Das Wrack des russischen Airbus A321, der über der Sinaihalbinsel zum Absturz gebracht wurde, wird wieder zum Politikum.

Foto: AFP / Maxim Grigoryev

Russland stellt der Türkei – indirekt – einen zweiten Abschuss eines Jets in Rechnung: Der russische Geheimdienst FSB ließ durchsickern, dass es Informationen zur Beteiligung türkischer Nationalisten am Terroranschlag auf ein russisches Passagierflugzeug in Ägypten gebe. Der Ferienflieger war Ende Oktober über der Sinaihalbinsel zum Absturz gebracht worden, alle 224 Insassen kamen bei der Katastrophe ums Leben.

Ermittelten die Behörden zunächst wegen eines vermuteten technischen Defekts, verschob sich der Fokus nach den Anschlägen von Paris schnell auf die Version eines Attentats. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) veröffentlichte ein Bekennerschreiben und ein Foto, das angeblich die Bombe, einen selbstgebastelten Sprengsatz in einer Getränkedose, zeigt.

"Graue Wölfe" im Verdacht

In den Medien kursierende Gerüchte, dass ein inzwischen verschwundener Angestellter des Flughafens Sharm-el-Sheikh die Bombe an Bord geschmuggelt habe. Dies bestätigten die Ermittler nicht. Doch schon im Dezember erklärte FSB-Direktor Alexander Bortnikow, seine Behörde habe eine Vorstellung davon, wer hinter dem Anschlag stecke. Nun verlautete aus Geheimdienstkreisen, hinter der Tat könnten Mitglieder der "Grauen Wölfe" mit Verbindung zum IS stecken.

Die "Grauen Wölfe" sind eine nationalistische und rechtsextreme Organisation in der Türkei, die in der Vergangenheit in mehrere Terroranschläge und Morde verwickelt gewesen sein soll. "Wenn sich diese Information bestätigen sollte, dann wird Russland die Rechnung wegen des Todes seiner Staatsbürger und für das Flugzeug an die Türkei ausstellen", kündigte der Leiter des Verteidigungsausschusses im Föderationsrat Wiktor Osjorow an.

Politische Spannungen

Die neuen russischen Beschuldigungen an die Adresse Ankaras sind Teil einer neuen Spirale gegenseitiger Anfeindungen und Vorwürfe, die sich die beiden Führungen seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets im türkisch-syrischen Grenzgebiet gegenseitig machen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Abschuss als "Dolchstoß in den Rücken" bezeichnet und harte Sanktionen gegen die Türkei angedroht. "Mit ein paar Tomaten" würden die Verantwortlichen nicht davonkommen, sagte er.

Die türkische Führung ihrerseits wiederholte erst in der vergangenen Woche den Vorwurf einer Luftraumverletzung durch russische Jagdbomber. Diesmal soll eine Su-34 über türkisches Gebiet geflogen sein – ein Vorwurf, den Moskau sofort als "haltlose Propaganda" zurückwies. Russland habe von der Türkei keine Materialien über den angeblichen Zwischenfall bekommen, betonte ein Sprecher des Außenministeriums.

Auch militärisch rüsten beide Seiten in dem Konflikt weiter auf: Ankara hat seine Luftstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen lassen. Russland beklagte zudem den Beschuss syrischen Territoriums von türkischem Boden aus. Russland seinerseits hat nach dem Flugabwehrsystem S-400 nun auch vier hochmoderne Jäger vom Typ Su-35S in Syrien stationiert. (André Ballin aus Moskau, 1.2.2016)