Pfeifer: "Man muss nicht mit jedem allerbester Freund sein, aber man muss sich respektieren und sich zusammen freuen, dann ist es für die Mannschaft sehr förderlich. Um alleine trainieren zu können, muss man schon ein Meganiveau haben, sonst kann man sich auch verzetteln."

Foto: ÖSV/Aichner

Marko Pfeifer ist mit den ÖSV-Slalomläufern drauf und dran, die Lücke zu Marcel Hirscher rascher als erwartet zu schließen. Marco Schwarz, Christian Hirschbühl, Marc Digruber und Manuel Feller haben die Erwartungen übertroffen. Wie das in der relativ kurzen Zeit möglich war, welche Rolle dabei das Phänomen Hirscher spielt und in welche Richtung sich der Slalomrennsport entwickelt, erzählt der Kärntner im Interview.

STANDARD: Bereitet es Ihnen Kopfzerbrechen, dass Henrik Kristoffersen im Slalom heuer kaum zu biegen ist?

Pfeifer: Bei ihm passt einfach alles zusammen, das Materialsetup, die Form und die Fitness. Er bringt es auf den Punkt hin, ist ein Ausnahmekönner, im Slalom zurzeit sicher das Maß. Er hat ja auch schon vor zwei Jahren in Sotschi mit 19 Olympia-Bronze geholt.

STANDARD: Der ÖSV-Slalomnachwuchs hat heuer schon des Öfteren aufgezeigt. Marco Schwarz war Dritter in Madonna di Campiglio und Neunter in Kitzbühel. Christian Hirschbühl Siebenter in Kitzbühel, Marc Digruber Zehnter in Schladming. Hat auch Sie die schnelle Entwicklung überrascht?

Pfeifer: Ja, das war so nicht zu erwarten. Wir sind schon sehr zufrieden, weil die Jungen letztes Jahr noch Europacup gefahren sind und jetzt nicht nur immer wieder in die Top-30 kommen, sondern auch ganz vorne reinfahren. Die Leistungen in Kitzbühel auf einem der schwersten Hänge sind sehr hoch einzuschätzen. Auch Digruber hat in Schladming ein Topresultat geliefert. Feller übertreibt ein bissl, attackiert zu viel. Aber klar, bei den Heimrennen sind sie topmotiviert. Sie haben die Erwartungen mehr als übertroffen. Ich glaube, uns ist heuer in der kurzen Zeit eine starke Sache gelungen. Das ist nicht so selbstverständlich und sehr positiv, wenn man bedenkt, dass letztes Jahr noch von einer Slalomkrise geredet wurde.

STANDARD: Konnte der Nachwuchs von der im letzten Jahr vom ÖSV angekündigten verstärkten Zusammenarbeit mit Marcel Hirscher profitieren?

Pfeifer: Bestimmt, die Kooperation funktioniert sehr gut. Wir haben seit Ende September sehr viel Riesenslalom und Slalom miteinander trainiert und immer wieder den Vergleich gesucht. Das ist wichtig für eine junge Mannschaft. In Neuseeland haben wir den Schweden Mattias Hargin dabei gehabt und auch mit dem Japaner Naoki Yuasa trainiert. Ich habe zwölf Jahre in Schweden gearbeitet, habe mit André Myhrer, Jens Byggmark und Mattias Hargin eine gute Slalommannschaft aufgebaut. Aber es hat seine Zeit gedauert, bis wir richtig stark waren. Man muss dran bleiben und die Herausforderung annehmen.

STANDARD: Man hat das Gefühl, der eine oder andere könnte bald schon um den Sieg mitfahren.

Pfeifer: Die Zielsetzungen müssen momentan andere sein. Für uns ist das Qualifizieren für den zweiten Lauf schon ein Riesenerfolg, ein Podium natürlich auch. Selbstverständlich will man aber auch gewinnen. Alles ist möglich, irgendwann. Zunächst aber ist es mein Job, dass ich sie schnell mache und im nächsten Schritt geht es um Konstanz, weil es ja auch um Weltcuppunkte und Startnummern geht. Aber das ist ein normaler Prozess. Bode Miller oder Rudi Nierlich waren zu Beginn auch unbekümmert und sehr schnell, haben es aber auch nicht gleich runtergebracht. Auf einmal aber waren sie konstant und dann ist es dahingegangen.

STANDARD: Hirscher hat eine riesige Last zu schultern. Ist das längerfristig auszuhalten?

Pfeifer: Es ist ein unglaubliches Pensum, das er bewältigen muss. Er muss die Leistung bringen und hat viele Medientermine. Aber ich hätte noch nichts verspürt, dass er nicht die Energie zum Skifahren hätte. Er ist ein Kämpfertyp und so schnell gibt er sich nicht geschlagen. Ich kenne keinen anderen Skifahrer, der über mehrere Jahre immer auf diesem hohen Niveau, Rennen für Rennen seine Leistung bringt. Es gibt viele gute, die aber immer wieder Hänger haben, zumindest für ein, zwei Rennen. Hirscher legt sich die Messlatte sehr hoch und das kostet auch enorme mentale Kräfte. Daher verstehe ich seine Aussage, dass er nur noch ein paar Jahre fahren will.

STANDARD: Im Slalom wird es immer schwieriger, erfolgreich zu sein. Viele Nationen mischen mit.

Pfeifer: Die Dichte im Slalom ist enorm. Die ersten 70, 80 der Welt können vorne mitfahren. In Wengen lag die Qualifikationszeit für den zweiten Lauf nur 1,54 Sekunden hinter der Bestzeit von Kristoffersen. Immer wieder fahren Leute mit hohen Startnummern vorne rein, wie in Wengen zum Beispiel der Ungar Dalibor Samsal. Für das Slalomtraining braucht man im Prinzip nur ein Hangerl, einen Trainer und einen Helfer. Abfahrt und Super G kann man nur mit einer Mannschaft trainieren. Dazu braucht es einen Berg, mehrere Trainer und Helfer. Das ist nur für die großen Nationen möglich.

STANDARD: Skisport ist ein Einzelsport, dennoch ist Teamwork ein wichtiger Faktor. Auch im jungen ÖSV-Team?

Pfeifer: Natürlich. Das lebt man als Trainer vor, das kommuniziere ich auch immer, es ist wie in einer Firma. Athleten, Trainer, Physio- und Kondi-Trainer, Serviceleute sind eine Familie. Wir alle wollen erfolgreich sein, arbeiten also auf dasselbe Ziel hin. Trotzdem kann man auf jeden individuell eingehen. Im Prinzip profitiert jeder von jedem, wenn wir zusammenhalten. Das macht uns stark, auch wenn es ein Einzelsport ist. Diese Kultur habe ich in Schweden kennengelernt. Die Norweger praktizieren das genauso. Man muss nicht mit jedem allerbester Freund sein, aber man muss sich respektieren und sich zusammen freuen, dann ist es für die Mannschaft sehr förderlich. Um alleine trainieren zu können, muss man schon ein Meganiveau haben, sonst kann man sich schon auch verzetteln.

STANDARD: Geben sich die Läufer untereinander Tipps, oder behalten sie manche Erkenntnisse auch für sich?

Pfeifer: Es gibt Smalltalk, aber im Prinzip arbeiten sie mit den Trainern zusammen. Sie schauen sich nicht gegenseitig immer wieder zu. Das passiert dann bei Videoanalysen. Es gibt aber sicher bei jedem Geheimnisse, die er für sich behält.

STANDARD: Wie wird sich der Slalomsport in der Zukunft entwickeln?

Pfeifer: Enger, schneller, kürzerer Druckpunkt, es wird alles extremer. Vor ein paar Jahren war es noch so, dass die Läufer im ersten Durchgang mit 80 Prozent runtergefahren sind und dann im zweiten mehr riskiert haben. Jetzt kannst du dir das gar nicht mehr erlauben. Als Topathlet muss man zweimal voll fahren, sonst gewinnt man kein Rennen mehr. Die Linie wird ausgereizt, es wird immer probiert, so nahe wie möglich an der Falllinie zu bleiben, den kürzesten Weg, den kürzesten Druckpunkt zu suchen. Bei jedem Tor bist du einen Zentimeter vom Einfädeln entfernt. Und das Material wird immer aggressiver.

STANDARD: Das setzt bestimmt auch ein intensives Trainingsprogramm voraus um mit der Entwicklung mitzukommen.

Pfeifer: Es braucht sehr viel Übung, in der Vorbereitung fahren wir 10.000 bis 15.000 Tore bis Oktober nur im Slalom. Dabei wird variiert, was Gelände, Radien, flüssige Läufe, drehende Läufe und Torabstände betrifft. Es gibt so viele Dinge zu trainieren, alles in Kombination mit dem Materialsetup. Das sind schon massive Umfänge und das geht natürlich auch brutal auf die Gelenke und auf den Rücken.

STANDARD: Kommt man damit auch in einen für den Körper bedenklichen Bereich?

Pfeifer: Das ist im Skirennsport generell der Fall. Das Material für den Slalom ist aber sehr gut. Es gibt, da muss man auf den Tisch klopfen, ganz selten Kreuzbandverletzungen. Eher ist, wie in anderen Disziplinen auch, der Rücken eine Problemzone. Das kann man aber mit gezieltem Konditionstraining auch relativ gut im Griff haben. Wenn man intensiv trainiert, dann bewegt man sich am Limit, ist mit dem Körper knapp drüber oder gerade nicht. Da braucht es gute Physiotherapeuten, damit man die Läufer jeden Tag fit bekommt und auch rechtzeitig weiß, wann eine Pause notwendig ist. Es geht nämlich relativ schnell, dass man es übertreibt. Richtig gesund wird man im Spitzensport nie sein. (Thomas Hirner, 29.1.2016)