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Microsoft muss einem fast leidtun. Der Konzern bemüht sich sichtlich, Windows 10 zu einer attraktiven Plattform für App-Entwickler und Kunden gleichermaßen zu machen – wirklich abheben will der Windows Store aber nicht. Die Probleme sind dabei keinesfalls neu. Bereits seit Jahren kränkelt Windows Phone an der "App-Gap", also einer Art App-Lücke, unter der mit Windows 8 und zuletzt Windows 10 auch Desktop- und Tablet-Computer leiden.

Windows Store hinkt hinterher

Das Angebot an mobilen Anwendungen zählt nicht unbedingt zu den Steckenpferden von Windows 10 Mobile. Während der App Store unter iOS und Google Play mit ihren lebendigen und innovativen Softwareläden punkten, hinkt der Windows Store deutlich hinterher. Ein kurzer Blick in die beliebtesten kostenpflichtigen und kostenlosen Apps unter iOS und Android bestätigt diesen Eindruck.

Text: Die "App Gap" stellt auch unter Windows 10 noch ein Problem dar.
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Viele Top-Apps fehlen

So sind weniger als die Hälfte der je 25 bestplatzierten iOS-Programme in den Kategorien "Gratis" und "Gekauft" auch für Windows 10 Mobile erhältlich. Vergleicht man den Windows Store mit Google Play, zeichnet sich ein ähnliches Bild. Noch schlimmer sieht die Situation aber für die Desktop-Version von Windows 10, die ja auch auf Tablets und Convertibles zum Einsatz kommt, aus. Gerade mal eine Handvoll der bestplatzierten iPad-Programme finden sich im Windows Store wieder.

Der Windows Store muss sich im App-Angebot klar hinter Google Play und dem App Store einreihen.
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Mangelnde App-Qualität

Nach mehrjähriger Erfahrung mit Windows Phone zeigt sich, dass sich das App-Angebot im Windows Store in den letzten Jahren auch nur langsam verbessert hat. Die Auswahl an Programmen ist hier jedoch bei weitem nicht das einzige Problem. Fast noch schwerer wiegt die mangelnde Qualität. Viele Apps, selbst jene von großen Entwicklern wie Facebook oder Twitter, hinken in ihren Funktionen deutlich den iOS- und Android-Pendants hinterher.

Andere Programme wiederum werden über lange Zeiträume kaum oder gar nicht weiterentwickelt. Als Beispiele seien Amazon, eBay oder IMDb erwähnt. Dort dürfte die Devise "Hauptsache im Windows Store vertreten" lauten – wie die Benutzererfahrung letztendlich ausfällt, scheint zweitrangig zu sein. Diese dargestellten Probleme sind dabei keine Einzelfälle, sondern lassen sich bei zahlreichen Windows-Apps beobachten.

Selbst die App riesiger Dienste wie Amazon, eBay oder IMDb erhalten nur sporadisch Updates. Hier ein Bildvergleich der Apps unter Windows 10 Mobile und iOS.
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Fake-Programme

Zu bemängeln ist aber nicht nur die Qualität der Apps, sondern auch die Verwaltung und Darstellung im Windows Store. Zwar hat sich hier mit Windows 10 viel verändert und verbessert, eines der Kernprobleme besteht aber immer noch – Fake-Programme. Sucht man etwa nach einer unter iOS oder Android beliebten App, die für Windows 10 nicht verfügbar ist, steht die Chance recht gut, dass einem ein Trittbrettfahrer untergejubelt wird.

Da es, wie weiter oben beschrieben, doch eine große Anzahl an Apps nicht für Windows gibt, passiert das recht häufig. Vor allem unerfahrene Nutzer könnten auf die oft gut getarnten Fakes hineinfallen. Bei der Suche nach einer App für den Google-Messenger "Hangouts" taucht etwa die 1,99 Euro teure Anwendung "App for Hangouts" auf. Diese wirbt zwar mit einem sehr ähnlichen Icon, hat aber mit dem Messenger nichts am Hut.

Vor Fake-Programmen, die mit bekannten Namen locken, muss man im Windows Store ein wenig Acht geben.

Viele Verbesserungen mit Windows 10

Das klingt alles nach einem ziemlich düsteren Bild für Windows 10 und Windows 10 Mobile? Ist es im Grunde genommen derzeit auch noch. App-Enthusiasten kommen mit Android oder iOS sicher mehr auf ihre Kosten als mit Windows. Microsoft ist aber nicht untätig. Vor allem mit Windows 10 hat das Unternehmen viele sinnvolle Verbesserungen eingeführt, deren Auswirkungen für Endanwender derzeit aber noch kaum spürbar sind.

Universal Windows Platform

Eine der wichtigsten Neuerungen stellt hier mit Sicherheit die Universal Windows Platform – kurz UWP – dar. Mit der UWP hat Microsoft eine einheitliche App-Plattform für sämtliche Windows-Geräte geschaffen. Entwickler können so ein und dieselbe Codebasis für Smartphones, Tablets oder Desktop-Computer verwenden und müssen lediglich die Benutzeroberfläche anpassen. Microsoft erhofft sich dadurch auch Synergieeffekte.

Mit der UWP läuft ein Programmcode auf sämtlichen Windows-Geräten.
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Auswirkungen noch gering

Noch scheint die Bereitschaft zur Optimierung von Programmen für die UWP aber recht gering zu sein. Wirklich verwunderlich ist das nicht. Durch die Verbindung zweier eher schlecht als recht laufender Content-Stores – der Windows Store und der Windows Phone Store – wird nicht automatisch ein guter daraus. Zwar könnten Entwickler mit Windows 10 potentiell hunderte Millionen an Nutzern erreichen, die Betonung liegt aber auf "potentiell".

Ähnliche Probleme im Mac App Store

Der Windows Store unter Windows 10 steht letztendlich vor ähnlichen Problemen, wie bereits Apple mit dem Mac App Store: Warum sollte man als Nutzer einen App-Store zum Download von Programmen verwenden (oder als Entwickler seine Programme dort anbieten), wenn man Software auch auf dem herkömmlichen Weg installieren kann? Für die geschlossenen Smartphone-Betriebssysteme stellen sich diese Fragen freilich nicht.

Vor allem Nutzer von Desktop-Systemen werden daher nur bedingt Vorteile aus dem Windows Store ziehen können. Für Tablets und Convertibles sieht die Situation, schon alleine aufgrund der Optimierung der Apps auf Touch-Bedienung, grundsätzlich anders aus. Hier schießt sich Microsoft jedoch ein wenig selbst ins Knie, indem neuartige Geräte wie die Surface-Reihe eher wie klassische Laptops am Markt positioniert werden.

Überzeugungsarbeit

ArsTechnica urteilt, dass Microsoft die Entwickler letztendlich davon überzeugen müsse, dass Desktop-Systeme von Bedeutung seien und sie neben Webseiten auch Apps verdienen. Damit nicht genug, müsse Microsoft zudem auch vermitteln, dass sich die Entwicklung einer mobilen App für Windows 10 Mobile lohne. Zwar sei der Aufwand durch die UWP vergleichsweise gering, eine gut aussehende und funktionierende Benutzeroberfläche für verschiedene Geräte zu entwickeln sei trotzdem Arbeit.

Facebook, Twitter, Netflix und mehr an Bord

Einige große Entwickler haben bereits ihre Unterstützung für die Universal Windows Platform angekündigt. Facebook-CEO Mark Zuckerberg gab etwa an, dass man an Universal Windows Apps für Facebook, Messenger und Instagram arbeite. Facebook für Windows 10 Mobile wurde bereits veröffentlicht, die App bleibt derzeit aber trotzdem weit hinter den iOS- und Android-Versionen. Auch Unternehmen wie Twitter oder Netflix haben ihre Unterstützung der UWP bekundet.

Windows Bridges

Ein weiteres Entgegenkommen von Microsoft für Entwickler stellen die sogenannten "Windows Bridges" dar. iOS-Entwicklern ist es mit der Windows Bridge möglich, einen Großteil ihres Objective-C-Programmcodes weiter zu verwenden und daraus eine native Windows-App zu kompilieren. Für Android-Entwickler wollte Microsoft ursprünglich noch einen Schritt weitergehen und eine Emulierung von Android-Apps unter Windows 10 ermöglichen.

Die Windows Bridges soll es Entwicklern anderer Plattformen vereinfachen, ihre Apps auch für Windows 10 anzubieten.

Android-Emulator auf Eis gelegt

Im November tauchten jedoch Gerüchte auf, dass "Project Astoria" – der Codename des Android-Emulators unter Windows 10 – für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt wurde. Microsoft hat sich seitdem nicht mehr dazu geäußert, angeblich soll der Emulator aber nicht wie ursprünglich geplant funktioniert haben. Viele Windows-Entwickler waren jedoch von vornherein über die Auswirkungen von "Project Astoria" auf die App-Plattform skeptisch.

Richtungswechsel

Insgesamt senden die häufigen Richtungswechsel von Microsoft nicht unbedingt das Signal an die Entwickler, dass sie sich mit Windows 10 auf eine zukunftssichere App-Plattform einlassen. Microsoft scheint mit seinen neuesten Betriebssystemen jetzt aber sein Ziel, eine einheitliche und gemeinsame Basis für sämtliche seiner Geräte anzubieten, letztendlich erreicht zu haben. Jetzt fehlen nur noch die Entwickler-Scharen. (Martin Wendel, 18.1.2016)