Wien – Bei einem Besuch des Akademikerballs könnten Asylwerber die österreichische Kultur kennenlernen – und dann in der Heimat davon berichten. Diesen Vorschlag zur Kulturvermittlung macht Walter Tributsch, "Alter Herr" der schlagenden Burschenschaft Teutonia und Gründer der rechtsnationalen Zeitschrift "Zur Zeit". Demonstranten würden den Ball überschätzen – Rechtsextreme würden sich anderswo in Europa treffen, sagt Tributsch. Deutschtümelei würde den Burschenschaften zu Recht nachgesagt.

STANDARD: Seit einigen Jahren gibt es Proteste gegen den Akademikerball. Haben Sie dafür Verständnis?

Tributsch: Die Burschenschaft hat seinerzeit 1848 dafür gekämpft, dass Demonstrationsfreiheit herrscht, dass Redefreiheit herrscht. Also bin ich auch dafür, dass man gegen den Ball demonstrieren kann. Wofür ich allerdings auch bin, ist, dass dies gewaltfrei passiert. Im Vorjahr zum Beispiel gab es 54 Verhaftungen, sechs Polizisten wurden verletzt. Das hat bitte mit Demokratie nichts mehr zu tun. Das ist Anarchie, das ist Chaos und das können wir nicht brauchen.

STANDARD: Der Vorwurf vieler Demonstranten ist, dass der Ball als Vernetzungstreffen der extremen Rechten diene.

Tributsch: Wenn sich Rechtsextreme – dazu zähle ich die Burschenschaften nicht – vernetzen wollen, gibt es in Europa wesentlich mehr Möglichkeiten. Es gibt auf politischer Ebene die Möglichkeit, sich zu treffen. Es gibt ein paar Parteien, die als rechts eingestuft werden, die haben ihre Treffen in allen Teilen Europas. Aber der Ball als solcher ist eine rein gesellschaftliche Veranstaltung, in erster Linie von Akademikern und Studenten. Hier ein Vernetzungsszenario aufzeigen zu wollen, ist völlig absurd.

STANDARD: Es gibt doch immer wieder internationale Gäste.

Tributsch: Natürlich. Es steht jedem frei – wir sind ja Gott sei Dank in einem demokratischen Land –, sich Ballkarten zu kaufen. Es steht jedem frei, auch Gäste mitzunehmen. Natürlich alles unter dem Aspekt, dass es sich hier nicht um Kriminelle handelt, dass solche Personen nicht auftreten, die eventuell gesucht werden. Bei diesem Ball gibt es seit mehr als 50 Jahren keinen einzigen Fall, wo auch nur einer gefunden wurde, dem irgendeine kriminelle Handlung nachgewiesen wurde.

STANDARD: John Gudenus war damals wenige Monate nach seiner Verurteilung wegen Wiederbetätigung auf dem Ball.

Tributsch: Ich will mich zur Verurteilung von John Gudenus nicht wirklich äußern. Er hat den Ball – ich weiß nicht, wie lange – mindestens 20, 30 Jahre besucht. Und ob er jetzt vor der Verurteilung dort war oder danach, kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen.

STANDARD: Gibt es, abgesehen von Personen, die per Haftbefehl gesucht werden, Personen, die dort nicht willkommen sind?

Tributsch: Störenfriede. Ich möchte keinen linken Extremisten oder Chaoten dort haben, der möglicherweise Farbbeutel herumschmeißt. Diese Leute können wir nicht brauchen. Es ist eine gesellschaftliche Veranstaltung, die in Ruhe und zur Freude der Teilnehmer ablaufen soll. Es wird ja auch niemand, der damit nicht einverstanden ist, auf den Life Ball gehen und dort irgendwie zu randalieren beginnen.

derstandard.at/von usslar

STANDARD: Burschenschaften und Verbindungen wird oft Deutschtümelei nachgesagt – zu Recht?

Tributsch: Ja. In der Hinsicht, dass man den historischen Kontext sehen muss. Die Burschenschaften wurden 1815 gegründet, das war die Zeit, wo Napoleon den europäischen Kontinent mit Krieg überzogen hatte und unter anderem die deutschen Länder überlaufen hat. Damals ist eine Einigungsbewegung entstanden, die von Studenten getragen war – das waren in Wirklichkeit die Burschenschaften, die damals gesagt haben, wir müssen uns zusammenschließen und schauen, dass die Einheit des Reiches hergestellt wird. Aus diesem historischen Kontext ist die sogenannte Deutschtümelei, die man den Burschenschaften heute auch noch unterstellt, zu verstehen. Es hat historische Wurzeln.

STANDARD: Die Einheit des "deutschen Volkes" ist noch immer etwas, das betont wird in den Burschenschaften.

Tributsch: Die Einheit des deutschen Volkes ist de facto so wie die Einheit des italienischen Volkes und des französischen oder englischen Volkes in der EU ja letzten Endes realisiert. Das sind mittlerweile alle Bürger der Europäischen Union und da kann man jetzt von Einheit sprechen oder nach wie vor verschiedenen Ländern, denen wir angehören – das spielt eigentlich keine Rolle.

STANDARD: Das Reizthema in Zusammenhang mit den Demonstrationen ist die Hofburg als Ort der Feier. Wäre es nicht einfacher, den Ball woanders zu veranstalten?

Tributsch: Wir haben uns das Leben noch nie einfach gemacht. Wir sind seit 28 Jahren in der Hofburg. Das ist nicht einzusehen, weil ein paar Extremisten aus der linken Seite uns dort nicht sehen wollen, dass wir diese Hofburg räumen sollen. Das kommt überhaupt nicht infrage.

STANDARD: Der Ball ist erst seit 2007 Zentrum einer größeren Debatte. Glauben Sie, dass er überschätzt wird?

Tributsch: Er wird weit überschätzt. Diese Ballrandalierer kennen wir ja schon vom Opernball. Früher waren sie dort, jetzt sind sie beim Akademikerball. Das ist eine Modeerscheinung, irgendwann wird das auch wieder uninteressant werden für die Linksextremisten und sie werden ein anderes Opfer finden. Da bin ich relativ locker.

STANDARD: Das ist der erste Akademikerball seit den großen Flüchtlingsbewegungen im Sommer 2015. Es werden in diesen Verbindungen ja traditionell das Erbe des Volkes, die Kultur und die Heimat betont. Sehen Sie den Ball in diesem Kontext dieses Jahr anders?

Tributsch: Ich sehe ihn nicht anders. Ich würde mir den einen oder anderen Asylwerber gerne am Ball wünschen. Die kommen aus einer anderen Kultur, sie sollen einmal sehen, welche kulturellen Eigenheiten wir haben. Viele kehren ja wieder zurück, die sollen zu Hause berichten, wie bei uns Gesellschaft gepflegt wird, welche kulturellen Eigenheiten wir haben. Das ist der einzige Aspekt, den ich mir vorstellen kann.

derstandard.at/von usslar

STANDARD: … dass weniger Menschen kommen würden, wenn sie sehen, wie es am Akademikerball abläuft?

Tributsch: Sie könnten zumindest feststellen, ob ihre Kultur dem entspricht, wie wir unser Leben gestalten. Sie kennen sicherlich die Publikation von Samuel Huntington, "The Clash of Civilisations". Der meint ja, dass Kulturen, die grundsätzlich verschieden sind, nicht miteinander vereinbar sind. Wenn die Asylwerber jetzt sagen, so etwas könnten wir bei uns eigentlich auch haben, dann ist das schön. Würde mich freuen, das wäre so ein Kulturexport, den wir machen können.

STANDARD: Haben die Burschenschaften die patriarchalen Strukturen nicht mit den Herkunftsländern vieler Asylwerber gemeinsam?

Tributsch: Wenn ich mir die Vorfälle von Köln anschaue und das eine Folge von patriarchalen Strukturen ist, dann kann ich mir das bei uns nicht vorstellen. Bei uns stehen die Frauen in einem hohen Ansehen – mehr als in so manchen sogenannten emanzipierten Kreisen. Wir haben Respekt vor den Frauen. Für uns sind sie das Wichtigste, wir wollen sie schützen und sehen sie als ergänzenden Partner. Nicht, dass man sie auf der Straße angrapscht, das kommt bei uns nicht vor. (Sebastian Fellner, Maria von Usslar, 29.1.2016)