Seit 1. Jänner gilt eine Quote von 30 Prozent in Aufsichtsräten, aber die Luft ganz oben ist für Frauen in Deutschland immer noch dünn.

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Es ist noch nicht so lange her, da sprach die deutsche Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) große Worte. "Wir machen in Deutschland einen historischen Schritt", erklärte sie, als der Bundestag im Frühjahr die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten beschloss.

Das neue Gesetz sieht dabei folgende Regelungen vor: Für Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt eine Geschlechterquote von 30 Prozent. Die Quotenregelung greift damit bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern sowie bei Europäischen Aktiengesellschaften (SE), bei denen sich das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Es ist egal, auf welcher Seite die Frauen sitzen, sie können alle auf der Arbeitgeberseite sein oder auf der Seite der Arbeitnehmer.

Seit 1. Jänner ist das Gesetz nun in Kraft, doch Schwesig hört sich nicht mehr ganz so euphorisch an, wenn sie erklärt: "Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie es ernst meinen mit der von ihnen selbst so häufig gepriesenen Vielfalt in den Führungsetagen."

Ernüchterndes Ergebnis

Denn zum Inkrafttreten der neuen Regelung hat sich der Verein Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte) die Personalpläne der 102 betroffenen Unternehmen einmal näher angesehen und ist zu einem ernüchternden Ergebnis gekommen.

Doch zuerst die gute Nachricht: Immerhin 28 der börsennotierten und mitbestimmten Firmen erreichen bereits die 30-prozentige Frauenquote in den Aufsichtsräten. Beim großen Rest jedoch schaut es nicht so gut aus. Überhaupt hat erst die Hälfte der betroffenen Unternehmen die Zielvorgaben offengelegt. Davon planen 31 Firmen immerhin einen Zuwachs, 14 wollen den Anteil an Frauen um über zehn Prozentpunkte erhöhen.

Keine Frau bei Porsche

Der "Leuchtturm" unter den Unternehmen ist der Konsumgüterhersteller Henkel. In dessen Aufsichtsrat sitzen 44 Prozent Frauen. Hingegen haben das Medizintechnik- und Gesundheitsunternehmen Fresenius sowie Porsche noch gar keine Frau im Kontrollgremium.

Nicht zufrieden ist Fidar-Präsidentin Monika Schulz-Strelow. "Die Unternehmen wollten flexible Lösungen. Jetzt, da diese auch gesetzlich festgelegt sind, liefern sie nur begrenzt." Lange Zeit hatte die Politik ja auf Selbstverpflichtung gesetzt, das Gesetz kam erst, als nichts weiterging.

Schneckentempo

Doch dort, wo Selbstverpflichtung gefordert ist, schaut es noch düsterer aus. Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass weitere 3500 Firmen sich für diverse Führungsebenen Ziele zur Frauenförderung setzen müssen und diese auch öffentlich machen. Derzeit liegt der Anteil von Frauen in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands gemäß Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bei 6,3 Prozent.

"Die Entwicklung gleicht einem Ritt auf der Schnecke", kritisiert Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies im DIW Berlin. Bleibe das Tempo, mit dem der Frauenanteil steige, weiterhin so gering, dann würde es in den Vorständen der Top-200-Unternehmen noch 86 Jahre dauern, bis Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen erreicht sei. In den Aufsichtsräten wäre man "schon" in 25 Jahren am Ziel.

"Zielgröße null"

23 der von Fidar befragten Unternehmen, die derzeit noch keine Frau im Vorstand haben, geben auch für die nächste Zeit die "Zielgröße null" an. HeidelbergCement erklärt diese Strategie so: "Der Aufsichtsrat verfolgt den Ansatz, bei der Besetzung von Vorstandsposten keine Unterschiede aufgrund des Geschlechts, der Herkunft oder sonst eines Merkmals zu machen, sondern rein auf Basis der fachlichen Qualifikation und der Berufserfahrung der Kandidaten und Kandidatinnen zu entscheiden." Bei Fidar sieht man ein solches Wachstumsziel als "Affront gegen Frauen".

Auch der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) ist unzufrieden und erklärt: "Eine so gut ausgebildete Generation von Frauen wie heute gab es noch nie. Wer die Frauenquote ignoriert, schneidet sich ins eigene Fleisch."

Sinnvolle Sanktionen

DIW-Expertin Holst fordert von der Politik jedoch mehr als schöne Worte. "Ohne wirkliche Sanktionen bei Nichterfüllung der Zielgrößen könnte sich das Gesetz jedoch als ein zahnloser Tiger herausstellen", sagt sie und verweist auf Frankreich. Dort sieht das Gesetz bis 2017 eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichts- und Verwaltungsräten vor.

Und es gibt die Möglichkeit von Sanktionen, so können etwa Sitzungsgelder in den Aufsichts- und Verwaltungsräten bei Nichterfüllung zeitweise ausgesetzt werden. In Deutschland ist Derartiges jedoch nicht vorgesehen. Wird die Quote bei der nächsten Entsendung nicht erfüllt, so bleibt der vorgesehene Platz rechtlich unbesetzt. Der Gewählte beziehungsweise Entsandte wird kein Aufsichtsratsmitglied. Negative finanzielle Folgen gibt es für das Unternehmen allerdings nicht. (bau, 30.1.2016)