"Vellkommen til Trysil", sagt das Schild recht freundlich. Und doch: Auf den ersten Blick empfängt uns ein Skidorf aus der Retorte, im norwegischen Holzhausstil geschaffen, nur wenige Skilängen von der Talstation des großen Sesselliftes und zweieinhalb Autostunden von Oslo entfernt. Auch jetzt am Abend ist in dem Ort rund um einen zen tralen Marktplatz noch viel los. Wären nicht die norwegischen Beschriftungen auf den Geschäften und Lokalen, ein Unterschied zu typischen Skiorten in Österreich, Südtirol oder der Schweiz wäre kaum auszumachen.

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Eine von zahlreichen "Hytter" in der Gegend.

Während die letzten Sportgeschäfte schließen und die Skiverleihstationen, in denen noch fleißig gewachst wird, ihr verliehenes Material zurückbekommen, dringen bereits Musik und Lichtreflexe aus dem Pub nebenan. Ausgelassenes Gemurmel und Gelächter lassen erahnen, dass das junge Skifahrervolk auch in Norwegen einem feuchtfröhlichen Abend entgegensteppt.

Haltlose Gerüchte

Wir steuern das Laaven an, einen alten Stadl, der nur wenige Schritte vom Marktplatz entfernt am Rande der Piste liegt. Ein verwittertes Bauwerk in Blockbauweise aus dem 18. Jahrhundert ist zugleich das beliebteste Après-Skilokal Trysils. Hier, genau so wie später im Pub, in dem es erst gegen Mitternacht so richtig losgeht, muss – je nach Erwartungshaltung – entweder ein Vorurteil oder eine Vorfreude begraben werden: Dass es in Norwegen kein Après-Ski und kein Nachtleben gebe, entpuppt sich als ziemlich haltloses Gerücht. Bis zwei Uhr in der Frühe geht es im Laaven rund, und die Discjockeys, die hier auflegen, könnten zumindest auch in jeder Tiroler Tenne bestehen.

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Norwegische Skiorte wie Trysil in der Provinz Hedmark verlieren sich geradezu in der Weite sanfter Hochebenen.
Foto: Picturedesk / Chrom Orange / Gunar Streu

Trysil ist das größte Alpinskigebiet Norwegens. Und wieder heißt es Abschied nehmen von einer falschen Vorstellung, wonach es in Norwegen kaum attraktive Skipisten gebe, sondern nur endlose Langlaufloipen. Schon Mitte der 1960er-Jahre wurde in Trysil, rund 200 Kilometer nordöstlich von Oslo nahe der schwedischen Grenze, der erste Skilift gebaut. Und auf den Hängen des breit über dem Tal gelagerten Trysilfjelles haben sich nach und nach mehr als 70 Kilometer gepflegter Pisten entwickelt. Einzig: Bei einer Tour durch das Pistenrevier fällt es schwer, "echte schwarze", also schwere, Abfahrten zu finden.

Offiziell gibt es zwar dreizehn schwarze Pisten am Trysilfjell, doch mit den Kanonenrohrabfahrten in den Alpen sind diese keineswegs zu vergleichen. Ist das ein Nachteil? Nicht unbedingt für das Publikum, das sich hier auf den insgesamt 62 Pisten tummelt und nicht den Eindruck macht, als wäre es auf besonders anspruchsvolle Pisten versessen. Es sind Familien mit Kindern, die hauptsächlich in dieses Gebiet kommen, neben Norwegern vor allem Dänen – und sie sind auf der Suche nach rot, blau und für besonders Vorsichtige sogar grün markierte Abfahrten. Warum sich Familien hier so wohlfühlen, hat aber noch einen anderen Grund.

Lieber Hytter als Hotel

Von den rund 15.000 Gästebetten, die für die Winterurlauber zur Verfügung stehen, finden sich nur 300 in Hotels, der Rest in unzähligen Hütten, den "hytter", wie die Norweger ihre Holzhäuser nennen. Doch in der Regel sind das alles andere als schlichte, karge Unterkünfte für Bergler. Norwegens Hütten, wie sie vom Großteil der Skifahrer gemietet werden, entsprechen eher komfortablen, manchmal sogar luxuriösen Ferienwohnungen: mit elektrischer Heizung, komplett eingerichteten Küchen, offenem Kamin, manchmal auch mit eigener Sauna.

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Trysil aus der Distanz

Auch auf norwegischen Pisten gilt der Einkehrschwung als geübte Praxis. Dafür eignet sich etwa die Knettsetra. Setra ist das norwegische Wort für Almhütte, und die Knettsetra erweist sich dabei als wahrhaftig uriges Almanwesen, das im Sommer von glockenbimmelndem Weidevieh umgeben ist. Dennoch beherbergt die nur vermeintlich archaische Alm ein Restaurant, einen Pub und eine Vaffelstua, also eine typische Waffelstube. Selbst ein Nobelrestaurant gibt es unten im Dorf.

Edel gesättigt

Der Schnee liegt meterhoch vor dem Pilegrimen, dem "Pilger" und also feinsten Lokal in Trysil, er türmt sich vor den Eingängen, hat schon die Fenster zugeweht. Drinnen empfängt einen die wohlige Wärme eines knisternden Kaminfeuers. Die Schneehuhnbrust mit Moltebeeren oder Rentierfiletspitzen mit Morcheln stehen wenig später auf dem Tisch. Pilger, die hier einst in der wesentlich einfacheren Schank auf dem Weg nach Trondheim zum Grab des heiligen Olav einkehrten, werden Trysil wohl nicht so edel gesättigt verlassen haben. (Christoph Wendt, 17.1.2016)