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Bosnische Muslime bei traditionellen Fastenbrechen

Foto: AP Photo/Amel Emric

Auf dem Foto sieht man eine Frau die im Beichtstuhl sitzt und einem Priester zuflüstert: "Ich bereue es. Aber ich habe in der Früh Palatschinken mit Marmelade gemacht." #VergibmirFadil, der berühmteste bosnische Hashtag in diesen Tagen, ist an den Premierminister des Landesteils Föderation, Fadil Novalić, gerichtet.

Novalić hatte es gewagt, darauf hinzuweisen, dass der größte Anteil der Produkte, die die Bosnier im Supermarkt kaufen, nicht dem Überleben dienen, sondern dem Genuss. "Die Bürger der Föderation haben ein gutes Leben. Die haben sogar Geld zu verschwenden", meinte er und argumentierte dies damit, dass die Leute Geld für Kaffee, Zigaretten, Bier und Wein ausgeben würden.

Entschuldigungen

Seitdem Fadil Novalić vergangene Woche diesen Ausspruch getan hat, wird er permanent mit sarkastischen Entschuldigungen bombardiert. Denn tatsächlich leben viele Bosnier von billigen und schlechten Lebensmitteln und können sich kaum etwas leisten – das Durchschnittseinkommen liegt bei etwas 350 Euro, die Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen bei 60 Prozent.

"Fadil, meine Frau hat mir Bohnen ohne Fleisch gekocht, darf ich welches einbröckeln?", fragt einer um Erlaubnis beim Premierminister, eine "Luxusmahlzeit" einzunehmen. Andere erkundigen sich, ob es nicht bereits zu verschwenderisch sei, wenn sie sich am Abend und in der Früh mit Zahnpaste die Zähne putzen. "Vergib mir Fadil, aber ich hatte heute Kaffee mit Milch", lautet ein anderes Posting, das das eigene "Luxus-Verhalten" karikieren soll.

In Sarajevo schauen die Leute permanent auf ihre Handys um sich gegenseitig die neuesten und lustigsten "Vergib mir Fadil" – Twitter, SMS und Facebook-Meldungen vorzulesen.

Eine Frau die in eine Schokolade beißt, sagt augenzwinkernd "Dass mich nur Fadil nicht sieht!" Ein Typ, der sich gerade erhängen will, raucht noch eine Zigarette: "Fadil, vergib mir, das ist meine letzte", sagt er. Ein anderes Foto zeigt teure Handys in einer Auslage, darunter liegen die Preisschilder. Darüber steht: "Ich hab ja nur geschaut – Entschuldige Fadil"

Skepsis gegenüber den Eliten

Die Reaktion der Bosnier spiegelt vor allem ihre riesige Skepsis gegenüber den Eliten wider. Die meisten Bosnier glauben, dass die politischen Eliten nur Geld abzocken würden- in manchen Fällen stimmt das auch. Dieser Hass auf die Eliten hat aber auch damit zu tun, dass die Bürger fälschlicherweise glauben, dass es ihnen besser gehen würde, wenn diese Politiker weniger Geld verdienen würden. Der implizite Vorwurf in dem Hashtag #VergibmirFadil lautet: Du hast ja keine Ahnung, wie schlecht es mir geht, weil Du ein abgehobener, reicher, weltfremder Parteibonze bist.

Novalić selbst reagierte ziemlich geschockt auf die Twitter-Sarkasmen und meinte bierernst, er habe doch nur die Wahrheit gesagt. "Ich bin schockiert, wie sehr unsere Gesellschaft noch nicht bereit ist, dies zu akzeptieren und das Faktum, dass viel Geld für unnötige Dinge ausgegeben wird." Offensichtlich ist für Herrn Novalić wenn es um die Lebensgestaltung geht, noch viel Platz nach unten.

Als notwendig erachtet der Politiker, der als "Godfathil" verspottet wird, nur den Kauf von Öl und Brot. Er hatte kürzlich dagegen argumentiert, dass das Mindesteinkommen von 190 Euro auf 210 Euro angehoben werden soll. Das Einkommen von Politikern auf dem Level von Novalić liegt in Bosnien-Herzegowina zwischen 2000 und 3000 Euro. Damit kommt man allerdings auch nicht besonders weit. (Adelheid Wölfl, 25.1.2016)