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Die Sympathien für das Sparprogramm von Regierungschef Alexis Tsipras halten sich in Griechenland in überschaubare Grenzen. Besonders die vorgeschlagene Pensionsreform sorgt für Proteste.

Foto: Reuters/ Alkis Konstantinidis

Gewalttätige Straßenproteste und massive Behinderungen des öffentlichen Lebens durch landesweite Streiks am Donnerstag haben die prekäre Lage der Regierung von Alexis Tsipras deutlich gemacht. Arbeits- und Sozialminister Giorgos Katrougalos, der sich in Athen mit Vertretern der Kreditgeber traf, sprach von "schwierigen Verhandlungen" über die von der Regierung vorgeschlagene Pensionsreform. Sie ist der Auslöser für die wochenlangen Proteste, die in einem "Generalstreik" des öffentlichen Dienstes gipfelten.

Die seit einem Jahr amtierende linksgeführte Regierung wartet auf den Abschluss der ersten Überprüfung ihrer Reform- und Sparschritte durch die Kreditgeber. Die Vertreter von Eurogruppe, Eurorettungsfonds, Europäischer Zentralbank und des am neuen Milliardenkredit offiziell weiterhin nicht beteiligten Internationalen Währungsfonds begannen nach einigem Zögern erst diese Woche mit der Bewertung der bisher umgesetzten Auflagen für den Kredit. Einer der größten Stolpersteine ist die von der Regierung vorgeschlagene umfassende Reform der Sozialversicherung. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nannte sie im Prinzip gut; die Reform schlösse aber noch nicht die kurzfristigen Finanzlücken im griechischen Haushalt.

Wählerklientel vergrault

Tsipras' Koalitionsregierung, die sich nur noch auf drei Stimmen Mehrheit im Parlament stützt, hat mit den vorgeschlagenen Einsparungen und Beitragserhöhungen bei der Sozialversicherung nicht nur ihre Wählerklientel im öffentlichen Dienst aufgebracht, sondern auch gering verdienende Selbstständige und die Landwirte. Die Kreditgeber wiederum halten dem Vernehmen nach die geplante Anhebung der Beiträge für die sogenannten Zusatzpensionen um ein Prozent bei den Arbeitgebern und ein halbes Prozent bei den Arbeitnehmern für wirtschaftlich zu belastend. Sie wünschen stattdessen neuerliche Kürzungen bei den Pensionen, aber auch eine höhere Mindestdauer zur Einzahlung in die Pensionskasse – 20 Jahre statt 15, wie es die Regierung Tsipras vorschlägt.

Selbstständige in Griechenland, die erstmals Sozialversicherungsbeiträge entrichten sollen, die sich tatsächlich an ihren Einkünften orientieren und nicht länger pauschal festgelegt werden, empört die Reform der Regierung besonders. So machen Freiberufler wie junge Anwälte mit einem geringen Jahreseinkommen von beispielsweise 25.000 Euro nun Rechnungen auf, wonach sie 60 Prozent und mehr an Steuern und Sozialversicherung zahlen müssten, sollte die Regierung mit ihren Plänen bei den Kreditgebern durchkommen. In einer Rede vor Parteifunktionären diese Woche versicherte Tsipras, die Reform der Sozialversicherung sei ausgewogen; neuerliche Pensionskürzungen werde es mit ihm nicht geben. (Markus Bernath aus Athen, 5.2.2016)