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Bakir Izetbegović und Gattin Sebija (links) im September 2012 bei einem Treffen in Sarajevo mit Recep Tayyip Erdogan und seiner Ehefrau Emine. Der Name Izetbegović löst in Bosnien entweder untertänige Reaktionen oder Geringschätzung aus.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Es geht um ihren Nachnamen. Sebija Izetbegović wurde kürzlich zur Leiterin der Universitätsklinik von Sarajevo ernannt. Das ist einer der wichtigsten Managementjobs, die man in der bosnischen Hauptstadt bekommen kann. Kein Wunder, dass sie die Stelle erhielt: Es gab nur eine Kandidatin. Izetbegović, so munkeln viele, habe die Position ohnehin nur erreicht, weil sie die Ehefrau von Bakir Izetbegović ist. Neid und Tratschlust spielen in Sarajevo natürlich auch eine große Rolle. Das Ernennungsprozedere sei eine peinliche Show für die Öffentlichkeit gewesen, argumentieren einige. Zudem habe Izetbegović während des Krieges im belagerten Sarajevo Medizin studiert. "Da kann man sich schon vorstellen, wie sie zu ihren Abschlüssen gekommen ist", meint ein anderer.

Wer den Namen Izetbegović in Sarajevo, aber auch anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas hört, die von der größten bosniakischen Partei SDA dominiert werden, muss mit untertänigen Reaktionen rechnen – dann handelt es sich um Leute, die von der Partei abhängig sind, weil sie viele Jobs vergibt. Im anderen Fall folgt ein Ausdruck der Geringschätzung, wenn der Name fällt. Dann hat man es mit Leuten zu tun, die die Geschäfte des "kleinen Prinzen", wie Bakir Izetbegović genannt wird, ablehnen. Viele meinen, der SDA-Chef sei nur wegen seines Vaters so weit gekommen und nütze seine Position zu gesellschaftlichen Zwecken und fürs private Business aus. Das ist für Politiker auf dem Balkan aber sowieso der Normalfall.

Überall involviert

Der Sohn des Kriegspräsidenten Alija Izetbegović ist jedenfalls nicht als politischer oder ideologischer Kopf bekannt, sondern als Geschäftemacher, obwohl er als Vertreter der Bosniaken im Staatspräsidium sitzt. Er gehört zu einer dünnen Eliteschicht, die abgehoben vom Rest der Bevölkerung lebt. Normal ist in Sarajevo leider auch, dass kaum jemand öffentlich etwas gegen diese Zustände zu sagen wagt, weil das unangenehme Konsequenzen haben könnte. Denn die Parteigranden in Südosteuropa – egal welcher ethnisch-nationalistischen Richtung sie sich zurechnen – bestimmen nicht nur, wer in den staatsnahen Betrieben oder in der Verwaltung einen Job bekommt. Sie beeinflussen auch, wer keinen Job bekommt, und haben ihre Finger in allen möglichen wichtigen privaten Unternehmen.

Der Verwaltungsrat der Universitätsklinik weist Vorwürfe der Schieberei im Fall von Sebija Izetbegović zurück. Die Entscheidung beruhe auf dem Vorschlag einer Kommission, rechtlich sei alles in Ordnung. In einer so vertratschten Stadt wie Sarajevo, in einem so armen Land wie Bosnien-Herzegowina, das von "Lokalfürsten" regiert wird, weiß man auch ohne Anweisungen von oben, was opportun und zu tun ist. Die Sozialdemokraten (SDP) sprechen von einem Zustand, in dem die "herrschende Elite einfach tut, was sie will, während die anderen nur das tun, was die Elite erlaubt". Die Gesellschaft habe das Recht, durch Gesetze regiert zu werden und nicht durch das "Gesetz der zehn Familien", die sich um die Dynastie Izetbegović scharen. Allerdings muss gesagt werden, dass auch die SDP Klientelismus betreibt.

Unterstützung von Erdoğan

Die Macht von Bakir Izetbegović gründet ökonomisch betrachtet derzeit auch auf seinen guten Kontakten zu Investoren vom Golf, die Feriendörfer rund um Sarajevo bauen, aber auch Villen an den Hügeln der Stadt für die Eliten. Zudem wird er von Recep Tayyip Erdoğans AKP politisch unterstützt. Laut Recherchen des Center for Investigative Reporting (CIN) gehören dem "kleinen Prinzen" und seiner Frau Grundstücke im Wert von 300.000 Euro. Immerhin hat Izetbegović sein Eigentum deklariert. Allerdings laut CIN nur teilweise. So soll er eine Liegenschaft auf den Hügeln Sarajevos im Wert von 120.000 Euro nicht angegeben haben.

Seine islamisch-konservative SDA kann unter den Bosniaken mit Nationalismus, Abgrenzung gegenüber den "anderen" Bosniern, aber auch Beschwörung der Kriegszeit traditionell viele Stimmen sammeln. Man könnte von der Geiselhaft eines engen und äußerst konservativen Patriotismus sprechen, der mit dem Erbe von Alija Izetbegović zusammenhängt. Kritik an dem verstorbenen Präsidenten ist für manche in Sarajevo so etwas wie Blasphemie, obwohl es dafür gute Gründe gibt, etwa wenn es um seine Politik vor und während des Krieges geht. Heute gedeihen unter dem Izetbegović-Tabu seine Erben, die angesichts der Fragilität und Bedrohtheit des Gesamtstaats noch unantastbarer agieren können. Natürlich gibt es auch andere Politiker in der SDA. Und es geht auch nicht um eine bestimmte Partei – die allermeisten agieren sehr ähnlich. Es geht tatsächlich um ein paar Familien, die über die wichtigsten Posten, auch in der Justiz und dem Gesundheitsbereich, entscheiden.

Suizid eines 13-Jährigen

In den vergangenen Wochen war auch in anderem Zusammenhang von Eliten in Sarajevo die Rede. Mitte Dezember nahm sich ein 13-Jähriger das Leben, indem er sich aus dem Fenster der Wohnung seiner Eltern stürzte. Wie danach bekannt wurde, war Mahir R. von seinen Mitschülern an der International School in Ilidža systematisch gemobbt und sexuell misshandelt worden. Er wurde sogar mit einem Nudelholz vergewaltigt. In der extrem homophoben bosnischen Gesellschaft wurde R. von seinen Klassenkameraden zudem als "Schwuchtel" beschimpft.

Einige der Mitschüler von R. kommen aus sehr einflussreichen Familien in Sarajevo. Wenn man mit Jugendlichen spricht, ist häufig davon die Rede, dass in der prekären bosnischen Gesellschaft der Status der Eltern, Wohlstand, der Besitz eines tollen Handys und Ähnliches wichtig sind, um in der Peer-Gruppe Anerkennung zu bekommen. Die Ausgrenzung jener, die da nicht mithalten können, ist beinhart. Kinder aus Elitefamilien sind hingegen daran gewöhnt, dass niemand ihre vermeintliche Überlegenheit infrage stellt. Der Suizid löste einen Riesenschock aus. Auf Facebook gibt es eine Gruppe, die nun Gerechtigkeit für das Mobbingopfer fordert. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 14.1.2016)