Wien – In der Debatte um die Integration von Flüchtlings- und Migrantenkindern gilt Hamburg als eines der Vorbilder. Das deutsche Bundesland setzt dabei unter anderem auf einen Sozialindex für Schulen, nach dem etwa Lehrerstunden vergeben werden, sowie zeitlich begrenzte Vorbereitungsklassen für Quereinsteiger, schilderte die Erziehungswissenschafterin Ursula Neumann (Uni Hamburg) am Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung auf Einladung der Initiative "Bildung grenzenlos" und dem Institut für Germanistik der Universität Wien.

Die Situation in Hamburg sei mit jener in Wien etwa vergleichbar, befand Neumann: In Wien haben knapp 40 Prozent der Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch, in Hamburg (wo nicht die Muttersprache erhoben wird) verfügen 45 Prozent über Migrationshintergrund.

Zwei "Meilensteine"

Die Sprachförderung an den Schulen beruhe auf zwei "Meilensteinen", betonte die Wissenschafterin: Einerseits auf dem 2006 verabschiedeten "Hamburger Sprachförderkonzept" sowie anderseits auf der Erarbeitung eines schulspezifischen "Sozialindex": Je nach Zusammensetzung der Schülerschaft entscheidet dieser etwa über die Größe der Klassen beziehungsweise die Zuteilung von Lehrerstunden und Unterstützungspersonal. Das Konzept selbst basiert grundsätzlich auf einer integrativen Sprachförderung in den einzelnen Fächern, wird aber auch durch additive Sprachförderung in Form zusätzlicher Lernzeit für Kinder mit Sprachproblemen ergänzt.

Im Alter von rund viereinhalb Jahren müssen in Hamburg alle Kinder an jener Schule vorgestellt werden, die sie später besuchen werden. Dort wird dann bei Tests erhoben, ob etwa ein "ausgeprägter" oder "besonders ausgeprägter" Förderbedarf besteht – ist dies der Fall, wird das Kind zum Besuch einer Kindertagesstätte verpflichtet, wo es Sprachfördermaßnahmen erhält.

Für Flüchtlingskinder und andere "Seiteneinsteiger", hat man folgenden Weg ins Schulsystem eingeschlagen: Einerseits gibt es bereits in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen Lerngruppen, die allerdings nicht alle Kinder erfassen. Kommen die Kinder dann in eine Schule, wird nach Alter differenziert: Kinder im typischen Schulanfangsalter kommen jedenfalls in Regelklassen und erhalten dort neben dem normalen Unterricht zusätzliche Sprachförderung.

Basisklassen, Vorbereitungsklassen, Regelklassen

Kinder ab acht Jahren müssen zunächst zum sogenannten Schulinformationszentrum beziehungsweise zum Berufsinformationszentrum (ab 16), wo sie einer Schule zugewiesen werden. Sind sie nicht alphabetisiert oder müssen sie erst das lateinische Alphabet erlernen, besuchen sie zunächst schulformübergreifende "Basisklassen" (Größe: zehn Schüler), um grundlegende Deutschkenntnisse zu erlangen. Deren Besuch ist mit höchstens zwölf Monaten limitiert, anschließend wird in eine Vorbereitungs- oder eine Regelklasse gewechselt.

Sind die Kinder bereits ausreichend alphabetisiert, geht es in eine "Internationale Vorbereitungsklasse" (15 Schüler). Auch deren Besuch ist mit zwölf Monaten limitiert, anschließend wird in eine Regelklasse der selben Schule gewechselt. Dort erhalten die betroffenen Schüler noch weiter zusätzlichen Sprachunterricht.

Zentrale Personen an den Schulen sind sogenannte Sprachlernkoordinatoren an den Schulen. Das sind speziell aus- und fortgebildete Lehrer, die die Sprachförderung an den Schulen organisieren und koordinieren sowie den Kontakt zu öffentlichen Stellen und wissenschaftlichen Einrichtungen halten. Je nach Anzahl der Schüler mit Sprachproblemen werden sie für eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Woche für diese Funktion freigestellt. Zusätzlich kommen noch "Sprach- und Kulturmittler", deren Aufgabe über jene von Dolmetschern hinausgeht sowie Sozial- und bei Bedarf Sonderpädagogen. (APA, 29.1.2016)