Die Autorin erklärt Schulkindern aus Amara East die Arbeit in den Friedhöfen. Mohamed fungiert als Übersetzer.

foto: british museum

Die Schulklasse im Rasthaus auf der Grabung, in dem es auch Schautafeln mit Informationen für Besucher gibt (siehe letztes Bild).

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Der 2012 gefundene Sargdeckel, rechts als Rekonstruktionszeichnung.

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Maickel bei der Restaurierung im Grabungshaus.

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Hölzerne Elemente von Totenbetten aus verschiedenen Gräbern in Amara West.

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Seit 2010 Teil des Grabungsteams: Rami Mohamed Abdu, Hassan Nuri, Fuad Ali Gindi und Mohamed Tawfik.

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Woche fünf in Amara West war von mehreren außergewöhnlichen Ereignissen gekennzeichnet. Zum einen hat uns ein Magen-Darm-Virus erwischt, das abwechselnd einen Großteil des Teams kurzfristig außer Gefecht setzte. Das kommt im Durchschnitt einmal pro Kampagne vor, obwohl die hygienischen Verhältnisse im Sudan im Vergleich zu den meisten anderen nordafrikanischen Ländern grundsätzlich relativ gut sind. Von ernsthafteren, langwierigeren gastrointestinalen Infektionen sind wir hier in acht Kampagnen bisher vollkommen verschont geblieben. Auch andere Tropenkrankheiten wie Malaria und Bilharziose stellen in unserer Region keine Gefahr dar.

Schüler zu Besuch

Zum anderen hatten wir erstmals Besuch von den Kindern der Schule in Amara East auf der anderen Flussseite. Verantwortlich dafür ist die japanische Projektmitarbeiterin Tomomi Fushija, die im Rahmen ihrer Dissertation an der Universität Leiden das Bewusstsein und Verhältnis der lokalen Dorfgemeinschaften zu Amara West und zur Archäologie generell untersucht. Ihre Arbeit umfasst Interviews mit den Arbeitern und Leuten in den umliegenden Dörfern, öffentliche Vorträge für Erwachsene und an den Schulen über unsere Arbeit sowie Besuche der Schulkinder auf der Grabung. Vergangenes Jahr wurde außerdem ein Führer zu den Ausgrabungen in Englisch und Arabisch herausgegeben, der an alle Haushalte auf Ernetta verteilt wurde, aber auch frei im Netz verfügbar ist. Bei den Schulkindern kam der Besuch der Grabung auf jeden Fall sehr gut an. Nach der Führung wurden fleißig Fragebögen ausgefüllt und Zeichnungen von Objekten angefertigt.

Entsprechend dem phasenweise etwas reduzierten Team ging auch die Arbeit etwas langsamer voran. Hinzu kam, dass am Samstag sämtliche Arbeiter vom Komitee der Dorfvorsteher von Ernetta nach Abri beordert wurden, wo eine große Demonstration gegen die geplanten Dämme stattfand. Etwa 1.000 Leute aus den umliegenden Dörfern nahmen daran teil, glücklicherweise verlief alles friedlich. Trotzdem konnten wir einige interessante Entdeckungen machen.

Interessante Entdeckungen

In Grab G322 konnte Mohamed erstmals in diesem Jahr die gesamte Unterseite eines Holzsargs freilegen. Särge stellten generell eines der wichtigsten Elemente des ägyptischen Totenrituals dar. Dementsprechend wurden selbst Angehörige unterer Bevölkerungsschichten in einfachen Behältnissen, oft auch nur in Matten gewickelt, bestattet. Während des Neuen Reichs (circa 1500–1100 vor unserer Zeit), der Zeit, in der Amara West besiedelt war, waren die Särge typischerweise anthropoid, also in Körperform, ausgeführt. Sie bestanden aus Holz und waren sowohl außen wie innen mit bemaltem Gips dekoriert. Die Dekoration ist abhängig von der Zeitperiode, sollte jedoch grundsätzlich den Verstorbenen als Mumie repräsentieren. Darüber hinaus befanden sich darauf sowohl Name des Toten als auch zahlreiche Sprüche aus dem altägyptischen Totenbuch, die für das Leben in der Nachwelt wichtig waren.

Die Erhaltungsbedingungen in Amara West, insbesondere die Aktivität von Termiten, verhindern leider eine gute Erhaltung der verwendeten Särge. In den meisten Fällen finden wir größere Mengen an Fragmenten von Holz und Gips mit Resten von roter, blauer, schwarzer und gelber Farbe. Wenn größere Teile vorhanden sind, sind sie bisher fast ausschließlich mit geometrischen Mustern dekoriert. Die einzige Ausnahme stellt das 2012 gefundene, fast vollständig erhaltene Gesicht eines Sargdeckels dar. Um die fragilen Holzelemente zu bergen, können wir glücklicherweise auf die Hilfe eines Restaurators des British Museum zurückgreifen. Maickel van Bellegem konserviert die Elemente direkt nach der Freilegung bereits im Grab mit einer speziellen Klebstofflösung. Erst wenn diese vollständig ausgehärtet ist, werden die Holzteile geborgen und ins Grabungshaus transportiert. Dort werden die Fragmente dann von Sandresten gereinigt und die Bemalung freigelegt.

Untypische Muster

Das völlige Fehlen von Inschriften könnte jedoch nicht nur auf den Erhaltungszustand zurückzuführen sein. Auch die Muster sind führenden Sargexperten des British Museum zufolge etwas untypisch beziehungsweise unägyptisch. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um lokale, nubische Reproduktionen von ägyptischen Vorlagen handelt. Das begegnet uns in Amara West und anderen ägyptischen Kolonialsiedlungen in Nubien immer wieder und ist auch eine der zentralen Fragen des Projekts: Waren es wirklich Ägypter, die hierher siedelten, oder vielmehr Nubier, die wohl Elemente der ägyptischen Kultur übernahmen, aber diese teilweise auch den eigenen Vorlieben anpassten? In dieser Hinsicht sind auch neue Funde aus Grab G321 sehr aufschlussreich. Während Grabbau, Keramik und andere Beigaben vollständig dem ägyptischen Brauchtum entsprechen, gibt es beispielsweise bisher keine Hinweise auf Särge. Im Gegenzug konnten mittlerweile einige Fragmente von hölzernen Totenbetten geborgen werden. Diese stellen ein zentrales Element des nubischen Bestattungsritus dar und waren bereits 1.000 Jahre vor der Besiedlungszeit von Amara West in Gebrauch.

Die Skelette der Bewohner von Amara West geben hierzu leider auch wenig Aufschluss, obwohl neue naturwissenschaftliche Methoden theoretisch das Potenzial dazu hätten. Am meisten Hoffnung wurde in den vergangenen Jahren in die Analyse stabiler Strontium-Isotope gesetzt. Diese sind abhängig vom geologischen Untergrund und werden über Wasser und Nahrung in den Körper und damit auch in Knochen und Zähne aufgenommen. Der Strontium-Isotopengehalt kann sich zwischen verschiedenen geografischen Regionen sehr stark unterscheiden. Leider ist die Isotopenverteilung des Niltals sehr komplex und lässt daher nicht unbedingt eine Unterscheidung zwischen Ägypten und Nubien zu. DNA-Analysen sind an den Amara-West-Skeletten ebenfalls nicht möglich, da sich DNA in trocken-heißen Wüstenklimaten nur ausgesprochen schlecht erhält. Sämtliche dahingehenden Versuche sind bisher fehlgeschlagen. (Michaela Binder, 4.2.2016)