiden aus.

Dass das Mädchen erst zwölf und nicht 15 war, wie sie dem Burschen vormachte, fand dieser erst heraus, als der Staatsanwalt gegen ihn ermittelte. "Auf dem Foto, das sie auf Facebook gepostet hat, schaut sie aus wie 15", meinte die Richterin zu den Schöffen, wobei sie ihnen das entsprechende Bild vorlegte.

Aus Flirt wurde Streit

"Willst du auch?", schrieb der 17-Jährige eines Tages dem Mädchen, wobei er sich auf sexuelle Handlungen bezog. Auf ihr lang gezogenes Ja, schlug der Bursch vor, sie solle doch vorbeikommen. Auch darauf gab es ein Ja. Dieser eher harmlose und unter aufgeschlossenen Jugendlichen vermutlich nicht ungewöhnliche Dialog, der im realen Leben nicht umgesetzt wurde, brachte den 17-Jährigen in weiterer Folge in die Bredouille.

Als ihn das Mädchen ein paar Tage später im Internet beschimpfte und auch seine Familie verunglimpfte, wurde der 17-Jährige zornig. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sein Vater im tschetschenischen Bürgerkrieg umgebracht worden war und er als Kleinkind mit seiner Mutter und einem älteren Bruder aus seiner Heimat fliehen musste.

"Ich habe ihr öfters gesagt, sie soll aufhören mit dem Schimpfen. Sie hat nicht aufgehört. Das hat mich wütend gemacht", berichtete der Bursch dem Gericht. Da habe er einen Screenshot mit dem verfänglichen Chat angefertigt, in dem es um Oralsex ging, und gedroht, er werde den ihren Eltern zeigen.

Widersprüchliche Aussagen

Weshalb die Staatsanwaltschaft das als versuchte geschlechtliche Nötigung qualifizierte, blieb in der Verhandlung eher rätselhaft. Zwar hatte das Mädchen, das im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommen wurde, behauptet, der Bursch habe irgendwann auch gedroht, er werde ihr Gesicht auf Nacktbilder von fremden Frauen "montieren" und das auf Facebook veröffentlichen, "aber im Akt finde ich dazu nichts", hielt die Richterin fest.

Am Computer des 17-Jährigen wurden von der Polizei nicht einmal Nacktfotos entdeckt, die wenigen, die sich auf seinem Handy befanden, stammten aus Filmen und waren nicht bearbeitet worden.

Fall von Kriminalisten angestoßen

Der Staatsanwalt hatte gegen den Freispruch nichts einzuwenden. Der Bursch hat in wenigen Tagen einen Termin beim AMS. Er hofft, möglichst bald wieder eine Arbeit zu finden. Der Fall war übrigens nicht von dem Mädchen bzw. deren Eltern angezeigt worden.

Kriminalisten waren im Zuge von umfangreichen Ermittlungen gegen eine gewalttätige Jugendbande zufällig auf den Burschen gestoßen, der mit deren Straftaten selbst nichts zu tun hatte, aber offenbar Freunde besitzt, die mit der Polizei in Berührung kamen. Im Zuge der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs stieß man auf die Chats des 17-Jährigen mit dem jüngeren Mädchen und begann von Amts wegen gegen ihn zu ermitteln. (APA, 13.01.2015)