Zagreb – Das jüngste EU-Mitglied Kroatien hat knapp drei Monate nach der Wahl wieder eine Regierung. Nach einer 14-stündigen Marathon-Debatte stimmten am späten Freitagabend im Parlament in Zagreb 83 Abgeordnete für das neue Kabinett des parteilosen Pharmamanagers Tihomir Oreskovic. 63 Parlamentarier sagten Nein, während sich fünf der Stimme enthielten.

Der in Kanada aufgewachsene Oreskovic (50) nannte als seine politischen Prioritäten neben Wirtschaftswachstum und Investitionen auch eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des jüngsten EU-Mitgliedstaats sowie einen höheren Lebensstandard für seine Landsleute. Das Adrialand wird seit Jahren von einer Wirtschaftskrise mit ausufernden Staatsschulden gebeutelt.

Die Koalition stellen die bisherige Oppositionspartei HDZ und die neue Partei Most (Brücke), die bei der Parlamentswahl im November auf Anhieb zur drittstärksten Kraft aufgestiegen war. Das Bündnis löst die bisher regierenden Sozialdemokraten (SDP) ab.

Zerreißprobe

Die neue Regierung stand bereits am Tag ihrer Amtseinführung vor der Zerreißprobe. Drei Abgeordnete des Juniorpartners Most traten aus der neuen Partei aus und verweigerten Oreskovic die Zustimmung. Sie waren mit der Besetzung der Ministerien nicht einverstanden. Daneben wurde die Macht des Regierungschefs durch die Bildung eines neuen Koalitionsausschusses eingeschränkt, in dem unter Führung der Vorsitzenden der beiden Regierungsparteien alle wichtigen Entscheidungen fallen sollen.

Die beiden Koalitionspartner passen eigentlich gar nicht zusammen. Most will alles das reformieren, für das die christlich-konservative HDZ-Partei steht. Das betrifft das Steuer-, Bildung- und Gesundheitssystem ebenso wie die drastische Verringerung des Staatsapparates. Die HDZ hatte seit der Unabhängigkeit des Landes von Jugoslawien vor einem Vierteljahrhundert meist die Regierung gestellt und das Land in seiner heutigen Form geprägt. Während von 1990 bis 2000 und wieder von 2003 bis 2011 die HDZ Kroatien geführt hatte, hatten die jetzt abgelösten Sozialdemokraten nur kurz die Regierung bestimmt (2000-2003 und 2011 bis zuletzt). (APA, 23.1.2016)