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Bei der stationären Behandlung von Suizidgefährdeten wird häufig nicht bedacht, wie es nach der Entlassung für den Patienten weitergeht. Besonders hoch ist das Suizidrisiko in den ersten drei Monaten nach einem Klinikaufenthalt.

Foto: dpa/Peter Steffen

Wien – Hoffnungslosigkeit ist die grundsätzliche Bedingung für Suizid. Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, hat ein erhöhtes Risiko, sich selbst das Leben zu nehmen. Auch, weil dann die Hoffnungslosigkeit am größten ist. Wie Suizid und Depression zusammenhängen, war Thema des Symposiums "Depression und ihre 'Komorbiditäten'" des Anton Proksch Instituts in Wien.

"Das Tor zum Suizid sind Impulsivität und Aggressivität, nur dadurch ist ein Mensch so enthemmt, dass für ihn die grausame Handlung des Suizids möglich wird", erklärte Reinhold Fartacek, Leiter der Station für Suizidprävention der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Salzburg. Aber auch Alkoholmissbrauch, Rauchen, frühere Kopfverletzungen oder Traumatisierungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Suizid, so Fartacek. Männer nehmen sich weit häufiger das Leben als Frauen. Ein Grund dafür ist laut Fartacek etwa, dass die Lebenserwartung von Männern gestiegen ist – die Suizidrate ist im Alter höher. Dass sie mehr Alkohol trinken als Frauen, ist ebenfalls eine mögliche Erklärung.

Verbesserungspotential im Klinikalltag

Im Klinikalltag werde zu wenig bedacht, kritisiert der Mediziner, wie ein Patient, der bereits einen Suizidversuch hinter sich hat und deshalb stationär aufgenommen wurde, die Zeit nach seiner Entlassung gestalten wird. Besonders hoch sei das Risiko für einen erneuten Suizidversuch in den ersten drei Monaten nach einem stationären Aufenthalt. Auch weil zwischen Entlassung und dem nächsten Termin beim niedergelassenen Psychotherapeut oft Wochen vergehen.

Fartacek kritisierte außerdem die unzureichende Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche. Im stationären Bereich brauche es mehr gemeinsame Konzepte: "Es darf nicht eine Station für Alkoholkranke und eine Station für Suizidgefährdete geben – diese zwei Dinge gehen oft Hand in Hand."

Warnsignale erkennen

Wer mit suizidgefährdeten oder depressiven Menschen zu tun hat, sollte auf folgende Warnsignale achten: Verbale Andeutungen sich das Leben zu nehmen, Recherchen zu Selbstmord, verstärkte Wut, Rückzug aus dem sozialen Leben, häufige Angstzustände oder vermehrter Alkoholkonsum.

Die biologische Vorhersage von Suizid ist nur bedingt möglich, so der Mediziner. Etwa eine Dysfunktion der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse kann auf ein erhöhtes Suizidrisiko hindeuten. "De facto besteht aber bei vielen Patienten keine Gefahr, obwohl die HPA-Achse es vermuten lässt", erklärte Fartacek. So komme es zu falsch positiven Befunden.

Die Mitarbeiter der Station für Suizidprävention befragen ihre Patienten regelmäßig zu ihrer Ausprägung von Suizidalität, etwa mit der Frage: "Wie hoch war Ihre Suizidgefahr heute?" Dieses Selbstmonitoring habe sich äußerst gut bewährt, sagte Fartacek. Ehrlicher sind Patienten allerdings beim Ausfüllen eines Fragebogens und nicht im persönlichen Gespräch.

Medikamente zur Vorbeugung von Suizid

Die Verabreichung von Lithium hat eine suizidpräventive Wirkung. Wie genau das Medikament wirkt, wurde noch nicht ausreichend erforscht. Fest steht, dass Lithium auf biochemische Prozesse im Gehirn Einfluss nimmt. Wahrscheinlich wird bei manisch depressiven Menschen in Hochphasen der Noradrenalinüberschuss gesenkt und in depressiven Phasen der Serotoninspiegel angehoben.

Patienten, die sich einer solchen Therapie unterziehen, müssen regelmäßig zur Kontrolle erscheinen, um die Lithiumkonzentration im Blut überprüfen zu lassen. Fartacek merkte an, dass die suizidpräventive Wirkung des Medikaments auch auf die regelmäßigen Termine und Gespräche zurückzuführen sein könnte, und weniger auf die tatsächlichen Inhaltsstoffe von Lithium.

Notfallpan für den Ernstfall

Die Station für Suizidprävention in Salzburg arbeitet gemeinsam mit jedem Patienten einen Notfallplan aus, der sie in der Zeit nach ihrer stationären Behandlung unterstützen soll. "Die Patienten brauchen eine klare Vereinbarung und nehmen diesen Notfallplan sehr ernst", sagte Fartacek. "Den Plan tragen sie immer bei sich, auch um das Thema nicht aus den Augen zu verlieren." Er besteht aus den folgenden Punken:

  • Warnsignale, auf die der Patient achten muss
  • Vorgehen im Notfall
  • Argumente dafür, warum der Patient trotz allem leben will
  • Notfall-Kontakt

Die Mitarbeiter der Uniklinik Salzburg versuchen rund um die Uhr für ihre Patienten da zu sein. Fartacek: "Wir versuchen eine gute Beziehung zu unseren Patienten aufzubauen und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Suizidprävention geht allerdings nur gemeinsam, in therapeutischer Allianz". (Bernadette Redl, 14.2.2016)